
Copyright: Stuttgarter Ballett
Wieder einmal gastierte die John Cranko Schule unter der Leitung von Tadeusz Matacz im ausverkauften Forum am Schlosspark. Für den Ballettintendanten Reid Anderson ist diese Schule die wichtigste Talentschmiede des Staatstheaters Stuttgart. Gleich zu Beginn demonstrierten starke Tänzer bei George Balanchines 1956 entstandenem Ballett „Allegro Brillante“ ihre Körperbeherrschung. Es war ein perfektes Timing in den rasanten Bewegungen und eine gestisch eindringliche Beschwörung russischer Romantik. Und die Musik von Peter Tschaikowsky riss hier alle mit. In „Telemann“, stilvoll choreographiert von Hilke Rath, weckten die sensiblen Flötentöne alle tänzerischen Sinne. Bei Raths „Schwestern“ mit der Musik von Johannes Brahms kamen dann schwungvoll die Männer ins Spiel und lockerten den harmonischen Reigen auf. Die harmonische Geschwisterliebe endete, als beide sich in den gleichen Mann verliebten. Auch die subtil von Jennifer Hackbarth getanzte Zuckerfee aus dem „Nussknacker“ von Tschaikowsky oder die „Pizzicato-Polka“ von Johann Strauß verbreiteten eine elektrisierende Aura. Adhonay Da Silva demonstrierte bei seiner frech beschleunigten Interpretation des Colas aus „La fille mal gardee“ von Herold ungeheure Beweglichkeit. Und auch die Variation der Columbine aus der „Harlequinade“von Riccardo Drigo hatte es in sich, wobei sich Aina Oki total verausgabte. In folkloristischer Rasanz und Atemlosigkeit kam schließlich der reizvolle „Balkanische Frühling“ daher. Ein visueller Leckerbissen war ferner die schillernde „Walpurgisnacht“ aus der Oper „Faust“ von Charles Gounod in der Choreographie von Leonid Lawrosky. Sehr jung sind alle Cranko-Schüler – und so durften sie sich in den Soli im Forum am Schlosspark auch bewegen. Marco Laudani schildert in seiner wilden Choreographie „In partenza“ den Aufbruch eines jungen Menschen, der mit riesigen Sprüngen die Welt erobern will. Auch das Zögern gehört hier zum Aufbruch. Dies machte der sehr junge Tänzer Riccardo Ferlito hervorragend deutlich. Bei „Se“ von Enrico Morelli ging Alessandro Giaquinto bis an die Grenzen seines Ausdrucksvermögens und löste ebenfalls frenetischen Publikumsjubel aus. Traumverloren, zurückweichend und aggressiv wirkten dabei die abwechslungsreichen Körperbewegungen. Man konnte beim Zusehen kaum still sitzen. Grace Davidson erwies sich bei Camille Turners „Till the End“ nicht nur als rhythmisch geniales junges Mädchen, sondern auch als Meisterin des Spitzen-Tanzes. Figurationen und Pirouetten entwickelten sich hierbei zu einem facettenreichen Balance-Akt. Wild und männlich ging es daraufhin in „Ryu“ mit der eruptiven Musik von Kodo und der suggestiven Choreographie von Kinsun Chan zu. 35 junge Männer ließen gewaltig die Muskeln spielen. Große Sprünge und Überschläge hinterließen wahrhaft erstaunliche Eindrücke. Eine Europapremiere war „In Absence of Story“ mit der Musik der Violinsonate von Johannes Brahms. Der japanische Choreograf Toru Shimazaki schuf dieses Werk für 13 Tänzer. Er will die Gefühlssprache des menschlichen Körpers zum Ausdruck bringen, was ihm sehr gut gelungen ist. Bewegung, Gestaltung und Gefühle wuchsen ganz zusammen und bildeten eine faszinierende Einheit. Riesenjubel für die Tänzerinnen und Tänzer, denen sicherlich noch eine große Zukunft bevorsteht.