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LONDON bzw. Ufa Kristallpalast Dresden/ das ROH im Kino: COSÌ FAN TUTTE

17.10.2016 | Oper

LONDON/ DRESDEN/ Das Royal Opera House im Kino: „COSI FAN TUTTE“ – 17. 10. 2016 Ufa Kristallpalast Dresden – St. Petersburger Straße

Man war sehr gespannt auf die Inszenierung von „Cosi fan tutte“ im Royal Opera House London (ROH), an der man dank Live-Übertragung im Ufa-Kristallpalast Dresden und anderen Kinos weltweit teilhaben konnte. Was die Inszenierungen von Mozart-Opern betrifft, ist man in letzter Zeit alles andere als verwöhnt. So richtig scheint kein Regisseur diese Opern, die doch auf ihre, manchmal etwas versteckte Art, viel Zündstoff und wohlwollende, verschmitzte Kritik enthalten, wirklich ernst zu nehmen und sich der Mühe zu unterziehen, das alles zu durchdenken.

Mit Mozart werden noch immer (fast nur) seine Serenaden, Notturni, Divertimenti usw. in Verbindung gebracht, obwohl er die so ganz nebenbei für geselliges Beisammensein mit seinen Freunden komponiert hat. Er war nicht nur der tändelnde, fröhliche Mensch. Das war er vor allem in seiner Jugend, später wurde er auch mit den „harten“ Seiten des Lebens konfrontiert. Seine großen Opern wie „Figaro“, „Don Giovanni“, „Titus“, „Zauberflöte“, zu denen auch „Cosi fan tutte“ (musikalisch) gehört,  und vor allem sein „Requiem“ verraten viel, viel mehr. Er war einer der ganz Großen und wird jetzt von den Regisseuren scheinbar in die (sehr) leichte Ecke geschoben.

Das gilt auch für die Sänger-Besetzung. Da die gesangstechnischen Anforderungen nicht so hoch sind wie z. B. bei Richard Wagner, werden meist junge, hoffnungsvolle Nachwuchstalente eingesetzt, was zwar gut für die jungen Sänger, aber nicht immer vorteilhaft für seine großen Opern ist.

In der Neuinszenierung von „Cosi fan tutte“ im ROH wurden ebenfalls junge Sängerinnen und Sänger eingesetzt. Sie meisterten ihre Aufgaben im Verlauf der Aufführung immer besser, und am Ende siegte (wie immer) Mozarts Musik. Sie verfehlt ihre Wirkung nie, wenn letztere auch unterschiedlich ausfällt, aber selbst bei weniger guter Interpretation kann man sich dem Reiz und Charme dieser Musik nicht entziehen, es sei denn, ein ausgesprochener „Mozart-Muffel“.

Semyon Bychkov nahm am Pult des weitgehend gut und richtig spielenden Orchestra of the Royal Opera House vor allem tempo- und lautstärkemäßig sehr viel Rücksicht auf die jungen Sänger-Darsteller der beiden Liebespaare aus sehr unterschiedlichen Nationen und Ländern. Sie wurden von einem gestandenen Opernsänger- und Darsteller-Urgestein und Urkomödianten wie Johannes Martin Kränzle, der als Don Alfonso in der Regie von Jan Philipp Gloger von einer Privatperson und Gentleman der Mozartzeit zum intrigierenden Theatermann oder Bühnenmeister mutiert, ge- und verführt. Er zieht die Strippen des Theaters und des Lebens und fädelt die Verwechslungskomödie ein.

Daniel Behle überzeugte gesanglich mit seiner fein-timbrierten Stimme als Ferrando. Alessio Arduini war hingegen ein spielfreudiger, verführerischer Guglielmo mit Temperament. Corinne Winters nahm sich als Fioriligi eine Idee mehr Zeit für ihre großen Arien, aber dabei konnte sie sich ganz auf den verständnisvollen Bychkov verlassen. Angela Brower, die Hübschere, war auch optisch in ihrem violetten Spitzenkleid im Stil der 1950er Jahre, eine ansprechende Dorabella.

Die Überraschung aber war Sabina Puértolas als Despina, ein ausgesprochenes Operntalent, perfekt in ihrem lockeren, gelöst und wie selbstverständlich perlenden Gesang und vitalem, quicklebendigem Spiel mit verschmitztem Augenzwinkern. In Glogers Regie wechselte sie von der Zofe zur Bardame in sehr gegenwärtigem Outfit und verwegener Rothaar-Perücke, die später von Dorabella getragen wurde, um anzudeuten, dass sie Despinas „Ermahnungen“ hinsichtlich Lebens- und Liebes-Erfahrungen in die Tat umgesetzt hatte. In der Tat betreibt Despina hier auch eine (Haus-?)Bar, an der 6 zuhälterähnliche Gestalten mit Melone herumlungern. Überhaupt waren in der 6-Personen-Oper, abgesehen vom zur Handlung gehörenden, zuverlässig singenden Royal Opera Chorus (Chorleiter: William Spauling) oft mehr Darsteller auf der Bühne, mehr oder weniger sinnfällig, und auch das Publikum in der ersten Reihe (professionelle Statisten bzw. Chor) spielte mit und probte die Verwechslung, jede(r) mit ihrem/seinem Nachbarn! – und das in großer Abendrobe in der Oper!

Die Kostüme von Karin Jud waren recht „gemischt“. Sie wanderten durch viele Stilrichtungen. Es war alles vorhanden von Mozartzeit über 1920er/30er Jahre bis in die Gegenwart. Die beiden Liebhaber, von Beruf Militärs, erschienen immer in Zivil mit Schlips und Kragen bzw. Pulli und Straßenanzug, selbst wenn sie angeblich aus der Schlacht kommen(?). Wieso erkennen die beiden Bräute ihre Verlobten nicht, wenn sie sehr leicht und noch ziviler bekleidet sind als sonst, nur weil sie kleine Bärtchen tragen? Irgendetwas stimmt da nicht ganz. Es war eher eine Aneinanderreihung einzelner moderner und/oder amüsanter Einfälle.

Wenn man nicht unbedingt die ursprüngliche Handlung nachvollziehen wollte oder einen inneren Zusammenhang aus dem Wechselspiel zwischen Theaterbühne und Realität herzustellen versucht, ergibt dieses Sammelsurium immer wieder nette Bilder – z.T. mit schönen alten Kulissen, aber auch merkwürdigen Dekorationen aus dem Fundus (Bühnenbild Ben Baur) – und komischen Episoden – eine sehr leichte, amüsant-witzige Inszenierung, die den jungen Interpreten sicherlich Spaß gemacht hat.

Dem Publikum im ROH hat’s gefallen. Es applaudierte heftig und erkannte die beachtlichen Leistungen der jungen Sängerinnen und Sänger begeistert an.

Ingrid Gerk

 

 

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