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LUDWIGSBURG/ Schlosspark/ Bach-Akademie als Stream: BACHS H-MOLL-MESSE

25.03.2021 | Konzert/Liederabende

Bach-Akademie als Stream: Geburtstagskonzert mit Bachs h-Moll-Messe im Forum am Schlosspark Ludwigsburg am 25.3.2021/LUDWIGSBURG-LEIPZIG

Geheimnisse des Quintenzirkels

Zum 336. Geburtstag Johann Sebastian Bachs präsentiert die Internationale Bach-Akademie mit dem Bach-Archiv Leipzig dieses besondere Konzert. Die „Hohe Messe in h-Moll“ von Johann Sebastian Bach besitzt ebensoviele katholische wie protestantische Züge, was Hans-Christoph Rademann als Dirigent der Gaechinger Cantorey keineswegs verleugnet. Bach hat den lateinischen Text zwar übernommen und ihn entsprechend vertont – doch das persönliche Glaubensbekenntnis steht hier sehr stark im Vordergrund. Das „Kyrie eleison“ setzt hier als beschwörender Anruf ein, wie unter dem Zwang von Not und Verlassenheit. Das Orchester gibt  die flehende, wie aus Qualen sich ergreifend emporringende Melodie an, die das Thema der gewaltigen Chorfuge ist. Und immer dringlicher verdichtet sich das Flehen. Das alttestamentarische „Ich lasse dich nicht, du  segnest mich denn“ zeigt ekstatische Kraft. In ganz anderen Tönen wendet sich Bach dann an seinen Erlöser.

Die beiden gut aufeinander abgestimmten Soprane Catalina Bertucci und Anja Scherg interpretieren das „Christe eleison“ mit zuversichtlichen Kantilenen. Das folgende „Kyrie“ klingt viel ruhiger und gefasster. Wie eine blendende Lichtflut bricht bei dieser ausgefeilten Wiedergabe das Gloria herein, gleissend schmettern die feurigen Trompeten das jubelnde Chorthema des „Gloria in excelsis deo“ vorweg – und immer neu entzündet sich der überschwängliche Gesang. Da hat Rademann als musikalischer Leiter den melodischen Fluss voll im Griff. Marie Henriette Reinhold (Alt) gewinnt dem „Laudamus te“ zusammen mit der Solovioline eine persönlichere Note ab. Gefasst und voll ruhiger Freude wirkt der Chor bei „Gratias tibi agimus“, wobei er wieder in die Sphäre des Erhabenen übergreift. Die folgenden Teile preisen Christus. Sopran und Tenor (facettenreich: Patrick Grahl) vereinigen sich intensiv zu dem Anruf „Domine Fili unigenite“, bei dem gedämpfte Streicher und Flöte das Lieblich-Erdentrückte der Stimmung unterstreichen. Schmerzlich klagt der Chor dann bei „Qui tollis peccata mundi“. Wie eine friedliche Vision singt Marie Henriette Reinhold die Alt-Arie „Qui sedes ad dextram Patris“. Und ausgesprochen  konzentriert interpretiert Tobias Berndt (Bass) die Arie „Quoniam tu solus sanctus“, subtil begleitet von Jagdhorn und Fagotten. Eine überwältigende Apotheose bietet diese Interpretation beim machtvollen Credo-Teil, wo die gregorianische Weise „Credo in unum deum“ hervorsticht. Wie kunstvoll Bach hier mit fünf Chor- und zwei Violinstimmen eine Fuge aufbaut, zeigt die mystische Erhabenheit von Hans-Christoph Rademanns Wiedergabe einmal mehr. Strahlend interpretiert der Chor  „Patrem omnipotentem“, während Sopran und Alt dem Duett „Et in unum Dominum“ figurative Geschmeidigkeit geben. Die sehr bildhafte Vertonung des „Et incarnatus est“ zeigt wiederum Bachs Gespür für Klangfarbenreichtum. Auf das kaum bewegte Bassfundament senken sich hier die geheimnisvollen Melodielinien der Streicher herab. Den suchenden Momenten (wie Albert Schweitzer ausführte) wird diese Wiedergabe gerecht. Der chromatische Quartfall beherrscht auch hier suggestiv den „Crucifixus“-Chor, der sich mit dem Bassmotiv verankert. Dynamische Steigerungen arbeitet Rademann bei diesen Passagen sehr gut heraus. Beim „Et resurrexit“ triumphiert wiederum elektrisierender Jubel. Und der Bassarie „“Et in spiritum sanctum“ kann Tobias Berndt freudige Gewissheit abgewinnen. Machtvoll und festlich preist zuletzt der „Sanctus“-Chor Gottes Herrlichkeit. Sehr beschwingt gestaltet Hans-Christoph Rademann dann die Fuge „Pleni sunt coeli“, die sich immer höher emporbewegt. Und das „Osanna“ mit dem sehr durchsichtig und effektvoll gestalteten Doppelchor erreicht ungeahnte klangliche Fülle. Die Solovioline begleitet betörend das „Benedictus“. Und die Tenorarie von Patrick Grahl hat etwas Ruhiges und Visionäres. Die Alt-Arie „Agnus dei“ ergreift in der Wiedergabe durch Marie Henriette Reinhold wiederum mit Intensität. Und die Friedensbitte des Chores führt bei „Dona nobis pacem“ zu einem bewegenden Abschluss. Pathos, Schlichtheit und der geheimnisvolle „Gang durch den Quintenzirkel“ verleihen dieser Interpretation eine weihevoll-würdige Aura. Auch die Cantus-firmus-Passagen werden ausgezeichnet herausgearbeitet. Im Stream sind auch filmische Eindrücke aus Leipzig und der Thomaskirche zu sehen. Der Intendant des Bachfestes Leipzig, Michael Maul, unterhält sich außerdem mit Hans-Christoph Rademann über das große Rätsel der h-Moll-Messe. 

Alexander Walther

 

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