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LINZ/ Landestheater im Musiktheater: SINGIN' IN THE RAIN. Premiere

04.10.2015 | Allgemein, Operette/Musical

Premiere des Landestheaters Linz im Musiktheater am 3. Oktober 2015

Singin‘ In the Rain

Musical von Betty Comden und Adolph Green (Drehbuch und Adaption für die Bühne), Arthur Freed (Gesangstexte) und Nacio Herb Brown (Musik), Deutsch von Roman Hinze

Dialoge in deutscher Sprache, Songs in englischer Sprache mit Übertiteln

Koproduktion mit dem Staatstheater Nürnberg

SiR 01 Zander, Lueken, Ensemble
Konstantin Zander, Anaïs Lueken und Ensemble. Foto: Reinhard Winkler/Landestheater Linz

Der Titelsong erschien erstmals in einem teils in Farbe gedrehten Filmmusical, nämlich „Hollywood Revue of 1929“, im Finale gesungen von einem riesigen, prominent besetzten Chor (darunter Joan Crawford und Buster Keaton – letzterer singt natürlich als einziger nicht), gekleidet in gelbes Ölzeug. Um diesen klassischen Hit wurde Anfang der 50er dann von Stanley Donen und Gene Kelly der berühmte Film über den Umbruch vom Stumm- zum Tonfilm gedreht; die deutsche Synchronisierung wurde übrigens von Erik Ode (der auch eine Musikfilm- und Operettenvergangenheit hatte!) geleitet, und dieser sprach und sang auch Don Lockwood, also die Rolle von Kelly.

Synchronisation ist ja auch ein zentrales Motiv der Geschichte, in der es um ein Stummfilm-Glamourpaar geht (Don Lockwood und Lina Lamont), das bei Anbruch der Tonfilmära in Schwierigkeiten gerät, da Lina eine schauderhafte Piepsstimme hat. Es findet aber sich eine junge Schauspielerin namens Kathy Selden, welche Lina im Hintergrund ihre Stimme leiht. Die Idee für diesen Trick kommt von Dons Jugendfreund und Karrierepartner Cosmo Brown. Gewürzt ist das Ganze mit Mißverständnissen, Eifersucht und großen Showszenen.

Der Film, der mangels brauchbarer Übersetzung des Originaltitels nach einem anderen enthaltenen Hit der frühen 30er bei uns „Du sollst mein Glücksstern sein“ hieß, zeigte große Steptanz-Szenen, nicht nur der Hauptdarsteller, sondern auch des großen Chorus. Das nachzuschaffen ist sicherlich eine gewaltige Herausforderung, denn die alten Meister des tap dancing hatten, bevor sie am Broadway oder in einem Hollywood-Film auftraten, viele Jahre, oft irgendwo auf den Straßen von New York, auf die harte Tour gelernt. Das läßt sich auch mit noch so gutem Coaching nicht in ein paar Monaten herbeizaubern – oder doch?

In Nürnberg hat diese Produktion schon 25 ausverkaufte Vorstellungen hinter sich, und der Chorus wurde zum Teil auch für die Linzer Serie übernommen; die Hauptrollen wurden aber zum größten Teil aus dem hiesigen Ensemble besetzt.

Handlung und Text halten sich weitestgehend an den Film (sogar auch in Hinblick auf die alte deutsche Synchronisation der gesprochenen Szenen), jedoch sind zwei Songs mehr als im Film zu erleben: einer früh im Stück, als Don Lockwood auf Kathy Selden trifft (um deren gemeinsame Autofahrt zu ersetzen), einer knapp vor dem Finale, in dem Lina Lamont tragikomisch ihre vergebliche Liebe für Don besingt.

Melissa King schafft mit ihrer Inszenierung und Choreografie ein klassisches Tanzmusical mit dichten und spannenden Abläufen; nur das „kleine Finale“, in dem sich die Sache mit der synchronisierten Stimme auflöst, hängt dramatisch etwas durch, was aber durch die turbulenten Schlußszenen, in denen noch einmal mit großem Ensemble geklotzt wird, schnell in Vergessenheit gerät. Aber auch an witzigen Einfällen abseits der bekannten gags aus dem Film (z. B. die Helfershelfer von Petrus bei Dons Solo im Regen) ist kein Mangel (Dramaturgie Arne Beeker).

Die Bühne (Knut Hetzer) arbeitet mit wohlüberlegten Versatzstücken (u. a. 5 stets aufs Neue verschobene Palmen), die uns schnell die Vorstellung von z. B. Grauman‘s Chinese Theater, einer Party am Strand von Long Beach oder das Büro des Studiochefs deutlich machen; das Ganze unter genauer Beachtung der Stilistik des Art dèco. Aber auch technische Details wie die dramaturgisch nötigen Mikrophone stimmen eindeutig für die Ära. Besonders aber die Kostüme von Judith Peter kommen sozusagen direkt aus dem Katalog von Sears und Roebuck für 1929, sind perfekte Roaring Twenties – und wo nötig, wird auch mit viel Glitz & Glamour, Pailletten und Glasperlen gearbeitet. Prachtvoll!

Das Lichtdesign von Michael Grundner schafft überzeugende Stimmungen.
Es gibt auch, entsprechend dem Original, viele Filmzuspielungen im Mantel- und Degen-Stil; und die wurden für „unsere“ Variante mit den Linzer Darstellern von Lina und Don in passenden Gebäuden wie dem Landhaus gedreht; sie sind um einiges länger als im Film von 1952, natürlich in etwas flackerigem Schwarz-Weiß und höchst witzig und kurzweilig inszeniert von Boris Brinkmann.

The Tony Bruckner Orchestra
The Tony Bruckner Orchestra. Foto: Helmut Huber

Marc Reibel läßt als Dirigent ein stark verkleinertes, mikrofonverstärktes Bruckner Orchester ordentlich swingen (oder nach Bedarf auch schmachten), das in etwa eine Besetzung wie die Bands von Tommy Dorsey oder Harry James um 1944 herum aufweist: also in Blech und Reeds eine klassische big band, Rhythmusgruppe, aber dazu noch große Streicherbesetzung von etwa 20 Stück von Violine bis Violoncello. Außerdem braucht man noch etliche Marimbas etc. Musikalisch ist das Ergebnis mindestens untadelig, Reibel schafft beste Koordination zwischen Graben und Bühne. Klanglich ist allerdings manches undeutlich, was eventuell daran liegen könnte, daß man in vorderen Reihen (wo auch wir sitzen) eine Mischung aus Direktschall und Lautsprecherklang abbekommt, was das Gesamtbild etwas eintrübt. Sängerinnen und Sänger waren nämlich über die selbe Anlage erstklassig zu hören und wohldefiniert.

Konstantin Zander ist Don Lockwood mit schönem Bariton und beachtlichen Fähigkeiten im Steptanz – auch wenn die erst in den letzten ein bis zwei Jahren erworben wurden. Seine teils akrobatischen pas de deux mit Cosmo kommen so gut wie perfekt synchronisiert, und sein Solo im Regen (und da wird es WIRKLICH ziemlich nass auf der Bühne!) ist ein echter Höhepunkt des Abends. Kathy Selden wird von Anaïs Lueken (neu im Ensemble) mit kultivierter Stimme und feinem, differenzierten Spiel gegeben.

SiR 03 Ducloux
Philippe Ducloux. Foto: Reinhard Winkler/ Linzer Landestheater

Der Cosmo Brown von Philippe Ducloux ist einfach hervorragend – nicht nur, daß Ducloux ein vorzüglicher Komiker ist: er legt solo oder im Duett mit Hr. Zander perfekten Steptanz hin, steht im „Make them Laugh“ dem legendär akrobatischen Auftritt von Donald O’Connor im Film kaum nach (ohne außer Atem zu kommen) und singen kann er auch noch! Die große „Broadway Melody“ Szene zur Mitte des 2. Aktes wird hier von Cosmo, nicht Don, dargeboten, und natürlich macht auch das Herr Ducloux perfekt.

SiR 02 Dett, Ensemble
Daniela Dett und Ensemble. Foto: Reinhard Winkler/Linzer Landestheater

Daniela Dett unterzieht sich als Lina Lamont einer wahren tour de force: nicht nur, daß die ihre Stimme auf eine sicherlich reichlich ungesunde Art und Weise verquäken muß (und dazu so auch einmal ein mehrstrophiges Lied zu singen hat), überzeugt sie (erneut) als Komikerin, die aber auch einige ziemlich verblüffende akrobatische Einlagen scheints mühelos bewältigt. Man ist förmlich erleichtert für sie, als sie sich bei der Premierenfeier mit ihrer normalen Stimme meldet.
Der emotionell wie in seinen Meinungen und Entschlüssen ziemlich labile Roscoe Dexter, Regisseur, wird von Peter-Andreas Landerl perfekt verkörpert. Auch der moralelastische R. F. Simpson, Produzent, ist bei Rob Pelzer in den richtigen Händen.

SiR 04 Grecco, Ensemble
Riccardo Greco und Ensemble. Foto: Reinhard Winkler/Landestheater Linz

„Beautiful Girl“-Tenor und Dinsmore, Sprechlehrer: Riccardo Greco, der nicht nur einen sehr sauberen Tenor präsentiert, sondern auch verblüffende Fähigkeiten mit Zungenbrechern.
Dora Bailey / Zelda / Ensemble:  Ariana Schirasi-Fard, die als Dora eine feine Hedda-Hopper- oder Elsa Maxwell- Parodie hinlegt.

Das Ensemble (Julia Fölck, Katharina Strohmayer, Gina Marie Hudson, Nicky Milford, Bettina Schurek, Sabrina Stein, Samantha Turton, Marion Zollinger, Fredrik Andersson, Kevin Arand, Jurriaan Bles, Cedric Lee Bradley, Luke Giacomin, Robert Johansson, Philip Ranson) glänzt mit perfekt synchronisiertem Tanz und stilgerechtem Gesang.

Als Publikum im Grauman’s an der Bühnenbrüstung: Karin Behne, Naomi Miyoshi, Olga Anna Szabó, Bonifacio Galván, Jonathan Whiteley, Marius Mocan (letzterer auch in kleiner Solorolle).
Einge Herren von der Statisterie bewiesen zielsicheren Umgang mit … Wanderpalmen und dazu Schwindelfreiheit.

Last, not least zeigten Leon Mühleder und Lucas Rettensteiner als kindliche Ausgaben von Don und Cosmo höchst beachtliche Leistungen.

Langer, lautstarker Applaus, keine Buhrufe.

H & P Huber

 

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