Mainz: Familienkonzert „LAUSBUB HAYDN“ – Villa Musica 18.3.2018
Aufgabe der rheinland-pfälzische Landesstiftung Villa Musica ist die Förderung herausragender junger Musikerinnen und Musiker. Für das Publikum springen dabei vor allem hörenswerte Kammermusik-Programme an verschiedenen Spielstätten quer über das Bundesland heraus. Seit einer Weile gibt es in der Reihe „Spielplatz Villa Musica“ auch Familienkonzerte für Kinder ab 4 oder 5 Jahren. Im Stammhaus auf der Mainzer Bastei war nun „Lausbub Haydn“ zu erleben – ein Kinderstück mit dem Schauspieler Boris Weber von der Freien Bühne Neuwied, der aktuellen Stipendiatin Elisabeth Gebhardt an der Violine und der einstigen Stipendiatin Cornelia Weiß am Flügel. Den Text dazu hat Karl Böhmer verfasst, Geschäftsführer der Villa Musica, aber auch renommierter Experte für Alte Musik.
Das Programm am Sonntagnachmittag ist gut besucht – vorne sitzen die Kinder auf Sitzkissen, hinten auf den Stuhlreihen die Erwachsenen. Geige und Klavier beginnen mit dem „Andante“ aus der „Sinfonie mit dem Paukenschlag“, doch anstatt dass der berühmte akustische Knalleffekt eintritt, tut sich die Seitentür auf und Joseph Haydn alias Boris Weber tritt in höfischer Dienstkleidung mit weißer Perücke ein. Er stellt sich den Kindern als „Kompositeur“ (nicht etwa „Komponist“) vor. Er scherzt mit ihnen, erzählt im wienerisch-niederösterreichischen Dialekt aus seinem Leben und flicht dabei die eine oder andere Legende ein – etwa die, dass sein Vater ihm als Kind die (noch gar nicht komponierte) Hymne auf den (noch gar nicht geborenen) Kaiser Franz vorgesungen und er dazu mit dem Stock „gegeigt“ habe.
Die muntere Kinderschar ist im Durchschnitt ein wenig älter als erwartet und verlangt dem Darsteller einiges an Schlagfertigkeit und Spontaneität ab; da kräht dann schon mal ein Kirps dazwischen: „Du sprichst nicht richtig deutsch!.“ „Papa Haydn“ pariert derlei Anwürfe souverän und wird zur Not auch deutlich, wenn alle durcheinander reden. „Ihr zeigt‘s auf!“ und „Goschn hoidn, heißt‘s bei uns in Österreich!“ Nachdem er aber beharrlich und humorvoll mit den Kindern im Gespräch bleibt, erlebt man die eine oder andere Offenbarung aus dem Familienleben: „Mein Papa liegt auf der Couch und lässt meine Mutter die Hausarbeit machen!“ Eigentlich geht es an dieser Stelle darum, wie man eingeschlafene Konzertbesucher weckt – mit einem Paukenschlag nämlich. Für dieses Publikum ist der väterliche, freundlich-resolute Haydn genau der richtige; man wagt sich kaum auszumalen, Böhmer hätte als Zeitreisenden den schwerhörigen und cholerischen Ludwig van Beethoven geschickt, oder den sensiblen, aus dem Lehrerberuf geflüchteten Franz Schubert….
A propos Schule: Wir, Erwachsene wie Kinder, erfahren, dass man dem Anfang von Haydns Sinfonie „Der Schulmeister“ folgenden Text unterlegen und diesen mitsingen kann: „Kinder, seid‘s ruhig, ich mein‘s doch nur gut.“ Zur Sinfonie „Der Bär“ gibt es eine Kindheits-Anekdote zu hören, und auch „Das Huhn“ wird in diesem Zusammengang kurz zitiert und angespielt. Haydn berichtet dann von seinem Stimmbruch als Sänger im Stephansdom. Die Kaiserin Maria Theresia habe gesagt: Der Joseph Haydn, der singt nicht, der kräht nur noch.“ Daraufhin sei er entlassen worden sei, und sein kleiner Bruder Michael habe das Solo übernommen. „Das ist dann eben so“, tönt gleich ein altkluger Kommentar von einem der Sitzkissen.
Die Komponisten-Rolle nehmen die Kinder dem Darsteller offensichtlich ab. Ob sie aber auch einen Sinn für die Musik als solche entwickeln – über das Illustrative und Anekdotische hinaus? „Haydn“ gibt sich auch hier Mühe. Erst kommt eine lausbübische Anekdote vom Besuch der Sängerknaben in Schloss Schönbrunn und dann der Beginn der Sinfonie „Maria Theresia“– verstanden als musikalisches Porträt der Monarchin: „Erst ganz heiter, dann sehr majestätisch, dann sehr streng“. Es geht also ums Zuhören. Das junge Publikum folgt ohne größere Anzeichen von Unruhe; man könnte da vielleicht noch weiter gehen. Aber da wird Haydn weggerufen: Er muss sich um seine schwierige Ehefrau kümmern, mit der es offensichtlich mal wieder ein Problem gibt. Zum Abschied fällt ihm noch ein weiterer Vogel ein, den er komponiert hat. Wo Karl Böhmer den „Kuckuck“ wohl her hat, den Geigerin und Pianistien nun präsentieren? Zum Kuckuck, das wissen wir nicht, und leider gibt‘s kein gedrucktes Programm.
Andreas Hauff