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LUDWIGSBURG/ Forum Schlosspark: CARMEN als Gastspiel des Theaters Freiburg

22.11.2014 | Oper

CARMEN  von Georges Bizet mit dem Theater Freiburg im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

IN TÄNZERISCHER CHOREOGRAFIE
Das Theater Freiburg gastiert mit Bizets „Carmen“ am 22. November im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

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Katerina Hebelkova. Foto: Maurice Korbel

Rosamund Gilmore hat sich für Georges Bizets Meisteroper „Carmen“ eine ungewöhnliche Inszenierung einfallen lassen. Die ehemalige Balletttänzerin bietet hier nämlich auch eine ausgeklügelte Choreografie, bei der Szenen des unglücklichen Liebespaares selbst im Lichtkegel nachgestellt werden. In der durchaus schroffen Ausstattung von Nicola Reichert erfährt man als Zuschauer viel von den spanischen Hinterhöfen, in denen sich das leidenschaftliche Liebesdrama abspielt. Roberto Gionfriddo überzeugt hier als bedingungslos liebender, tugendhafter und eifersüchtiger Soldat Jose, der vielleicht auch an seinem übertriebenen Pflichtbewusstsein scheitert. In der Mittellage agiert Roberto Gionfriddo durchaus voluminös mit weichem, kernigem Timbre – nur in der Höhenlage neigt er gelegentlich zum Forcieren. Katerina Hebelkova stellt die unmoralische und stolze Zigeunerin Carmen mit vielen Zwischentönen dar, auch wenn der erotische Biss dabei durchaus noch schärfer sein könnte. Dies gilt ebenso für die „Habanera“. Die Aufführung macht recht überzeugend klar, wie der kurze Moment des Glücks sich hier nicht halten lässt und wie alle Protagonisten seelisch in ein Chaos stürzen. Dies verdeutlicht insbesondere auch Kim-Lillian Strebel als Michaela mit strahlkräftigem Sopran höchst glaubhaft, wenn sie Jose von seiner Mutter grüßen lässt und dabei ihre Liebe zu ihm kaum verheimlichen kann. Wie Jose dann immer wieder vergeblich versucht, die Zigeunerin an sich zu binden, gehört zu den packenden Momenten dieser Inszenierung, deren Einfälle allerdings nicht immer geglückt sind. Einmal werden plötzlich die Tücher von den Fassaden gerissen und ein Bau-Gerippe kommt zum Vorschein. Das ist eine originelle Idee. Insbesondere die Schlussszene, bei der Carmen von Jose erstochen wird, könnte noch elektrisierender und unmittelbarer sein. Beide irren in einem leeren Saal umher, sie sucht krampfhaft den Ausgang. Carmens nackte und aggressive Ausbrüche vermag Katerina Hebelkova aber gut zu verkörpern. Glücklicherweise besitzt das Michaela-Jose-Duett im ersten Akt bei dieser Inszenierung keine sentimentale Süße und vordergründig-platte Thematik. Besonders gut gelungen sind die Szenen mit dem von Alejandro Larraga Schleske robust und kämpferisch verkörperten Torero Escamillo, der als kompromissloser Stierfechter die Menge sofort in seinen Bann zieht.

Der umsichtige Dirigent Johannes Knapp arbeitet die thematische Vielschichtigkeit von Bizets Partitur kenntnisreich heraus. Opern- und Extrachor des Theaters Freiburg sowie Studierende der Hochschule für Musik Freiburg und der Kinder- und Jugendchor des Theaters Freiburg bieten hier eine ausgezeichnete Leistung. Die beiden Leiter Berhard Moncado und Thomas Schmieger haben dabei ganze Arbeit geleistet. Das spanische Milieu kommt gut zum Vorschein – und auch die ungebrochene Kraft der melodischen Erfindung wird vom Philharmonischen Orchester Freiburg rasant betont. Feinste Klangzerlegungen kommen immer wieder facettenreich zu Gehör, mitreissende Gewalt besitzen die rhythmischen Effekte. Diese ergreifend-bewegende Kraft geht auch auf die anderen Sängerinnen und Sänger Matthias Flohr (Morales), Andrei Yvan (Zuniga), Carina Schmieger (Frasquita), Charlotte Quadt (Mercedes), Christoph Waltle (Remendado) und Shinsuke Nishioka (Dancairo) über. Das Orchestervorspiel des ersten Aktes gefällt mit atemloser Kraft. Die quadrillenhafte Stimmung in der Stierkampfarena wird aufwühlend nachgezeichnet. Das aus fünf Noten betstehende Schicksalsmotiv behauptet sich mit eherner Kraft. Maria Pires (Tänzerin) und Daniel Morales Perez (Tänzer) umspielen dieses Motiv mit raffinierter Bewegungstechnik und verleihen dieser ungewöhnlichen „Carmen“-Produktion deswegen etwas Graziöses und Feingliedriges. Zwischen Dur und Moll schwebt auch das Vorspiel zum zweiten Akt – wobei Johannes Knapp hier die zarte Durchsichtigkeit des Orchesterapparates überzeugend betont. Die Abgründe menschlicher Leidenschaften werden bei dieser Aufführung treffend ausgelotet. Und die großausschwingende Melodienfülle unterstreicht die wilde Ekstase der Handlung. Etwas unterkühlt ist die Szene in der Schenke von Lillas Pastia geraten, einem Treffpunkt von Lebemännern, Schmugglern und Zigeunern. Don Jose zieht auch gegenüber seinem Vorgesetzten, Leutnant Zuniga, ziemlich unvermittelt die Waffe. Am dichtesten und besten ist jener Moment im dritten Akt gelungen, wo Carmen (die sich dem männlich-erfolgreicheren Stierkämpfer Escamillo zugewandt hat) ihren neuen Liebhaber vor dem Messer des Eifersüchtigen bewahrt. Der betrogene Jose eilt unter dem Schwur seiner blutigen Rache zur sterbenden Mutter. Roberto Gionfriddo erreicht bei diesen Passagen eine erstaunliche stimmliche Ebenmäßigkeit und Leuchtkraft. Er vermag sich dem „Orchesterbett“ gut anzupassen. Ein noch hitzigeres Fieber hätte die Regisseurin Rosamund Gilmore dem vierten Akt verleihen können, wobei der unbeschreibliche Zauber der Stierkampfarena natürlich schwer auf die Bühne zu bannen ist. Die für Bizets Musik so wichtige romanisch-sinnliche Klangseele besitzt bei dieser Wiedergabe allerdings starkes Gewicht. Nietzsche begründete seine „Carmen“-Begeisterung damit, dass hier das „Menschliche“ des Weibes ganz unkompliziert und ohne metaphysische Belastung eingefangen wurde. Diesen Ansatzpunkt hat die Regisseurin Rosamund Gilmore gut weiterentwickelt. Das sind Personen, die sich um keinen Preis verbiegen lassen und wiederholt mit Nachdruck ihre Persönlichkeit verteidigen. Den Todeskampf Carmens hat man allerdings schon wilder, unmittelbarer und erschütternder gesehen. Ein starker Zeitbezug ist trotzdem gegeben. Für das gesamte Ensemble gab es im Forum am Schlosspark „Bravo“-Rufe und frenetischen Schlussapplaus. Aufgrund der schwierigen bühnentechnischen Verhältnisse im Theater Freiburg fand die Premiere diesmal in Ludwigsburg statt. In Freiburg selbst ist sie dann am 29. November 2014. Übrigens wurde die Regisseurin Rosamund Gilmore mehrfach für den Theaterpreis „Faust“ nominiert und war mit einer Inszenierung von Wagners „Rheingold“ in Leipzig erfolgreich.

 
Alexander Walther

 

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