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LUDWIGSBURG/ Forum am Schlosspark: „BLECHSCHADEN“ zwischen Kalinka und Sirtaki & JUBILÄUM IN BIETIGHEIM-BISSINGEN

ZWISCHEN KALINKA UND SIRTAKI

Mitreissendes Konzert mit Bob Ross und „Schwanensee“ im Forum am Schlosspark am 8. Januar 2014/

Unbenannt
Blechschaden“. Foto: Susi Knoll

LUDWIGSBURG:  „Blechschaden„, der seine Internetdomain einem Schrotthändler abkaufte, besteht aus den Blechbläsern der Münchner Philharmoniker und pflegt alle Stilrichtungen von Renaissance über Rock zu Rap. Bereits zweimal wurde „Blechschaden“ mit dem begehrten Deutschen Schallplattenpreis „Echo Klassik“ ausgezeichnet. Zum 30jährigen Jubiläum wird 2014 eine weitere CD erscheinen. Der gebürtige Schotte Bob Ross bringt auch das richtige Temperament mit. Und die Musiker folgten seinen Späßen im gut besuchten Forum am Schlosspark auf Schritt und Tritt. So gelang dem Ensemble gleich zu Beginn eine mitreissende Wiedergabe von Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge in d-Moll, wo die kontrapunktischen und chromatischen Finessen nur so hervorblitzten. Vor allem die Vielschichtigkeit der thematischen Verbindungen wurde hervorragend herausgearbeitet. Al-fresco-Figuationen stachen beim Konzert von zwei Trompeten von Antonio Vivaldi nuancenreich hervor – und die Trompeten überboten sich gegenseitig mit ihren Spitzentönen. Beim rasanten Walzer von Dmitri Schostakowitsch ging ebenfalls die Post ab. Zwischen russischem Expressionismus und harmonischen Kühnheiten begeisterten die Zuhörer hier vor allem die unbändigen rhythmischen Raffinessen. Auch die Weise „Ich werde dich immer noch lieben“ beeindruckte bei dieser Wiedergabe aufgrund ihrer spieltechnischen Intensität. Und die Basstuba gefiel immer wieder mit erstaunlicher klanglicher Grundgewalt. In einem grandiosen Potpourri erklangen dann Melodien aus Tschaikowskys vierter Sinfonie, aus Richard Strauss‘ Tondichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche„, Gershwins „I got rhythm„, Johann Sebastian Bachs Fuge und Richard Wagners „Walküren-Ritt„. So wurden hier sieben verschiedene Orchesterwerke in zwei Minuten vorgestellt. Ein unglaubliches Unterfangen, das gelang.

„Der wichtigste Mann ist der Dirigent, der alles kann!“ verkündete der musikalische Leiter Bob Ross. Er hatte auch als Musiker im Bayreuther Festspielorchester reiche Erfahrungen gesammelt. Beim Solo für Bassposaune erfuhr man dann einiges über das „Liebemachen“ in einem reizvollen Boogie – und auch die „Riverdance“-Stepptanzeinlagen hatten es in sich. Ross machte sich zudem über die kleine Tuba als „Hartz IV“-Tuba lustig. Elektrisierend wirkte außerdem das Arrangement zu „A taste of honey“, das auch die Beatles schon interpretiert hatten. Zwischen „Sirtaki“ und „Kalinka“ besaß die „Bohemian Rhapsody“ nach Freddy Mercury weitere klangfarbliche Reize. Ein Höhepunkt war ferner Verdis „Triumphmarsch“ in verschiedenen spieltechnischen Variationen, wobei der Formwille nicht vernachlässigt wurde. Für Begeisterungsstürme sorgte auch Bob Ross‘ Version von „Y.M.C.A.“ der Village People. Bei dieser Stimmung ging allen der Hut hoch.

In diesem Jahr feiert die Stadt Bietigheim-Bissingen 650jähriges Jubiläum ihrer Stadtrechte. Aus diesem Grund gab es in der Kelter eine Neujahrsmatinee mit dem Gesangsverein Frohsinn. Neben dem Menuett aus Mozarts „Don Giovanni“ und dem schwungvoll interpretierten Walzer op. 39 von Johannes Brahms gefielen facettenreiche Interpretationen von „We shall overcome“ oder russische Melodien wie „Die Legende von den 12 Räubern“. Bei „American Patrol“ ging richtig fetzig die Post ab. „Wo Musik erklingt“ variierte nuancenreich eine Melodie von Henry Purcell mit atemloser Chromatik. Humorvoll interpretiert wurde hier vor allem die „Württemberg Hymne“ mit ihren zahllosen Variationen. Auch Beethovens „Ode an die Freude“ aus dessen 9. Sinfonie gefiel dem Publikum. Walter und Matthias Gruber (Klavier und Leitung) begleiteten den Chor. Zudem boten noch die Sternsinger ein musikalisches Ständchen. Der Männergesangsverein Frohsinn existiert bereits seit 150 Jahren und hat eine große Tradition in Bietigheim-Bissingen. Oberbürgermeister Jürgen Kessing betonte bei seiner Neujahrsansprache die gute Konjunktur und Infrastruktur im Raum Bietigheim. Dies betreffe auch die Lebensqualität. Mit dabei war auch der Bundestagsabgeordnete Eberhard Gienger.

Im Forum am Schlosspark gab es am Mittwoch abend noch einmal eine Vorstellung von Peter Tschaikowskys „Schwanensee“ mit den „Weltklassikern aus Minsk“, dem Bolschoi Staatsballett Belarus. Die insgesamt gelungene Inszenierung besorgten Juri Trojan und Alexandra Tichomirowa. Und man kann sagen, dass Bühnenbild und Choreografie wesentlich farbiger wie beim „Nussknacker“ mit demselben Ensemble sind. Das fröhliche Treiben auf der Terrasse des Schlosses wurde jedenfalls präzis eingefangen. Igor Onoschko verkörperte höchst virtuos Prinz Siegfried, der mit Freunden seine Volljährigkeit feierte. Gut gemacht war, wie es plötzlich dunkel wurde und Siegfried Vorahnungen quälten. Eine Schar von Schwänen verwandelten sich hier sehr geheimnisvoll in junge Mädchen. Odette (facettenreich dargestellt von Olga Gayko) erzählte, dass sie sich alle in der Macht des von Anton Krawtschenko durchaus dämonisch dargestellten Zauberers Rotbart befänden. Siegfried schwor ihr ewige Liebe. Anschließend täuschte Rotbart Siegfried mit seiner Tochter Odile (ebenfalls Olga Gayko) – und dieser merkte zu spät, dass er das Opfer eines schrecklichen Betruges geworden war. Der dramatische Schlusskampf mit Rotbart gehörte dann zu den ergreifenden Augenblicken dieser szenisch durchaus packenden Aufführung, wobei die Tänzerinnen und Tänzer alle Momente von zartester Empfindung bis hin zu wild losbrausendem Temperament auskosteten. Pirouetten und der Pas de deux des Liebespaares blendeten die Augen der Zuschauer, die insbesondere von der raffinierten Rückverwandlung der Schwäne in junge Mädchen und der Lösung des Bannes fasziniert waren. Hier wuchs das Ensemble ganz zusammen. Und die aufgehende Sonne strahlte tatsächlich auf das Liebespaar. Leider kam die Musik wieder nur vom Band. Zum Zwecke der Authentizität wäre es jedenfalls besser, wenn ein Live-Orchester spielen würde. Dies wäre auch für das gesamte Ensemble inspirierender. Fazit: Vereinzelt blieb die Aufführung manchmal etwas konturlos, insgesamt imponierte aber der starke künstlerische Wille. Diesen verkörperte auch der ungemein bewegliche Hofnarr, den Konstantin Geronik plastisch darstellte.

 Alexander Walther

 

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