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LONDON/ Dresden/Ufa Kristallpalast: RIGOLETTO aus dem Royal Opera House

18.01.2018 | Oper

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Copyright: Royal Opera House

LONDON/ DRESDEN/ Das Royal Opera House im Kino: „RIGOLETTO“ 16.1.2018   Ufa Kristallpalast Dresden – St. Petersburger Straße

Eine Opern- oder Ballettaufführung im Royal Opera House (ROH) in London ist ein Traum für jeden Opern- und Ballett-Liebhaber, aber das ROH ist fast immer ausverkauft. Dank der weltweiten Live-Übertragungen ausgewählter Vorstellungen kann man aber trotzdem an den großartigen, perfekt ins Bild gesetzten, Aufführungen direkt und unmittelbar teilhaben, denn im UFA Kristallpalast in Dresden gibt es – im Gegensatz zu anderen Kinos europaweit – immer noch freie Plätze, da die besten Vorstellungen in den größten und schönsten Kinosaal des Hauses übertragen werden.

Ohne große Reisevorbereitungen und entsprechenden Aufwand kann man sich wie im Londoner Opernhaus fühlen, angenehm klimatisiert und auf allen Plätzen wie auf der dortigen legendären 10. Reihe mit der – so wird behauptet – besten Akustik und Sicht, um sich auch auf die kleinsten Details und Feinheiten und die Mimik der Sängerinnen und Sänger konzentrieren zu können, was im Opernhaus so nicht möglich ist.

Die jüngste Live-Übertragung, Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“, die der Komponist selbst für seine beste hielt, ließ in einer Wiederaufnahme der Inszenierung von David-McVicar (Regie der Wiederaufnahme: Justin Way), die seinerzeit als skurril und schockierend galt, jetzt aber schon ein Kleinod der Moderne ist, den Atem stocken.

Das Bühnenbild (Michael Vale) ist archaisch und besteht teilweise aus mit stoffbehangenem Eisengestänge. Der dargestellte alte Palazzo hat große Risse, der Eingang zum Festsaal erinnert mit einer größeren und einer kleineren Tür an die Eingänge einer Pyramide, der Bezug des einsam dastehenden barocken Prunksessels ist zerschlissen. Die Fest-Robe des Herzogs ist schon leicht ausgefranst (Kostüme: Tanya McCallin). Das alles lässt den Eindruck einer morbiden Gesellschaft entstehen, die dem Untergang schon sehr nahe ist, es aber nicht wahrhaben will und sich mit rauschenden Festen abzulenken versucht.

Der Herzog von Mantua, mit kraftvoller Stimme von Michael Fabiano verkörpert, ist jung, oberflächlich und leichtsinnig und dadurch gewissenlos. Er kennt es nicht anders, hätte sich aber fast durch Gildas Liebe zur Umkehr bewegen lassen, wenn seine Höflinge das nicht im „Übereifer“ durchkreuzt hätten. Seine Anziehungskraft auf Frauen, die sich ihm bedingungslos in sehr freizügigen Kostümen unterwerfen, beruht weniger auf seiner Ausstrahlung als vielmehr auf seiner Macht. Er ist kein Beau, aber die Macht macht ihn attraktiv. Ihr unterwerfen sich selbstverleugnend auch die Höflinge, unter ihnen Luis Gomes als Matteo Borsa und Simon Shibambu als Graf Ceprano, dessen sittsame Gattin, Gräfin Cebrano (Jacquelyn Stucker), der Herzog ebenfalls begehrt.

Diese Menschen und die Natur haben den Hofnarren Rigoletto zum körperlichen und seelischen Krüppel gemacht. Dimitri Platanias „lebt“ in dieser Rolle. Er wird mit seiner profunden Stimme und zwingenden Darstellung zwischen „harter Schale und weichem Kern“ zur zentralen Gestalt, die die  Handlung wie ein roter Faden im Widerspruch als drohendes Unheil durchzieht. Er verspottet selbst den unglücklichen Grafen Monterone (James Rutherford), der seine, vom Herzog verführte Tochter rächen will und dessen Fluch ihn dann selbst trifft, denn seine eigene Tochter Gilda, sein Lebensinhalt, sein Ein und Alles, wird in ihrer naiven Gutgläubigkeit und aufrichtigen ersten Liebe zum Opfer.

Die Figur der Gilda erfährt durch Lucy Crowe eine bezwingende, glaubhafte Darstellung. Sie singt mit berührender Innigkeit und leichten, lockeren und wie selbstverständlich dahinperlenden Koloraturen, ein echter Belcanto-Gesang, wie er jetzt schon sehr selten geworden ist und zu Herzen geht.

Ihre volkstümliche, mollige Amme Giovanna (Kathleen Wilkinson), die einem jungen Mädchen mit Herz und ein wenig List die erste Liebe gönnen möchte, wirkt eher zurückhaltend.

Der ebenfalls sich ein wenig Menschlichkeit und Wohlwollen bewahrende Hofdichter Marullo (Dominik Sedgwick) ist in dieser Inszenierung sehr jung. Er hat ein gewisses menschliches Mitgefühl noch nicht ganz verloren und will Rigoletto „retten“, als ihn die Höflinge umbringen wollen, da er bei Gildas Entführung „stört“, doch es wird für Rigoletto zum Desaster, denn er hält mit verbundenen Augen selbst die Leiter, auf der seine Tochter entführt wird.

Ganz im Gegensatz dazu erscheint Andrea Mastroni mit profundem „schwarzem“ Bass als unter die Haut gehender Sparafucile. Zunächst als gewöhnlicher Bürger, entpuppt er sich bald als geheimnisvoller Auftragsmörder a la Mafioso. Er lebt mit seiner Schwester Maddalena (Nadia Krasteva), die in sehr freizügiger Weise als ordinäre Dirne die Opfer anlockt, vom Tod anderer. Allgemein ist sie zu allem bereit, nur den Herzog möchte sie für sich retten. Bei ihr stand das verführerische Spiel mehr im Vordergrund als der Gesang.

Alexander Joel leitete das mit Klarheit und Klangschönheit spielende Orchestra of the Royal Opera House, das auch mit einzelnen Instrumenten die Personen gut charakterisierte, mit schöner Flöte die Gilda, mit den Klarinetten den Herzog usw.

Der Royal Opera Chorus schuf mit Gesang und Darstellung den Rahmen für die dramatische Handlung und bestach mit seinen geisterhaften Gesängen im schauerlichen Gewitter, während dem der vermeintliche Mord am Herzog, in praxi aber an Gilda, geschieht.

 In der geschickten Kinoregie (Francesca Kemp) verschmolzen höchste Gesangsleistungen mit plausibler Darstellung, Bühnenbild und Regie zu einer untrennbaren Einheit, die noch lange nachwirkt. Diese Live-Übertragungen setzen hohe Maßstäbe in Operngesang, Darstellung und Inszenierung. Sie bedeuten immer einen besonderen optischen und musikalischen Genuss. Man sollte sie sich nicht entgehen lassen.

Die nächste Live-Übertragung aus dem ROH findet am Mi 7.2.2018 statt. Dann verspricht die Oper „Tosca“ von Giacomo Puccini mit den internationalen Gesangsstars Adriana Pieczonka, Joseph Calleja und Gerald Finley sowie Dan Ettinger am Dirigentenpult ein ganz besonderes Highlight. Es lohnt sich!

Außerdem für Opernfreunde zum Vormerken: „Carmen“ von Georges Bizet am 6.3.2018 und „Macbeth“ von Giuseppe Verdi am 4.4. mit Anna Netrebko, Zeljko Lucic und Ildebrando D’Arcangelo sowie Antonio Pappano als Dirigent, was wieder einen hochkarätigen musikalischen Genuss in einer sensationellen Inszenierung verspricht.

Und für Freunde des Balletts: „Das Wintermärchen“ nach William Shakespeare mit Musik von Joby Talbot am 28.2., „Bernstein Celebration“ zum 100. Geburtstag von Leonid Bernstein am 27.3. „Manon“ mit der Musik von Jules Massenet in der Choreografie von Kenneth MacMillan (wie an der Semperoper) am 3.5. und „Schwanensee“ von P. I. Tschaikowsky in der legendären Choreografie von Marius Petipa am 12.6.

Ingrid Gerk

 

 

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