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MAINZ: EVA – Operette von Franz Lehár

19.04.2012 | KRITIKEN, Oper

Köstliche Operettenrarität in Mainz: „Eva“ von Franz Lehár (Vorstellung: 18. 4. 2012)


Die litauische Sopranistin Vida Mikneviciute in der Titelrolle (Foto: Martina Pippich)

 Mit einer äußerst erfolgreichen Operettenproduktion wartet zurzeit das Staatstheater Mainz auf: „Eva“ von Franz Lehár, die im Jahr 1911 mit großem Erfolg am Theater an der Wien uraufgeführt wurde, aber nach dem Zweiten Weltkrieg trotz der hohen musikalischen Qualität unerklärlicherweise fast vollständig von den Spielplänen verschwunden ist.

 Die Operette geht auf das in Berlin 1890 uraufgeführte Drama Die Haubenlerche von Ernst von Wildenbach zurück, das in einer Papierfabrik in der Nähe von Berlin spielt und das Schicksal einer jungen Arbeiterin schildert. Die beiden Librettisten von Lehárs dreiaktiger Operette Alfred Maria Willner und Robert Bodanzky verlegten die Handlung nach Brüssel in eine Glasfabrik, wo die junge Eva arbeitet. Als Adoptivkind des Arbeiterführers Larousse ist sie das geliebte Zentrum der Belegschaft. Sie selbst betrachtet aber Paris als ihre Heimat und träumt von einem mondänen Leben. Ihr Traum scheint sich zu erfüllen, als Octave Flaubert, ein Lebemann der Pariser Halbwelt, die Leitung der Fabrik übernimmt. Während eines Festes in seiner Villa flirtet Octave mit Eva, was zu einem Konflikt mit ihrem Adoptivvater führt, der sie gemeinsam mit den Arbeitern der Fabrik aus Octaves Haus holen will. Um die „Revolte“ zu beenden, gibt Octave Eva als seine Braut aus, obwohl er keine echte Beziehung mit ihr eingehen will. Enttäuscht über seine „Notlüge“ verlässt sie Brüssel und findet in Paris bei der Verkäuferin Pipsi Unterschlupf, die sich ihren Lebensunterhalt durch Beziehungen zu wohlhabenden Männern aufbessert. Plötzlich steht Octave vor der Tür, dem seine Gefühle für Eva bewusst geworden sind, und will mit ihr einen Neuanfang wagen. Kommt es zu einem Happyend?

Cordula Däuper setzte sich in ihrer sehr humorvoll gehaltenen Inszenierung mit den „operettenhaften“ Träumen Evas auch ein wenig kritisch auseinander, wobei sie die gescheiterten Träume ihrer Mutter ins Spiel brachte. Passend dazu das Bühnenbild von Jochen Schmitt, das einerseits die eintönige Arbeit in der Verpackungsabteilung der Glasfabrik zeigte und andererseits die Pariser „Glitzerwelt“ durch große Spiegelwände als Scheinwelt demaskierte. Justina Klimczyk berücksichtigte bei ihren Kostümentwürfen die Gegensätze der Arbeitswelt und des Pariser Gesellschaftslebens, wobei sie auch der „Traumwelt“ Evas mit weißem Hochzeitskleid und bunten Gewändern Rechnung trug.

Für die hohe musikalische Qualität der Aufführung sorgte neben dem Philharmonischen Staatsorchester unter der Leitung von Mino Marani, das die ins Ohr gehende, an herrlichen Melodien so üppige Partitur des Komponisten exzellent wiedergab, auch das Sängerensemble mit seinen operngeschulten Stimmen. Als vom Glück träumende Eva beeindruckte die hübsche litauische Sopranistin Vida Mikneviciute durch ihre subtile Gestaltung der Titelrolle und ihre kraftvolle Stimme, die leider in der Höhe etwas schrill klang. Einfühlsam ihr Gebet im 3. Akt „Herrgott, lass mir doch meinen Leichtsinn nur“. Man gönnte ihr, dass es schließlich keine „Träume aus Glas“ waren und es zu einem klassischen Happyend kam. Ihre Freundin „Pipsi“ wurde von der attraktiven russischen Sopranistin Tatjana Charalgina in bester Operettenmanier dargestellt. Mit tänzerischer Grandezza und großer erotischer Ausstrahlung spielte und sang sie die Rolle einer vermeintlich vornehmen Dame, die sich gerne dem Rausch der Pariser Nächte hingibt. Köstlich ihr Duett mit Octave „Die Geister von Montmartre, die geben keine Ruh‘“ und das mit Dagobert und Prunelles gesungene Terzett „Rechts das Männchen meiner Wahl, links das Männchen meiner Qual“!

Den Fabriksbesitzer und Pariser Lebemann Octave Flaubert gab der Tenor Alexander Spemann mit prächtiger opernhafter Stimme (er war in Mainz auch als Tristan zu hören) und enormer Bühnenpräsenz. Seine mit Schmelz gesungene Arie „Mädel, süßes Aschenbrödel, du“ zählte zu den Höhepunkten des Abends. Ebenso beeindruckend der lyrische Tenor Thorsten Büttner als Dagobert Millefleurs, der sowohl stimmlich wie auch durch sein schalkhaftes Spiel zu gefallen wusste. Der Tenor Jürgen Rust als Bernard Larousse spielte einen um Evas Glück sehr besorgten Adoptivvater und eher zurückhaltenden Arbeiterführer. Als Buchhalter-Faktotum Prunelles konnte der Schauspieler Joachim Mäder sein komödiantisches Talent austoben, wobei er allerdings in einigen Szenen knapp an billigem Klamauk vorbeischrammte. Stimmkräftig und sehr komödiantisch der Chor des Staatstheaters Mainz (Einstudierung: Sebastian Hernandez-Laverny).

Erfreulich war, dass großteils sehr wortdeutlich gesungen wurde, denn die Übertitel waren nicht hell genug und daher leider nur schlecht lesbar. Das Publikum, das mit Szenenapplaus eher geizte, zollte am Schluss der Vorstellung allen Mitwirkenden minutenlangen Beifall.

Für die „Wiederbelebung“ dieser musikalisch glänzenden Operette Franz Lehárs muss man der Intendanz des Staatstheaters Mainz gratulieren.

Udo Pacolt, Wien – München

PS: Die Operette „Eva“ von Franz Lehár wird in Mainz noch am 27. April, 26. Mai und am 12. Juni 2012 gespielt.

 

 

 

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