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LINZ/ Musiktheater: INTO THE WOODS – Ab in den Wald. Märchenmusical von Stephen Sondheim

08.06.2016 | Operette/Musical

Märchen-Musical in Linz: „Into the Woods – Ab in den Wald” von Stephen Sondheim

(Vorstellung: 7. 6. 2016)

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Szenenbild von der Hochzeit Aschenputtels (Anaïs Lueken) mit dem Prinzen (Alen Hodzovic) Foto: Barbara Pálffy

Seit Jahren zählt der amerikanische Musical-Schöpfer Stephen Sondheim (geb. 1930 in New York) zu den am meisten aufgeführten Komponisten.  Passion in Dresden, Company in Mannheim, Das Lächeln einer Sommernacht in Baden, Sweeney Todd und Die spinnen, die Römer in Wien an der Volksoper und nun  Into the Woods – Ab in den Wald in Linz hat der Verfasser dieser Zeilen selbst gesehen.

Für Into the Woods, im Jahr 1986 in San Diego uraufgeführt und am Broadway in New York ein Jahr später gezeigt, wurde der Komponist mit dem „Tony Award“ für die beste Musik ausgezeichnet.  Neben der Musik schrieb Sondheim auch die Gesangstexte, während James Lapine dazu das Buch verfasste. Die deutsche Fassung stammt von Michael Kunze. In dem  Musical, das vorwiegend in drei Hütten am Wald spielt, kommen fast alle Figuren aus den Märchen der Gebrüder Grimm vor, aber auch aus den Englischen Märchen von Joseph Jacobs.Es begegnen einander Rotkäppchen, Aschenputtel, Rapunzel, zwei Prinzen, eine Hexe, Hans im Glück und eine unsichtbar bleibende Riesin. Im ersten Akt ist es ein humorvolles Verwirrspiel, im zweiten wird es durch die Taten der Riesin dramatisch ernst und zum Teil tödlich.

Es ist eine historische Tatsache, dass Anfang des 19. Jahrhunderts die Wiener Zensurbehörde Grimms Märchen mit der Begründung, sie seien zu abergläubisch, auf den Index der verbotenen Bücher setzte. Aber auch im vorigen Jahrhundert ließen Pädagogen in den wilden 68er-Jahren kein gutes Haar an den überlieferten Märchensammlungen. Sie würden zur Flucht aus der Realität führen. „Im Reich der Brüder Grimm entdeckte die Märchenkritik autoritäre Familienbilder, frauenfeindliche Rollenzwänge und gefährliche Gehorsamsrituale“, führt Christian Feldmann in seinem im Programmheft veröffentlichten Beitrag „Märchen entwirren“ an. In der Zwischenzeit sind Märchen wieder „salonfähig“ geworden. So begründet der angesehene amerikanische Kinderpsychologe Bruno Bettelheim seine These „Kinder brauchen Märchen“ – denn Märchen enthalten das Menschheitserbe an Fantasie. Ein Zitat Bettelheims dazu: „Um den Wechselfällen des Lebens nicht hilflos ausgeliefert zu sein, muss man seine inneren Kraftquellen erschließen, sodass Gefühle, Fantasie und Intellekt einander unterstützen und bereichern.“

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Der Bäcker (Rob Pelzer) mit dem Rotkäppchen (Ariana Schirasi-Fard) im Wald (Foto: Barbara Pálffy)

Fantasievoll fiel auch die Inszenierung von Matthias Davids aus, die sehr komödiantisch und einfallsreich choreographiert (Simon Eichenberger) ausfiel. Die drei Häuser auf der Bühne waren offene Streichholzschachteln und der Wald bestand aus großen Streichhölzern (Bühne und Video: Mathias Fischer-Dieskau). „Märchenhaft“ farbenprächtig waren die Kostüme von Judith Peter, für das Lichtdesign sorgte Michael Grundner.

Das gesamte Sängerensemble agierte mit enormer Spielfreude und sehr humorvoll. Stimmlich hinterließen die deutsche Sopranistin Kristin Hölck als wandlungsfähige Hexe (von betont hässlich bis super elegant) und die deutsch-dänische Sopranistin Anaïs Lueken in der Rolle des Aschenputtels sowie der holländische Tenor Rob Pelzer als Bäcker den stärksten Eindruck.  Sehr komödiantisch und kabarettreif spielten die beiden deutschen Musical-Darsteller Alen Hodzovic und Riccardo Greco die Rolle der beiden Prinzen. 

Köstlich agierte Konstantin Zander, der in Wien am Konservatorium studierte, mit seiner weißen Kuh – unter der Herrschaft seiner Mutter, die von Cheryl Lichter ebenfalls mit viel Humor ausgestattet wurde. Ein wenig zu dick trug Ariana Schirasi-Fard, die gebürtige Wienerin mit persischen Wurzeln, als Rotkäppchen auf, wodurch ihre Stimme immer wieder zu schrill klang. 

Zur guten Ensembleleistung – alle Darsteller waren bei ihrem Sprechgesang sehr wortdeutlich – trugen auch bei: Daniela Dett als Frau des Bäckers, Katrin Paasch als Rapunzel, Kristina da Costa als Aschenputtels Stiefmutter, Cindy Walter und Tina Schöltzke als Aschenputtels quirlig-böse Stiefschwestern sowie Günter Rainer in der Doppelrolle als Erzähler und Geheimnisvoller Mann.

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Die Hexe (Kristin Hölck) und Rapunzel (Katrin Paasch) Foto: Barbara Pálffy

Für die musikalische Qualität im Musiktheater Linz garantierte wie stets das Bruckner-Orchester Linz, das unter der Leitung des jungen amerikanischen Dirigenten Daniel Spaw die schmissige, hin und wieder auch ins Ohr gehende Partitur von Sondheim exzellent wiedergab. Wohltuend, dass die Lautstärke der Musik nie ausuferte, wie es bei Musicals leider immer wieder vorkommt

Das Publikum, das sich vor allem im ersten Teil bestens unterhielt und auch mit Lachsalven reagierte, zollte allen Mitwirkenden am Schluss reichlich Beifall.

Udo Pacolt

 

 

 

 

 

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