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MAINZ: LA GERUSALEMME LIBERATA von Carlo Pallavicino

19.06.2013 | KRITIKEN, Oper

Opernausgrabung in Mainz: „La Gerusalemme liberata“ von Carlo Pallavicino (Vorstellung: 18. 6. 2013)


Solche Probenfotos wurden während der konzertanten Aufführung zur Illustration der Handlung auf die Leinwand projiziert (Foto: Martina Pipprich)

 Wieder einmal wartete das Staatstheater Mainz mit einer Opernrarität aus der Barockzeit auf: „La Gerusalemme liberata“ von Carlo Pallavicino, die als Koproduktion mit der Mainzer Hochschule für Musik gezeigt wurde. Leider konnten die letzten drei Vorstellungen dieser Produktion im Kleinen Haus wegen eines technischen Defekts der Obermaschinerie nur noch konzertant aufgeführt werden.

 Der italienische Komponist Carlo Pallavicino (geb. um 1630 in Salò, gest. 1688 in Dresden) war 1665 Organist in Padua. Zu dieser Zeit wurde auch seine Oper „Demetrio und Aurelio“ in Dresden aufgeführt. Offenbar erfolgreich, denn er wurde zwei Jahre später Vizekapellmeister und 1672 Kapellmeister am Dresdner Hof. Danach wirkte er von 1674 bis 1685 erneut in Padua und Venedig und kehrte anschließend als Leiter der Oper nach Dresden zurück. Er schuf mehr als 20 Opern, die ihn um 1675 zum führenden Opernkomponisten in Venedig machten. Seine Spezialität waren ausgedehnte Da-capo-Arien und in seine Opern integrierte komische Szenen.

 Die Oper „La Gerusalemme liberata“ („Das befreite Jerusalem“), deren Text von Giulio Cesare Corradi nach dem gleichnamigen Versepos von Torquato Tasso verfasst wurde, hatte 1687 in Venedig ihre Uraufführung, wurde aber noch im selben Jahr auf Deutsch in Dresden gespielt. In Hamburg wurde 1695 erstmals eine italienische Arie in der ansonsten deutsch gesungenen Oper dargebracht.

 Die Handlung der Oper, in der Figuren wie Rinaldo, Armida, Tancredi und Clorinda vorkommen, die man aus Werken von Monteverdi, Händel und Rossini kennt, ist mehr als abwechslungsreich. Eine Kurzfassung des Inhalts: Es werden die Ereignisse des 1. Kreuzzugs geschildert. Im Jahr 1099 will Gottfried von Bouillon mit seinen Kreuzrittern auf Geheiß des Papstes das unter sarazenischer Herrschaft gefallene Jerusalem zurückerobern. Dabei kommt es zu folgenschweren Begegnungen zwischen der muslimischen Amazone Clorinda und dem Kreuzritter Tancredi sowie zwischen der auf der Seite der Sarazenen stehenden Zauberin Armida und dem Kreuzritter Rinaldo, sodass am Ende der Zauberer Ubaldo mit Weißer Magie den Christen zum Sieg verhelfen muss.

 Dass die Aufführung am 18. Juni nur konzertant erfolgen konnte, war schade, denn aus den Probefotos, die während der Vorstellung als Illustration der Handlung auf einer Leinwand hinter den Sängern gezeigt wurden, war zu sehen, wie einfallsreich die Inszenierung von Sandra Leupold und wie bunt die Kostüme ausgefallen sind. Dass dem Publikum nicht nur der ausdrucksstarke Gesang eines Konzerts geboten wurde, war den Sängerinnen und Sängern zu danken, die eine halbszenische Aufführung versuchten, indem sie einzelne Szenen mehr oder weniger auf der Bühne des Kleines Hauses im Staatstheater Mainz nachspielten und auch des Öfteren genau die Posen auf den Fotos einnahmen. Hätten sie auch Kostüme getragen, wäre es noch authentischer gewesen. Schade war auch, dass die deutschen Übertitel nur schlecht lesbar waren.

 Aus dem Sängerensemble ragten einige besonders heraus. Faszinierend die deutsche Sopranistin Aline Wilhelmy, die als Magierin Armida stimmlich wie schauspielerisch beeindruckte. Sie spielte jede Szene auf „zauberhafte“ Weise und nützte dazu die ganze Bühne. Kein Wunder, dass sich der Kreuzritter Rinaldo – vom kanadischen Countertenor Michael Taylor als Gast sehr gefühlvoll gesungen – in sie verliebte. Mit großem Einsatz agierte auch der Bassbariton Florian Küppers als Führer des Kreuzfahrerheers Goffredo.

 Der russische Tenor Alexey Egorov sang Argante, den Herrscher über Jerusalem und Verlobten von Clorinda, gleichfalls mit starkem Ausdruck. Die in Tancredi verliebte Clorinda wurde von der koreanischen Sopranistin Saem You gesungen, die in Mimik und Spiel überraschte und ihren Tod auf der Bühne für eine konzertante Vorstellung äußerst eindrucksvoll darstellte. Die Rolle des Kreuzritters Tancredi sang die serbische Koloratursopranistin Radoslava Vorgic mit großer stimmlicher Bandbreite. Der rumänische Countertenor Alin Deleanu lieh Ubaldo, dem Zauberer in den Reihen der Christen, seine Stimme, während der junge Tenor Frederik Bak als Armidas Diener Rambaldo zu hören war.

 Das Orchester bestand aus Mitgliedern des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz und wurde von Christian Rohrbach sehr gefühlvoll geleitet. Er lotete – ohne Dirigentenstab – auch die leisesten Stellen der Partitur wunderbar aus und war dadurch in der Schlussszene der Armida-Darstellerin bei ihrem langsam verklingenden Gesang ein einfühlsamer Begleiter.

 Udo Pacolt, Wien

 PS: Wie aus Gesprächen entnommen werden konnte, war die Obermaschinerie schon längere Zeit reparaturreif, doch wurde das Staatstheater Mainz zu Sparmaßnahmen gezwungen. Jetzt allerdings wären die Regierungsstellen am Zug. Es ist sehr bedenklich, wenn man an Kulturinstitutionen so rigoros spart. Als kleine Entschädigung wurden in der Pause an das Publikum Gutscheine mit Gültigkeit bis Ende des Jahres ausgegeben.

 

 

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