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LUDWIGSBURG/Forum Schlosspark: NIXE (nach A. Dvorak „Rusalka“) / Liebesdrama am Meeresuntergrund

17.04.2015 | Oper

Nixe“ mit der Jungen Oper Stuttgart im Forum am Schlosspark Ludwigsburg

LIEBESDRAMA IM MEERESUNTERGRUND

Premiere „Nixe“ nach „Rusalka“ von Antonin Dvorak am 16. April 2015 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

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Copyright: Christoph Kalscheuer

Barbara Tacchini (Regie) hat hier mit dem ausdrucksstarken Bühnenbild von Jelena Nagorni ganze Arbeit geleistet. Wichtig sind ihr vor allem die Video-Einblendungen (Stephan Komitsch, Impulskontrolle), die das Liebespaar Rusalka (mit sehr emotionaler Stimmführung: Kristi Anna Isene) und Prinz (ebenfalls wandlungsfähig: Philipp Nicklaus) ins Zentrum des Geschehens rücken. Denn hier sieht man sie in inniger Umarmung, während in der Realität ein Sandhaufen mit Skelettresten an den fatalen Tod des Prinzen erinnert. Den Warnungen des voluminös singenden Wassermanns (facettenreich: David Steffens) zum Trotz wünscht sich die junge Nixe Rusalka, bei den Menschen zu leben. Doch sie muss als Meerjungfrau dafür ihre Stimme opfern. Erst die Liebe eines Mannes verleiht ihr eine Seele – ein Aspekt, den Barbara Tacchini bei ihrer Regiearbeit sehr überzeugend herausarbeitet. Nixe und Prinz bleiben sich dann trotz allem fremd. Auch das Angebot der Hexe Jezibaba (mit dämonischer Aura: Renee Morloc), sich das Leben durch den Mord am Prinzen zu erkaufen, lehnt die Nixe kategorisch ab. Hier kommt es zwischen den beiden Frauen zu ergreifenden Auseinandersetzungen. Und weil die Liebenden nicht miteinander leben können, sind sie zum Sterben verurteilt. Man sieht zuletzt Prinz und Nixe in inniger Umarmung einander verhaftet, während der Vorhang fällt. „Nixe“ ist hier allerdings eine stark gekürzte Fassung von Antonin Dvoraks Oper „Rusalka“ nach Hans Christian Andersens Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ mit einer ausgiebigen Schauspielszene von Tim Staffel und raffinierten Sounds von DJ Alexandra Holtsch.

Die Frage nach dem Scheitern der Beziehung zwischen dem Liebespaar Prinz und Meerjungfrau und nach einem möglichen Ausweg aus heutiger Sicht wird von Barbara Tacchini in origineller Weise thematisiert. Die Botschaft ist klar: Man kann einem anderen nicht aufbürden, einen zu retten. Man kann jedoch stark sein ohne zu jagen oder sich im anderen auflösen zu wollen. Einsichten und Wahrheiten, die zwischen den Generationen weitergegeben werden können, stehen so immer wieder im Zentrum des Geschehens zwischen Schweben, finsteren Geschöpfen und Seepferdchen. Auch die Trauer wird musikalisch in eindringlicher Weise verarbeitet. Zwischen riesigen Rohren und einer Waschmaschine als heutige Bezüge zeichnet Barbara Tacchini aber auch die Hexe Jezibaba mit Hirschgeweih als alles beherrschende Figur des Industriezeitalters, die das Liebespaar letztendlich zerstört. Der von David Steffens konturenreich verkörperte Wassermann leistet ihr dabei in fataler Weise Hilfe, indem er den Prinzen einmal fast erwürgt. Dieser hat sich wie zum Schutz zuvor in einen Teppich eingewickelt. Das „Wehe!“ des Wassermanns erreicht dabei eine immer bedrohlichere Intensität. Ganz zu Beginn sieht man den Prinzen an Seilen wie aus dem Himmel herabschweben. Rusalka nimmt ihn als Nixe, die dann später menschliche Gestalt annimmt, erst später wahr. Die drei Nixen (strahlkräftig: Jeanne Seguin, Maria Palaska und Katarina Andersson) schweben ebenfalls in der Luft. Hier erweisen sich die fantasievollen Kostüme von Mascha Schubert als stets passend. Das Drama des Stimmverlusts steht bei dieser interessanten Inszenierung wiederholt im Mittelpunkt. Das war auch entscheidend dafür, welche Teile aus Dvoraks Oper verwendet oder welche weggelassen werden. Die Szenen des zweiten Aktes, die in Dvoraks „Rusalka“ im Schloss des Prinzen spielen und seiner Auseinandersetzung mit Rusalkas Rivalin gewidmet sind, wurden durch zwei vom Autor Tim Staffel verfasste Szenen zwischen dem Prinzen, Rusalka und Jezibaba ersetzt.

Das Landesjugendorchester Baden-Württemberg bietet bei dieser gelungenen Produktion unter der temperamentvollen Leitung von Till Drömann eine reife Leistung. Einflüsse von Brahms und Wagner werden zwar nicht geleugnet, doch es kommt auch der böhmische Musikant Dvorak zu seinem Recht. Vor allem die ungeahnten Triebkräfte dieser Musik arbeitet Till Drömann in glühenden Farben und mit kontrapunktischem Feinschliff heraus. Dies gilt ebenso für den stimmungsvollen Kontrast der rauschenden ritterlichen Festmusik zur magisch übersinnlichen Musik des Geisterreichs. Davon profitieren auch die Einsätze des Projektchors der Jungen Oper. Parlando-Momente und groteske Akzente der Hexenszene stechen grell hervor. Harmonisch und melodisch unruhige Momente trifft Drömann mit dem Landesjugendorchester ebenfalls in eindringlicher Weise. In dichten Imitationen und Umkehrungen entwickeln sich hier die aufwühlend gestalteten Themen. Und auch die gesteigerten dynamischen Kontraste gehen unter die Haut. Das gleiche gilt für die plastisch herausgearbeiteten schroffen Gegensätze. Bei Rusalkas ergreifender Klage „Verstoßen von euch“ scheint sie einen Feuertod zu sterben – jedenfalls lodern die Flammen im Hintergrund, während sie sich an eine Leiter lehnt. Dies geschieht jedoch nur zum Schein, passt aber gut zum musikalischen Geschehen. Breite Klangflächen und in sich kreisende Motive werden hier immer wieder auch von den konzentriert agierenden Sängern stimmungsvoll und passend aufgefangen. Fesselnde Rhythmik und eigenartige Harmonik bestimmen den einzigartigen Chrakter des Naturbildes. Elegische Melodien ergänzen den slawischen Charakter der elektrisierend gestalteten Rhythmen. Bei den leidenschaftlichen Steigerungen zeigt insbesondere der voluminöse Sopran von Kristi Anna Isene eine große und transparente Tragfähigkeit. Elektronische Wassersounds aus bearbeiteten Wasserklängen und Stimmen (die dann verfremdet und verzerrt werden) steigern noch die Faszination dieser Arbeit. Es ist jedenfalls ein erstaunlicher Versuch, eine Oper des 19. Jahrhunderts dem jugendlichen Publikum von heute schmackhaft zu machen, auch wenn es sicherlich Puristen gibt, die eine solche Verfremdung ablehnen.

Für diese Koproduktion mit dem Landesjugendorchester Baden-Württemberg (Patenorchester des Staatsorchesters Stuttgart) und dem Forum am Schlosspark Ludwigsburg gab es begeisterte Ovationen des Publikums.   

 Alexander Walther

 

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