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LUDWIGSBURG/Schlossfestspiele; ORFEO, DER SCHAMANE von Christina Pluhar mit dem Ensemble L’Arpeggiata

30.06.2016 | Oper

Ludwigsburg: „L’Arpeggiata – Orfeo, der Schamane“

EIN RICHTIGES LIEBESPAAR STIRBT GEMEINSAM

Konzertante Oper von Christina Pluhar mit dem Ensemble L’Arpeggiata am 29. Juni 2016 bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen im Forum am Schlosspark/ LUDWIGSBURG

Christina Pluhar hat auf ein Libretto des kolumbianischen Dichters Hugo Chaparro eine reizvolle konzertante Oper in fünf Akten geschaffen. Verarbeitet werden dabei in 85 Minuten recht kunstvoll Werke von Giovanni Battista Pederzuoli, Giovanni Andrea Bontempi, Jorge Araujo Chiriboga sowie traditionelle Musik aus Italien, Spanien und vor allem Südamerika. Orpheus‘ Abenteuer werden zur schamanischen Reise in eine andere Welt. Mit dem von Geburt an blinden Nahuel Pennisi hat Pluhar eine perfekte Besetzung von Orpheus gefunden. Mit emotionaler Stimme und raffinierter Gitarrentechnik faszinierte er auch das Publikum im Forum am Schlosspark Ludwigsburg. Orpheus wird hier als Künstler begleitet von seinem Halbbruder Aristaios (Emiliano Gonzalez-Toro mit voluminöser Stimmtechnik), der Auslöser der Tragödie ist. Am Tag der Hochzeit des Sängers mit der Nymphe stellt der Bienenzüchter nämlich der Braut nach. Eurydike, die von Luciana Mancini ungeheuer ausdrucksstark verkörpert wird, flieht in einen nahen Hain, in dem sie vom Biss der Natter in die Unterwelt befördert wird.

Eine Situation, die von Christina Pluhars Musik zwischen Barock und Jazz kongenial getroffen und von den Musikern des fulminanten Ensembles L’Arpeggiata sehr facettenreich umgesetzt wird. Durch den verbotenen Blick verliert Orpheus seine Geliebte endgültig, während sein Bruder sich keiner Schuld bewusst ist. Dies kommt auch bei der konzertanten Aufführung überzeugend zum Vorschein. Zur Strafe lassen Eurydikes Schwestern alle seine Bienen zu Stein erstarren. Orpheus Haupt treibt nun für alle Zeit auf den Gewässern des Todes, was Nahuel Pennisi als Orpheus in ergreifender Weise zum Ausdruck bringt. Der 26-jährige blinde Sänger ist hier in der Lage, einen bewegenden Bühnenzauber zu entfachen.  Dies zeigt sich im ersten Akt bei den harmonisch vielschichtigen Nummern „O eterno“, „Quien puede ver“ und im zweiten Akt bei „Como podria acercarme“. Neben Christina Pluhars „La Selva“ als stimmungsvoller Prolog überzeugt ferner die erfrischende „Romance de la Luna Tucumana“ von Orpheus und Eurydike von Atahualpa Yupanqui und Pedro Aznar. Der traditionelle „Pajarillo“ (Karneval) aus Venezuela besticht ebenso wie der mitreissende Karneval-Rhythmus „Zumba che zumba“ und das intensive Klagelied „Cubramonos con cenizas“ von Nahual (grandios: Benedetta Mazzucato auch als betörende Sirena), Aristaios und Orpheus. Benedetta Mazzucato interpretiert zudem klangfarbenreich Christina Pluhars „Aristeo intento“  – und „Cirene, madre“ im dritten Akt wird von Aristaios und Orpheus mit nie nachlassender Intensität gesungen. Im vierten Akt sticht dann vor allem die schwungvolle mexikanische Weise „Aparicion de Euridice“ in der raffinierten Bearbeitung von Christina Pluhar treffsicher hervor. Und im fünften Akt begeistert der traditionelle „Tanz der Bacchantinnen“ („Bucimis“) aus Bulgarien mit elektrisierender Verve. Man sieht auf der Bühne ganz deutlich, dass Orpheus und Eurydike letztendlich gemeinsam sterben. Mit zahlreichen rhythmischen und chromatischen Aufschwüngen fasziniert diese ganz spezielle und einzigartige Komposition immer wieder. Sie führt traditionelle Weisen und Barockmusik in bemerkenswerter Weise zusammen. Insbesondere die Passacaglia der Eurydike im zweiten Akt besitzt eine höchst eindringliche Variationsform, deren Basso ostinato unter die Haut geht. Die Singstimme der Nahual (Benedetta Mazzucato) wirkt bei „Habra una ninfa“ geradezu sphärenhaft. Zuletzt entschwebt der Gesang des Orpheus in der kongenialen Darstellung von Nahuel Pennisi im Nichts der Ewigkeit („La cabeza de Orfeo“). Diesen Moment vergisst man nicht. Es ist außerdem bemerkenswert, mit welcher Präzision sich das Perkussion-Ensemble von den Barockinstrumenten immer wieder abhebt.

Alexander Walther

 

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