LONDON/ DRESDEN/ Das Royal Opera House im Kino: ERSCHÜTTERNDE „MADAMA BUTTERFLY” – 30.3.2017 Ufa Kristallpalast Dresden – St. Petersburger Straße
Die Oper „Madama Butterfly“ hat ihren Ursprung beim Royal Opera House (ROH) „gleich um die Ecke“, als Giacomo Puccini einen Stoff für eine neue Oper suchte, der die Welt bewegen sollte, und dort im Theater die Tragödie nach dem Roman Madame Chrysanthème von Pierre Loti sah.
Bei der Uraufführung des ursprünglichen Zweiakters 1904 in Mailand ein Flop und nach der Umarbeitung als dreiaktige Neufassung, deren Uraufführung 1904 in Brescia stattfand, gehört die Oper jetzt zum Allgemeingut der Opernliteratur und ist eine der populärsten Opern überhaupt. Jeder Opernfreund hat sie schon oft in verschiedenen Inszenierungen gesehen, und doch bewegte und erschütterte diese Aufführung zutiefst durch die intensive gesangliche und darstellerische Interpretation der albanischen Sopranistin Ermonela Jaho, die im ROH erstmalig die Titelrolle sang. Zuvor war sie am ROH durch ihre intensive Darstellung der „Suor Angelica“ in Puccinis Einakter aufgefallen.
Sie beherrscht das feinste Piano genauso wie ein besonders expressives Forte, mit dem sie in erschütternden Gefühlsausbrüchen über jedes Orchester kommt, und das alles ohne jede „Brüche“, in unmerklich gleitenden Übergängen. Sie spielte, besser sie „durchlebte“ ihre Rolle so, dass es auch den routiniertesten Opernbesucher erschüttern musste. Zwischen ihr und dem Orchestra of the Royal Opera House unter der Leitung seines Chefdirigenten Antonio Pappano bestand ein stilles Einvernehmen, ein harmonischer Gleichklang, der die gesamte Aufführung „wie aus einem Guss“ erscheinen ließ.
Pappano startete mit vollem Einsatz und durchlebte sichtlich die Musik zwischen japanischem Flair und Italienitá am Dirigentenpult mit voller ungebrochener Intensität bis zum Schluss, um die herzzerreißende Geschichte einer liebenden Geisha und einem herzlosen Amerikaner, der Japan zunächst als leichtes Eroberungsfeld sieht und schließlich alles bereut, wenn es zu spät ist, mit atemberaubender Musik zu gestalten.
Ein ebenbürtiger Partner für Ermonela Jaho war Marcelo Puente als B. F. Pinkerton mit sehr exaktem Gesang und glaubhafter Darstellung. Elizabeth Deshong überzeugte als mütterlich besorgte Suzuki, Scott Hendricks als Sharpless, Jeremy White als Der Bonze und Yuriy Yurchuk als Prinz Yamadori. Carlo Bosi schien wegen seiner negativen Rolle beim Publikum weniger beliebt, bildete aber das kontrastierende Element für die Handlung. Schon sehr verständig, als würde er die Handlung verstehen, spielte der kleine blonde Harry Langton das Kind der Cho-Cho-San.
Sie alle waren durch Maske und Kostüme (Agostino Cavalca) äußerlich verwandelt und durch die Regie von Moshe Leiser und Patrice Caurier zu glaubhaft agierenden „Japanern“ oder „modernen“ Amerikanern geworden.
Das Bühnenbild (Christian Fenouillat) zeigt ein einfaches, traditionelles japanisches Wohnhaus in einer Art Holzrahmenkonstruktion als funktionsfreien Gesamtraum, der je nach Bedarf zum Wohn- oder Schlafraum wird und mit Schiebewänden, die zu jeder Zeit und für jede Gelegenheit geöffnet und wieder geschlossen werden können den Blick je nach Situation auf die Weite des Meeres mit den Schiffen im Hafen von Nagasaki, den Blumengarten oder einen Magnolienbaum, dessen Blüten symbolisch fallen, wenn es für Cho-Cho-San/Butterfly keine Hoffnung mehr gibt und sie ihr junges Leben gewaltsam mit dem Dolch ihres Vaters, der sich durch Harakiri selbst richten musste, beendet.
Die Bühne ist (fast) leer, denn es gibt keine Möbel in einem solchen Haus, aber es fehlt nichts. Das Bühnenbild ist in seiner Ästhetik der Schlichtheit stimmig. Es enthält alles, was die Handlung erfordert, aber nichts zu viel und bildet den richtigen Rahmen für die tragische Geschichte, die vom Können der beiden Protagonisten Ermonela Jaho und Marcello Puente lebt und die psychologische Durchdringung und den Bezug zur Gegenwart automatisch assoziiert.
Hier stimmte einfach (fast) alles. Einziger Wermutstropfen: Ermonela Jaho kann zwar ein junges 15jähriges Mädchen darstellen, was vermutlich im Zuschauerraum auch so ankam, aber durch die allzu große Nähe der Leinwandinszenierung von Matthew Woodward fiel doch die allzu auffällige rote Schminke, die von Ferne ihr reiferes Gesicht (Jahrgang 1974) vermutlich als junges, rosiges Mädchen erscheinen ließ, unschön auf. Andererseits spielte aber auch ihre Mimik eine wesentliche Rolle, die durch die Nähe gut zu verfolgen war.
Ingrid Gerk