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LYON: ROMEO UND JULIA von Boris Blacher. Opernrarität

25.02.2015 | Allgemein, Oper

Opernrarität in Lyon: „Romeo und Julia“ von Boris Blacher (Premiere: 24. 2. 2015)

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Laure Barras. Foto: Bruno Amsellem

 Unter dem französischen Titel „Roméo et Juliette“ brachte die Opéra de Lyon in ihrer Dependance Théâtre de la Croix-Rousse die in Deutschland kaum gespielte Oper „Romeo und Julia“ von Boris Blacher zur Aufführung, die zwar 1943 in Berlin entstand, aber ihre Uraufführung erst im Jahr 1950 bei den Salzburger Festspielen hatte.

 Der deutsche Komponist Boris Blacher, 1903 als Sohn baltischer Eltern in China geboren und 1975 in Berlin gestorben, kam 1922 nach Berlin und studierte zunächst Architektur und Mathematik, ehe er sich 1924 an der Musikhochschule der Komposition zuwandte.  1938 erhielt er eine Professur in Dresden, die er aber schon ein Jahr später unter dem Druck der nationalsozialistischen Kulturpolitik aufgeben musste. Nach dem Krieg unterrichtete er in Berlin und war von 1953 bis 1970 Direktor der Musikhochschule. Zu seinen Schülern zählte auch Gottfried von Einem. Er schrieb 14 Opern und 9 Ballette, die aber kaum aufgeführt werden.

 Zu Blachers Musik schreibt Reclams Opernführer: „Blachers klare Strukturen, die pointierten Rhythmen und die durchsichtige Brillanz geben seinen Werken, auch unter Einbeziehung der Zwölftongesetze und elektronischer Musik, einen feinsinnig, spielerisch-ironischen Gestus.“

 Von den mehr als zwanzig Romeo-und-Julia-Opern, die Shakespeares Dramatisierung der Geschichte vom jungen Veroneser Liebespaar, das aus miteinander verfeindeten Adelsfamilien stammt und durch die Unnachgiebigkeit der Eltern in den Tod getrieben wird, finden sich nur wenige auf den Spielplänen der Opernhäuser:  Roméo et Juliette von Gounod, Giulietta e Romeo von Zandonai, I Capuleti e i Montecchi von Bellini und vor allem die West Side Story von Bernstein, alle anderen werden nicht oder nur ganz selten aufgeführt.

 Jean Lacornerie inszenierte die Kammeroper Romeo und Julia mit einem Sängerensemble des Studios der Opéra de Lyon, wobei sie teils in deutscher, teils in englischer Sprache mit französischen Übertiteln aufgeführt wurde. Die Bühne kam fast ohne Requisiten aus, ein kreisrundes Loch bildete Julias Balkonfenster und ein Klavier wurde für ein paar Szenen benötigt, in der die deutsche Sopranistin April Hailer auf kabarettistische Weise, in der sie wie ein Double von Marlene Dietrich wirkte, die Einführung zum Stück und später Überleitungen in deutscher Sprache zu singen hatte. Alle weiteren Szenen wurden in englischer Sprache gesungen.

 Die Bühnengestaltung oblag Lisa Navarro, die zeitgemäßen Kostüme, die teils anmutig, teils billig wirkten, entwarf Robin Chemin. Die Lichtregie hatte David Debrinay inne, für die Choreographie der Tänze zeichnete Raphaël Cottin als verantwortlich.

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Tyler Clarke als Romeo vor der zerstörten Stadt. Foto: Bruno Amsellem

 Der Tenor Tyler Clarke gab einen forschen, resoluten Romeo, während die Sopranistin Laure Barras als Julia eine zerbrechlich wirkende junge Frau mimte, was sie auch stimmlich darzustellen wusste. Die Chorsänger, die in verschiedenen Rollen auftraten – als Eltern, als Veroneser, als Ärzte etc. –, agierten in jeder Szene überzeugend: die Sopranistin Sophie-Nouchka Wemel, die Mezzosopranistin Alix Le Saux (auch als Lady Capulet), der Tenor Robert Macfarlane (auch als Tybalt)und der Bassbariton Thibault de Damas (auch als Capulet und Benvolio).

 Das Orchester des Studios der Opéra de Lyon, von Philippe Forget umsichtig geleitet, spielte hinter der Bühnenwand (die Sänger konnten den Dirigenten über einen Bildschirm sehen) und schien mit der facettenreichen und fröhlich-witzig wirkenden Partitur des Komponisten keine Probleme zu haben.

 Am Schluss der etwa 75 Minuten dauernden Vorstellung im fast ausverkauften Theater höflicher Applaus des Premierenpublikums für alle Akteure und das Regieteam mit einigen Bravorufen für den Romeo-Darsteller Tyler Clarke.

 Udo Pacolt

 

PS: Die weiteren Vorstellungen von Blachers „Romeo und Julia“ finden in Lyon im Théâter de la Croix-Rousse am 26., 27. und 28. Februar sowie am 1., 3. und 4. März statt.

 

 

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