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MAINZ: FATINITZA von Franz von Suppé

24.11.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Wieder Operettenrarität in Mainz: „Fatinitza“ von Franz von Suppé (Vorstellung: 23. 11. 2012)


Das hässliche Bühnenbild passte zur peinlichen Inszenierung, die nur Klamauk bot (Foto: Martina Pipprich)

 Mit großer Erwartung blickten viele Operettenfreunde nach Mainz, war doch die Wiederentdeckung von Franz Lehárs „Eva“ in der vorigen Saison ein großer Erfolg. Von Franz von Suppé (1819 – 1895) wurde in letzter Zeit in verschiedenen Häusern vor allem sein Welterfolg Boccaccio gespielt, aber auch Die schöne Galathee und Die Banditenstreiche kamen zur Aufführung. Auf seine erste abendfüllende Operette Fatinitza, die 1876 in Wien uraufgeführt wurde und 1950 in einer Bearbeitung in München zu sehen war, musste man jedoch lange warten.

 Die Handlung der Komödie, deren Libretto von Friedrich Zell und Richard Genée stammt und die im Jahr 1877 in der Türkei und in Bulgarien spielt, in Kurzfassung: Bulgaren belagern die türkische Festung Ipsala, doch inmitten dieser Kriegshandlung wird der Krieg ad absurdum geführt. Fatinitza, eine Figur, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt, geistert als erotisches Phantom zwischen den Fronten, als das sich der russische Leutnant Wladimir eines Tages ausgegeben hat. Als sich der Leutnant wieder einmal als Türkenmädchen Fatinitza verkleidet, spielen die Soldaten gerade mit Schneebällen Krieg, worüber der plötzlich zur Lagerinspektion auftretende General Kantschukoff entsetzt ist. Nichtsdestotrotz verliebt er sich in Fatinitza. Wladimir bleibt nicht anderes übrig, als seine Rolle weiter zu spielen, was dazu führt, dass Izzet Pascha, der Gouverneur der Festung Ipsala ihn in seinen Harem verschleppen lässt. Für weitere erotische Verwicklungen ist also vorgesorgt: Wladimir liebt die Fürstin Lydia, die Nichte des Generals, die wiederum der Pascha zu seiner Favoritin küren will. Der General hatte allerdings seine Nichte einem alten Kriegskameraden als Frau versprochen, wird aber schließlich überlistet. Wladimir gibt sich als Bruder des Türkenmädchens aus und wird vom General herzlich empfangen. Er verspricht Wladimir Lydia als Frau, wenn ihm Fatinitza die Hand reiche. Als nun Wladimir noch einmal als Fatinitza erscheint und sich dem verblüfften General zu erkennen gibt, löst sich alles im Wohlgefallen auf.

 In der Mainzer Produktion wird der Schluss abgeändert: Als Fatinitza erscheint zum Entsetzen von General Kantschukoff Izzet Pascha, der sich unter einem Riesenschleier verbarg. Und aus einem Brief ist zu entnehmen, dass Fatinitza aus Liebe zu Kantschikoff gestorben ist. Nun ja, wenigstens finden Wladimir und Lydia zueinander und dürfen heiraten.

 Schade, dass die amerikanische Regisseurin Lydia Steier offensichtlich keinen Bezug zur Wiener Operette hat und diese „Geschlechterkomödie“ als puren Klamauk inszenierte, wobei man ihre Konsequenz bewundern muss, denn sie schaffte es, jede Szene mit billigstem Klamauk zu versehen. Außerdem verlegte sie die Handlung in die heutige Zeit, die Bulgaren werden zu Russen und die Figur des Kriegsberichterstatters einer deutschen Zeitung (Julian von Golz) wird in einen Fernsehreporter umgewandelt, der ein mehrteiliges Fernsehspiel mit Wladimir in der weiblichen Hauptrolle dreht. Reality Show auf amerikanisch! Dazu ein Zitat von ihr aus dem im Programmheft abgedruckten Interview: „Die Präsenz von Julian von Golz ist ein Ausgangspunkt für mich, dieses Stück zu erzählen.“ Womit der Journalist in „Fatinitza“ fast zur Hauptrolle wird – neben einem Huhn namens Olga!

 Trostlos das Bühnenbild von Katharina Schlipf im ersten Akt – alles verwahrlost und schmutzig! Etwas ansehnlicher, aber keineswegs geschmackvoller die Ausstattung der beiden weiteren Akte, wobei der Harem einer Bar gleicht. Zum Teil hässlich die von Ursula Kudrna entworfenen Kostüme, die vermutlich komisch sein sollten, was man ehesten von den pinkfarbenen Kleidern der Haremsdamen sagen kann.

 Das Sängerensemble des Theaters hatte sichtlich Spaß an der „Ausgestaltung“ seiner Rollen und spielte äußerst ambitioniert jede noch so schwachsinnige oder geschmacklose Pointe aus, wobei die stimmlichen Leistungen ordentlich waren. Hervorragend die kanadische Mezzosopranistin Patricia Roach in der Titelrolle. Sie spielte als Frau einen Mann, der eine Frau spielt – und das auf köstliche Art. Ihr ebenbürtig als Lydia Uschakoff die attraktive litauische Sopranistin Vida Mikneviciute, die alle Spitzentöne ihrer Partie mit Verzückung zum Besten gab. Dass sie perfekt russisch spricht, stellte sie in einigen Szenen unter Beweis.

 Alexander Spemann kauderwelschte als Izzet Pascha auf „Meenzerisch“, setzte aber wenigstens seine opernhafte Tenorstimme eloquent ein, während der Bass Hans-Otto Weiß als Kantschukoff bloß die Karikatur eines Generals gab. Der Tenor Thorsten Büttner wieselte als eitler Fernsehreporter über die Bühne – für ihn wurde sogar ein Lied getextet, in dem er erzählt, welche Skandale er zuletzt aufgedeckt hat. Dass dabei auch die Namen Wulff und Kachelmann fielen, ergötzte einige Theaterbesucher.

 In weiteren Rollen waren noch die Tenöre Jürgen Rust, der als trotteliger Sergeant Steipann ständig mit seinem Huhn Olga über die Bühne watschelte, Reiner Weimerich als Osipp und Patrick Hörner als Iwan sowie der Bariton Ion Dimieru als Hassan zu hören. Der Chor des Staatstheaters Mainz, einstudiert von Sebastian Hernandez-Laverny, erfüllte die ihm zugemuteten Klamaukszenen ebenfalls perfekt.

 Neben dem Sängerensemble muss man dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz unter der Leitung von Florian Csizmadia für die musikalische Qualität des Abends danken. Die farbige Harmonik der Partitur des Komponisten kam jedenfalls schmissig aus dem Orchestergraben und erfreute das Publikum genauso wie die originellen Melodien von Suppé, wie beispielweise „Silberglöckchen klingt so helle“, „Reich mir die Hand“, „Mein Herz, es zagt“ oder „Ich bin verrückt nach dir“.

 Dem Mainzer Publikum, das möglicherweise durch die jährlichen Karnevalsveranstaltungen an Klamauk mehr gewöhnt ist, schien die Vorstellung recht gut gefallen zu haben. Nachdem es auch mit Szenenbeifall nicht gegeizt hatte, applaudierte es am Schluss minutenlang!

 Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

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