Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: SABINE MEYER UND DIE WÜRTTEMBERGISCHE PHILHARMONIE REUTLINGEN. ZAUBER DER SINNLICHKEIT

20.04.2015 | Konzert/Liederabende

Sabine Meyer und die Württembergische Philharmonie Reutlingen im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

ZAUBER DER SINNLICHKEIT

Klarinettistin Sabine Meyer gastierte mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen am 19. April 2015 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

20150419_Sabine Meyer_WPR_1_c_Christian_Ruvolo

Sabine Meyer. Foto: Christian Ruvolo

Sie wird zu Recht als „First Lady der Klarinette“ bezeichnet: Sabine Meyer. Von Herbert von Karajan gefördert, wurde sie auch Soloklarinettistin der Berliner Philharmoniker. Ganz in ihrem Element war sie jedenfalls bei Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert für Klarinette und Orchester in A-Dur kV 622, das dieser etwa acht Wochen vor seinem Tode schrieb. Dass das Werk ganz aus dem Klangcharakter der Klarinette empfunden ist, machte Sabine Meyer zusammen mit der einfühlsam musizierenden Württembergischen Philharmonie Reutlingen unter der inspirierenden Leitung des schwedischen Dirigenten Ola Rudner hervorragend deutlich. Die virtuosen und schlicht melodischen Episoden bildeten hier reizvolle Kontraste, die sich ständig intensivierten. Sabine Meyer lebte bei der Wiedergabe ganz mit ihrem Instrument. So kam es zum beglückenden Ausgleich zwischen Solo und Orchester. Das Allegro strahlte dabei große Wärme aus, edle Sinnlichkeit erfüllte das Kopfthema. Das zweite Thema in schattigem C-Dur gewann ebenfalls Kontur, schwelgerische Momente wurden genüsslich ausgekostet. Kunst und Empfindung hielten sich bei der konzentriert dargebotenen Durchführung im Gleichgewicht. Sabine Meyer, die auf einer Bassklarinette spielte, konnte alle Register ihres Könnens ziehen. Im harmonischen Wechselspiel mit dem Orchester kam sie voll zu ihrem Recht – es war eine äußerst effektvolle Parade der glänzenden Virtuosität. Als erdentrückte Melodie kam dann das Adagio daher, abgeklärt und doch intim-beredt. Leidenschaft glühte auf, sobald das Orchester inniger und nicht nur begleitend auf die Solistin einging. Dies war auch ein Verdienst des umsichtigen und einfühlsamen Dirigenten Ola Rudner. Die Geheimnisse der Seele blieben dabei verhüllt. Über dem Allegro-Rondo lag schließlich der Glanz gelassener Heiterkeit. Elegische Schatten begleiteten die Klarinettenmelodie. Blühende Selbstironie unterstrich die funkensprühenden Kapriolen der Solistin – und sprühende Laune meldete sich zum Schluss.

Höhepunkt des Konzerts mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen unter der Leitung von Ola Rudner war aber die innerlich glühende Wiedergabe von Anton Bruckners Sinfonie Nr. 8 c-Moll in der von Hermann Levi einst abgelehnten Erstfassung. Hier endet der Kopfsatz nicht ersterbend wie in der späteren Fassung von 1890, sondern in triumphalem C-Dur. Ein großer Pluspunkt, der die gesamte Wiedergabe prägte. Abgesehen von geringfügigen Wacklern des Horns war es eine sehr überzeugende Interpretation, die der Monumentalität Bruckners Rechnung trug. Den riesig geweiteten formalen Aufbau meißelte Ola Rudner mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen ausgezeichnet heraus. Aus wesenlosem Dunkel hoben im ersten Satz die tiefen Streicher das düster-ernste, drängende Hauptthema hervor, das sich dann zu drohender Pracht und düsterem Glanz emporreckte. Der Brucknersche Fünfer-Rhythmus ließ auch beschwörend das zweite Thema aufschwellen. Es folgte eine gut musizierte Sehnsuchtsmelodie der Streicher mit der lichten Trostverheißung der Holzbläser. Die Triolen-Begleitung des dritten Themas wurde ergänzt von beunruhigend hervorgehobenen Oberstimmen. Hier erwies sich Ola Rudner als versierter Bruckner-Dirigent, der auf alle Details achtete. Majestätischen Aufschwüngen folgten erschütternde Abstürze im Trompetengeschmetter, bevor sich das gesamte Orchester doch noch zu einem triumphalen Schluss aufraffte. Bissiger Trotz beherrschte das Scherzo, das auf den „deutschen Michel“ anspielt. Der Rhythmus erwies sich hierbei als treibende Kraft. Seine draufgängerische Starrköpfigkeit behauptete sich gegen alles turbulente Treiben ringsum. Die schmeichlerische Geigenmelodie des Trio paarte sich mit sinnlichen Klangpoesien von Hörnern und Harfe. Wie mit stockendem Pulsschlag begann das Adagio, das bei der großen Steigerung (im Gegensatz zur späteren Fassung) mit drei wuchtigen Beckenschlägen aufwartete. Eindringlich wurde von der Württembergischen Philharmonie Reutlingen zudem die mystische Weihe des Tubenchorals gestaltet. Die Blechbläser triumphierten im Finale beim majestätischen Hauptthema. Der hart klopfende Rhythmus prallte grandios auf den riesigen Klangteppich. In Fortspinnungen, Nachsätzen und Fanfaren kam es zu ungeheuren Energieentladungen, ehe der weiträumige Streichergesang des zweiten Themas die Stimmen der Seele zu Wort kommen ließ. Das dritte Thema drängte daraufhin bei dieser Wiedergabe ultimativ zur Entscheidung. In der grandiosen Durchführung meldeten sich die starken Blechbläser mit dem scharf gezackten Rhythmus des Hauptthemas, das sich verdichtete. Verwegenste Künste des Kontrapunktes legten bei dieser Interpretation alle Energien der Finalthemen frei. Und in der Siegeshymne der Coda wurden alle Hauptthemen der vier Sätze zur machtvollsten Apotheose übereinandergetürmt. Starker Schlussapplaus für diese Wiedergabe der ersten Fassung, bei der die Tremolo-Effekte stark hervorstachen.    

 Alexander Walther

 

Diese Seite drucken