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MANNHEIM: „LA REINE“ – ein Musiktheaterprojekt

13.02.2017 | Oper

Mannheim: „LA REINE“ – ein Musiktheaterprojekt am 12.02.2017

Angela denoke - copyright HJ Michel
Angela Denoke. Copyright: Hans-Jörg Michel

Ein ungewöhnliches Musiktheaterprojekt hatte am Nationaltheater Mannheim Premiere, unter dem Titel „La Reine“ wurden zwei Lieder-Zyklen in metamorphischer Fiktion verbunden. Weder Texte, Handlung geben Aufschlüsse zur Titelgeberin und letztlich bleibt absolute  Königin der Synthese,  ganz allein die Musik. Nun bedurfte es für dieses Experiment einer ungewöhnlichen Vokal-Solistin und man engagierte die international renommierte Sopranistin Angela Denoke. In symbolischer Trümmerlandschaft sucht man auf Vergebung Sie ist alles, alles ist sie. Jede Figur, jedes szenische Ereignis ist Ausdruck ihrer Furcht, ihres Entsetzens, ihrer Wut, so der Grundgedanke des Konzepts, welches nach einer Idee von Thomas Bischoff vom Chef-Dramaturgen Jan Dvorak nun in Szene gesetzt wurde.

Im schwarz-klaffenden Bühnenraum, im Strahl greller Scheinwerfer sehen wir Wrackteile eines Flugzeugs, ein ruinöses Reiterdenkmal, Figuren irren durch die apokalyptische Szenerie welche man auch als zerstörtes Refugium der Protagonistin deuten könnte,  gestaltet vom Mannheimer Bühnenbildner Martin Kukulies. Freie, wirre Gedanken eines Regiekonzepts? Alles bleibt offen und die Beurteilung dem Zuschauer überlassen, denn schließlich überzeugt das wichtigste Detail im kontroversen Geschehen, nochmals ausdrücklich betont nämlich die „Musik“.

Der Vorhang hebt sich, im Halbdunkel des endzeitlichen Szenarios nimmt man schattenhafte Figuren wahr, „Gast“-Schauspieler Catherine Jenke, Franziska Rieck, Frank Richartz, stellen Opfer und Täter, gedankliche Gestalten der Königin, Ausgeburten ihrer seelischen Nöte dar.

Zu Beginn „Les nuits d´été“ von Hector Berlioz, im eigentlichen Sinne ein irreführender Titel. Der Lieder-Zyklus beschwört keine lauen Sommernächte, er schildert düstere Nächte voller Schwermut und Melancholie, Nächte der verlorenen Liebe, des Todes, am Grab der verstorbenen Geliebten.

Gleich eines kontrolliert brennenden Feuers erhebt sich das farbenreiche Mittelregister sowie das attraktive Espressivo des tragfähigen Soprans von Angela Denoke. Licht von drängenden Gefühlen  des erwachenden Frühlings erfüllt erklang Villanelle. Beeindruckend wurden die Emotionen in Le spectre de la rose sowie Sur les lagunes  in wehmutsvoller Erinnerung beschworen. In unbesänftigtem Verlangen in purer Resignation kennzeichnete die Sängerin das atmosphärische Absence. Klagend, traurig wie die weiße Taube auf den Ästen der Eibe und gleichwohl schmachtend auf den Flügeln des Gesangs, schenkt Denoke Au cimetiére – claire de lune die deklamatorisch-freudige Euphorie. Gleich einem Lamento ziehen die Stimmungen im finalen L´ile inconue vorüber, in hoffnungsvollem Optimismus vokal prächtig durchleuchtet.

Nun wirkte das leicht herbe Timbre Angela Denokes dennoch in jeder Lage opportun, die großartige Sänger-Darstellerin verstand es ausgezeichnet mit imponierend gentilen Couleurs der wohlklingenden Mittellage ihres Soprans,  den jeweiligen Phasen des Liedguts in bester Manier gerecht zu werden. Ein gleisender Dauerton im oberen Sopranbereich unterstrich eher den dramatischen Aspekt und schmälerte bar der universellen Interpretationen in keiner Weise den vokalen Gesamteindruck. Dezent begleitend in bester Instrumental-Formation  das akkurat aufspielende Orchester des NTM zur umsichtigen Leitung des Dirigenten Benjamin Reimers.

Zurücklehnen und genießen? Weit gefehlt! Störende Bühnengeräusche wie Gestöhne, Ertränken im Wassereimer, Schmerzschreie, Getrampel etc. und deftigen Texten in Wiederholung u.a. Mit Vierzehn schon Filzläuse störten oder unterbrachen gar den musikalischen Ablauf der wunderbaren Lieder oder die Rezitationen, á propos die deutlichst- rezitierten Deklamationen vernahm man auf verwunderliche Weise von der Sängerin selbst. Einige Zuschauer verließen bereits während des Spektakels den ohnedies nur zu Zweidrittel besetzten Saal.

Ohne Übergang erklangen die „Wesendonck-Lieder“ von Richard Wagner. Zum Engel sogleich das nächste optische Ärgernis: eine Schauspielerin mimte dazu wie sinnig, die eigene Strangulation. Bedauerlicherweise trifft es immer die Falschen!

Wagners herrlich strömender Melos, die Differenzierungen der Preziosen lagen Angela Denoke vortrefflich in der Kehle. Dunkel leuchtete das Timbre, blieb selbst im Höhenbereich stets angenehm fokussiert, auch in dramatischen Aufschwüngen verlor ihr Sopran nicht an sinnlicher Wärme. Liebevoll, sphärisch begleitete wiederum das konzentriert musizierende NT Orchester.

Bravos und herzliche Zustimmung für Angela Denoke sowie Orchester, Dirigent und Darsteller, Pro und Contra bunt gemischt für das Regie-Team.

 Ratlosigkeit und völliges Unverständnis auch beim Freundes- und Bekanntenkreis im Foyer. Alle waren sich einig: nochmals? Nein, danke!

Gerhard Hoffmann

 

 

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