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LUDWIGSBURG/ Schlosspark: KYLWORKS – Mozart in Ritterrüstung

Kylworks im Forum am Schlosspark Ludwigsburg: MOZART IN RITTERRÜSTUNG

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Foto: Jason Akira Somma

Ballettabend „Kylworks“ am 10. Februar 2015 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

Der 1947 in Prag geborene Jiri Kylian arbeitete beim Stuttgarter Ballett mit dem legendären John Cranko zusammen. Für ihn als „Magier des Balletts“ besitzt Tanz keine Altersgrenze. Mit den Senioren des Nederlands Dans Theaters hatte er seine Stücke entwickelt. Aus finanziellen Gründen konnte die Kompanie ihre Arbeit 2006 nicht fortsetzen. Nun machte Kylian ein Tanzwunder wahr und holte mit „Kylworks“ alte Verbündete und einige der für sie entstandenen Stücke auf die Bühne zurück. Die Mysterien der Existenz stehen bei Kylian im Mittelpunkt. Liebe und Tod, Spaß, Boshaftigkeit, Tragödie, Verzweiflung und Komödie lebten auch im Forum am Schlosspark auf. Bei „Anonymous“ für zwei Tänzerinnen (exzellent: Cora Bos-Kroese und Aurelie Cayla) wird die sichtbare und unsichtbare Welt zwischen Goldbrokatgewändern und expressiven Filmsequenzen mit zerfließender Farbe suggestiv beschworen. Da verschwimmen die menschlichen Konturen in geheimnisvoller und erschreckender Weise. Wie wollen wir in Erinnerung bleiben? Diese zentrale Frage stand in Ludwigsburg unmittelbar im Raum. Das Stück möchte die Zuschauer auffordern, die täglichen Sorgen hinter sich zu lassen. Daraus entsteht ein Gefühl der Verbundenheit. Das Stück „14’20“ (Duett aus dem Stück „27’52“) schuf Jiri Kylian zum 25. Geburtstag des Nederlands Dans Theaters 2 im Jahre 2002. Der Titel gibt die Länge des Werkes und der Komposition von Dirk Haubrich an. Das überaus sinnliche Duett von 14 Minuten und 20 Sekunden wurde in Ludwigsburg von Celia Amade und Lukas Timulak als aufregender Pas-de-deux getanzt. Die messbare Zeit ist hier nicht greifbar. Alles dreht sich um Geburt und Tod, was die beiden Tänzer einfühlsam verdeutlichten. Liebe, Geschwindigkeit, Alter und Tod prägten sich beim Publikum tief ein. Der 2006 zusammen mit dem holländischen Filmemacher Boris Paval Conen gedrehte Schwarz-Weiß-Streifen „Car-men“ erhielt Preise. Tänzerische Ausdruckskraft und das markante Mienenspiel von Sabine Kupferberg (die Jiri Kylian stark beeinflusste) stechen bei diesem mit grotesken Slapstick-Szenen angereicherten Film heraus. Sabine Kupferberg ist die autofahrende Strippenzieherin bei „Car-men“ mit der Musik von Georges Bizet aus der gleichnamigen Oper. Als Opfer und Intrigantin mimt sie hier die Rolle der Zigeunerin Carmen, die Escamillo, Don Jose und Micaela lachend die Stirn bietet. Zuletzt fährt sie ihren drei „Kollegen“ einfach davon – ein wahrhaft verblüffendes Ende. Als eifersüchtiger Don Jose ist hier Karel Hruska zu sehen, David Krügel spielt Escamillo.

Bei „Birth-Day“ steht zuletzt Wolfgang Amadeus Mozart im Mittelpunkt – und erscheint sogar in einer Ritterrüstung im glanzvollen Rokokosaal, der die Welt bedeutet. Reichtum, Fantasie, Clownerie und Verrücktheit des Lebens lassen die Tänzer Cora Bos-Kroese, Aurelie Caya, David Krügel, Michael Schumacher und Lukas Timulak in reizvoller Weise Revue passieren. Das Leben als Kostümprobe und Maskerade für etwas Tieferes und Bedeutungsvolleres tritt dabei deutlich ins Bewusstsein. Film-Sequenzen lassen Mozarts Leben in doppelter Weise präsent werden. Viel Zeit und Energie werden zwischen unserem Geburtstag und unserem Todestag verbracht – das ist die bewegende Aussage dieser Produktion. Das imaginäre „Ende der Zeit“ wird in magischer Weise beschworen. Alle Naturkräfte werden darauf vorbereitet, wiedergeboren zu werden. Man hört unter anderem Ausschnitte aus den Ouvertüren zu Mozarts Opern „Die Hochzeit des Figaro“ und „Die Entführung aus dem Serail“. Das türkische Kolorit und das ständige Auf und Ab der Themen werden hier von den Tänzern stilvoll und auch in verfremdenden Filmsequenzen im Hintergrund umgesetzt. Dabei entfaltet sich ein geradezu bacchantischer Wirbel überströmender Lebensfülle. In ständigem Wechsel zwischen Piano und Forte kommunizieren die Tänzer hier in kunstvoller Weise miteinander. Die Geburtsurkunde wird gleichsam als Todesurteil persifliert – ganz im Sinne von Francis Bacon. Im Fortissimo-Jubel des vollen Orchesters sieht man immer wieder die Gestalt Mozarts in allen möglichen Variationen. Und im Unisono der Streicher und zu den Klängen kichernder Fagotte entfaltet sich der Schloss-Zauber des Rokoko in vielfältiger Art und in sprühender Laune.

Riesenbeifall und Jubel gab es zuletzt für dieses Ausnahmeensemble.

 Alexander Walther

 

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