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LINZ: DIE FLEDERMAUS. Premiere

15.12.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

LINZ/ Neues Musiktheater. Premiere am 14. Dezember 2013: DIE FLEDERMAUS

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Die Ballgesellschaft mit dem Prinzen Orlofsky (Katherina Hebelkova)  im 2. Akt. Foto: Linzer Musiktheater

Operette von Richard Genéeund Karl Haffner nach den Komödie Le Réveillon von Henri Meilhac und Ludovic Halévy(sowie Das Gefängnis des Leipzigers Roderich Benedix) Musik von Johann Strauß jr.

Die „Goldene Wiener Operettenära“ verdankt dieses ihr Prunkstück einer kräftigen Entwicklungshilfe aus dem Geburtsland dieses Genres, denn die Autoren der Vorlage haben in ihrem Heimatland nicht nur das Buch für „Carmen“ geliefert, sondern auch für etliche Werke Offenbachs – und waren damit auch an der Ausformung einer musikalischen Komödie mit tagespolitischer und/oder gesellschaftskritischer Zielsetzung, die im Frankreich ab den 1840er-Jahren den schon länger existierenden Namen „Operette“ teilte und schließlich alleine besetzte, wesentlich beteiligt.

Leichtigkeit und Eleganz als Verbrämung oder Vehikel der oft durchaus bissigen Kritik (und unter Umständen zur Ablenkung der Zensur) waren Merkmale dieser „Proto-Operetten“, und der international hervorragend vernetzte Wiener Musikunternehmer Johann Strauß jr. war sicher genau der richtige Mann, um diese neue Form in Wien musikalisch heimisch zu machen. Leider schon bald verflachte aber der satirische Anspruch der österreichischen Linie des Genres.

„Réveillon“ bedeutet u. a. Silvesterfeier. Also eine Gelegenheit, bei der gerne Sekt oder Champagner konsumiert wird; Strauß hatte schon oft unter Beweis gestellt, daß er durchaus den Charakter dieses Getränks in Musik umzusetzen wußte. Die Uraufführung 1874 im Theater an der Wien war zwar noch von den Nachwirkungen eines größeren Börsenkraches überschattet, aber das Werk etablierte sich rasch, auch international, als beliebter Teil des Repertoires.

Marc Reibel als Dirigent öffnete an diesem Abend auch stimmungsmäßig die Champagnerflasche, und so tanzte das Bruckner Orchester förmlich durch die Partitur, wobei der Dirigent in Takt und Lautstärke auch perfekte Koordination zwischen Graben und Bühne schaffte.

Die Regisseuse Adriana Altaras, die im alten Landestheater schon Rossinis „Cenerentola“ (erfolgreich) und „La Vie Parisienne“ von Offenbach (nicht ganz so unumstritten) inszeniert hat, hatte nach anfänglichen Bedenken, ob sie als Nicht-Österreicherin den nötigen kulturellen Hintergrund für diese Aufgabe hätte, dann doch zugesagt. Nun, der „Blick von außen“ (eh nicht allzuweit…) schadet oft wirklich nicht! Im übrigen wurde am Stück nichts Grundlegendes geändert (Dramaturgie: Julia Zirkler); es wurde lediglich (um einiger Pointen willen) von Wien nach Linz verlegt. Die Zeit ist das Heute, das war aber auch schon in der Urversion so (gut, das macht jetzt die Ausstattung billiger… aber ändert nichts an den relevanten Handlungssträngen und Emotionen). Insgesamt ist der Ablauf flott und spannungsreich, wenn auch vereinzelt im ersten Akt einige Längen zutage treten.

Die Regie wurde durch das Bühnenbild von Christoph Schubiger unterstützt, der eine hoch aufragende, Sanduhr – förmige Treppenkonstruktion geschaffen hat – insbesondere im zweiten Akt eine passende Illustration des Textes mit der verrinnenden Zeit (wozu noch das einschlägige Zitat der Marschallin im  Rosenkavalier hineingeschwindelt wurde). Allerdings ist diese Dekoration auch für Chor und Protagonisten körperlich beachtlich herausfordernd. Die Eisenstein’sche Wohnung im ersten Akt wirkte, mit der unteren Hälfte der Treppe (der obere Teil war dann durch einen weißen Vorhang abgetrennt) als dominierendem Element doch reichlich reduziert, was auch für das Mobiliar (stilmäßig den 1980ern zuzuordnen) gilt. Die Kostüme (Yashi Tabassomi), grundsätzlich auch nahe dem Heute verortet, bieten aber im 2. Akt dem rauschenden wie rauschigen Fest adäquate Stil- und Schauwerte – auch,  wenn es einigen Personen in späteren, zügelloseren Phasen der Fete an die Wäsche geht…

Die Ouverture läßt die Regie großteils einfach Ouverture sein, mit der – dramaturgisch plausiblen – Ausnahme, dass die der gesamten Intrige zugrundeliegende Gemeinheit Eisensteins an Dr. Falke kurz szenisch dargestellt wird; damit allerdings wird der bemerkenswerte Effekt erzielt, dass die Ouverture (schenkt man dem Textkommentar Glauben) drei Jahre dauert, was aber sicher nicht an Herrn Reibels Dirigat und dem Orchester liegt – alles bleibt flott, perlend und spannungsvoll (einen Vergleich etwa mit der Interpretation von Carlos Kleiber beim Neujahrskonzert 1989 muss man auch anderswo nicht zwangsläufig ziehen).

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Horst Lamnek (Frank) und der grandiose Reinhold G. Moritz im 3. Akt. Foto: Linzer Musiktheater

Gabriel von Eisenstein wird von Matthäus Schmidlechner mit seinem hellen Timbre musikalisch und darstellerisch (mit einem umfassenden Register an Emotionen) überzeugend bis perfekt auf die Bühne gebracht, Sonja Gornik als seine Rosalinde glänzt mit großem dramatischen Sopran und nicht minder großen komödiantischen bis burlesken Fähigkeiten. GefängnisdirektorFrank wird von Horst Lamnek mit erstklassiger Stimme und großem darstellerischen Einsatz gegeben. Der Prinz Orlofsky liegt Katerina Hebelkova nicht ganz so gut: ihre wunderbaren tieferen Register kann sie in der Mezzosopran-Rolle nicht nutzen, die Höhen schafft sie zwar präzise, aber doch nicht mit dem nötigen Glanz; ihre Darstellung (Körpersprache! Bewegungsmuster!) eines androgynen Wesens ist hingegen sehenswert und erinnert durchaus an klinisch-berufliche Eindrücke von Transgender-Personen „in der Mitte des Weges“. Der Prinz hält sich einen wie heute üblich verkabelten bodyguard namens Iwan (halb zum Lachen, halb zum Fürchten: Boris Daskalov, eine fast stumme Rolle). Alfred wird von Iurie Ciobanu (nach kleinen Anlaufschwierigkeiten zu Beginn des ersten Aktes) stimmlich vorzüglich und komödiantisch überzeugend gegeben.

Der auf lange und sorgfältig gereifte Rache sinnende Dr. Falke findet in Victor Sicard einen hervorragenden Darsteller, der nicht nur über einen beweglichen, schönen Bariton verfügt, sondern die innerlich weiter kochende Wut über den Tort, den ihm seinerzeit sein „liiiieber Freund“ Gabriel angetan hat, immer wieder – sorgfältig kontrolliert, meist mit in doppeltem Sinne gut gespielter Heiterkeit überdeckt – aufblitzen läßt. Elisabeth Breuer ist eine entzückende Adele, vom ungekünstelten Dialekt (nun gut, sie stammt aus dem steirischen Ennstal) über ein weites Darstellungsspektrum (leicht trampelig/berechnend/aufgeregt/charmant) bis zu ihren blitzsauberen, strahlenden Koloraturen. Ida, ihre Schwester ist bei Martina Fender ebenso gut untergebracht. Hans-Günther Müller glänzt als patscherter Advokat Dr. Blind mit glaubwürdig zwanghaftem Stottern. Man muß an dieser Stelle auch anmerken, dass sämtliche Duette wie größeren Ensembles sängerisch wie darstellerisch hervorragend funktionieren!

Der Frosch, diese „Konifere der österreichischen Justiz“, wird von Reinhold G. Moritz als herrlich verkommene Karikatur eines Justizwachebeamten, den es nach Linz verschlagen hat (da hier immerhin ein Hügel seinen Namen trägt), mit gewaltigem körperlichen Einsatz und perfektem Service der Pointen gegeben; sein Text beinhaltet einige der klassischen Schmähs des Originals, aber auch ganz wesentlich einen ebenso bissigen wie treffsicheren kabarettistischen Monolog über Aktuelles, von der Regierungsbildung mit der viele befremdenden Ressortverteilung bis zu sattsam bekannten Linzer Problemen mit Bankgeschäften; auch der (im Publikum anwesende) Landeshauptmann kommt nicht ohne Schrammen davon – gelungenes „Politikerderblecka“ bedarf nicht unbedingt eines Starkbieranstiches! Es tun auch einige Flascherln mit Bühnenwodka und ein grüner Sprüher mit einem zu der Rolle besonders genau passenden Reinigungsmittel… (Herr Moritz hat diesen aktualisierten Text zusammen mit seiner Alternativbesetzung Gernot Kranner verfaßt!).

Akrobatisch bewegliche Tänzer (als Personal in OrlofskysPöstlingberg-Villa): Lara Bonnel-Almonem, Anna Lis, Agata Moll, OlgaSwietlicka, Ewa Wilisowska,Luis Gonzaga HoyosEscobar, Gabriel Wanka (Choreographie: Agata Moll und Gabriel Wanka) wie der präzise Chor des Landestheaters Linz, Leitung: Georg Leopold, trugen ebenfalls zum Gelingen des Abends bei.

Der Applaus war mit knapp 10 Minuten für eine Premiere eher mager, wenn auch für die Protagonisten und Dirigent/Orchester von uneingeschränkter Begeisterung; das Produktionsteam kassierte allerdings einige Buhs. Die Stimmung des Publikums bei der anschließenden sehr gut besuchten Premierenfeier war aber auch wieder bestens.

 H & P Huber

 

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