Lübeck eröffnet die Spielzeit mit „Parsifal“. Premiere am 2.9.2012
Von Horst Schinzel
Richard Decker, Albert Pesendorfer. Foto: Oliver Fantisch
Im kommenden Jahr gedenkt die musikalische Welt des 200. Geburtstages des Komponisten Richard Wagner. Da setzt die Lübecker Oper das erfolgreiche „Wagner-trifft-Mann“-Projekt fort und eröffnet die neue Spielzeit mit dem Bühnenweihespiel „Parsifal“ – zum dritten Mal in den vergangenen sechzig Jahren überhaupt. Der irisch-stämmige Regisseur Anthony Pilavachi hat hier in den letzten viele tolle Regiekonzepte abgeliefert. Im Vorfeld seiner neuesten Arbeit hat er verlauten lassen, dass er dieses Werk sehr liebe, aber leider nie verstanden habe. Und bezeugt dies an diesem Abend. Überaus ungewöhnlich. Sein Parsifal, der US-Amerikaner Richard Decker, erlebt das Geschehen auf der Burg Monsalvat im Sterben als Nahtoderlebnis. Und wenn das Spiel beginnt, ist Parsifal nicht nur ein tumber Tor, sondern auch mausetot. Da soll einer erst einmal darauf kommen!
Pilavachi verlegt den ersten Akt in ein Sanatorium Gurnemanz (Albert Pesendorfer) ist dort der Oberarzt oder Oberpfleger, die Knappen Ärzte oder Pfleger. Klingsorgs Zaubergarten im zweiten Akt wird durch rote Bänder angedeutet, während der dritte Akt wieder in einem Sanatorium spielt. Und hier ist die Regie überhaupt nicht stimmig: Anfangs sind die Ritter ein Schatten ihrer selbst, weil ihnen über Jahre das Abendmahl vorenthalten worden ist. In der Schlussszene aber sind sie frisch und munter und begehren gegen die Tyrannei des Amfortas (sehr eindrucksvoll Gerard Quinn) auf. Dass Text und äußere Handlung mit der Umsetzung (Ausstattung Tatjana Ivschina) durchaus nicht harmonieren, muss nicht nur jeden Wagner-Freund verschrecken.
Auch musikalisch erfüllt dieser Abend nicht alle Wünsche. Generalmusikdirektor Roman Brogli-Sacher setzt vor allem auf Lautstärke. Anfängliche Intonisationsschwächen der Bläser werden schnell überwunden, aber so gehen die Feinheiten der Musik Wagners doch weitgehend unter. Besonders arg wird es im dritten Akt, wenn das Orchester mit solche Lautstärke aus dem Graben kommt, dass es die Sänger überdeckt und die nur mit Mühe dagegen ansingen können. Hier muss dringend nachgebessert werden
Die Sänger wiederum werden von der Regie häufig arg allein gelassen. So wissen die Knappen in der Gralserzählung des Gurnemanz kaum etwas mit sich anzufangen. Das wirklich große Erlebnis des Abends ist das schwülstig-erotische Duett im zweiten Akt zwischen der großartigen Kundry der Ausrine Stundyte und Parsifal. Der Klingsor des Antonio Yang wird zum Teufel mit Hörnern. Igor Levitan ist ein sehr greiser Titurel im Rollstuhl. Fast das ganze übrige Ensemble findet als Ritter, Knappen und Zaubermädchen Beschäftigung.
Ausrine Stundyte, Richard Decker. Foto: Oliver Fantisch
Der Dank des Premierenpublikums – darunter Ministerpräsident Torsten Albig mit Gattin – gilt den Leistungen der Mitwirkenden. Die Einstudierung wird erst im Oktober wieder aufgenommen. (16.10. um 17 h)
Horst Schinzel