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LEIPZIG: DIE FEEN

25.04.2014 | KRITIKEN, Oper

LEIPZIG / DIE FEEN am 25.4. 2014 (Werner Häußner)

 Wenn von Richard Wagners „Die Feen“ die Rede ist, wird die erste vollendete Oper des späteren Bayreuther „Meisters“ meist unter dem Steinbruch-Aspekt betrachtet: Entweder man weist dem 20-jährigen Jung-Komponisten nach, was er sich von Beethoven bis Marschner aus der Musik seiner Zeit abgeschaut hat. Oder man versucht, die Spuren des späteren Genies hier in einer tannhäuserischen, dort in einer lohengrinischen Wendung auszumachen. Und verbindet diese Suche nach Edelstein im Geröll meist mit geringschätzigen Anmerkungen – so, als könne man den sprachlichen Schwulst nicht auch noch im „Ring“, das vermeintlich „Dilettantische“ nicht auch noch im „Lohengrin“ entdecken, wenn man Wagner nur übel genug will.

Die Wiederaufnahme der „Feen“ in Wagners Geburtsstadt Leipzig, inszeniert 2013 zum Jubiläumsjahr, hat dagegen noch einmal deutlich gemacht, wie selbstverständlich Wagner die kompositorischen Mittel beherrscht, die ihm 1833 in seiner Umwelt entgegenkamen; wie sicher er mit der großen Form umzugehen versteht; wie erstaunlich weit er auch die philosophischen Grundfragen seines Werks vorangetrieben hatte. Ergebnisse, die vielleicht noch schlüssiger in den Inszenierungen in Würzburg und Kaiserslautern 2005 zu gewinnen gewesen wären – wenn das Großfeuilleton denn damals in die „Provinz“ gekommen wäre, um zu schauen.

Und während in der jüngsten Inszenierung der „Feen“ in Regensburg (Januar 2014) Uwe Schwarz in bemüht miteinander verklebten Bildern die Geschichte der unsterblichen Fee und des sterblichen Menschen mit dem Bayreuth Katharina Wagners zu verbinden suchte, aktualisiert in Leipzig das kanadisch-französischen Duo Renaud Doucet (Regie) und André Barbe (Bühne und Kostüme) eher im Sinne E.T.A. Hoffmanns. Das „Feenreich“ durchdringt den Alltag eines gutbürgerlichen Haushalts mit dem „Wunderbaren“, das sich im behutsam ironischen Ende in der „heilen Welt“ einer traulichen Zweisamkeit auf dem Sofa verflüchtigt. Das darf konzeptionell befragt werden, hat aber immerhin erheblichen Schauwert.

Die derzeitige Vorstellungsserie dirigiert Matthias Foremny ein gutes Stück sensibler und geschmeidiger als der allzu forsch zupackende Ulf Schirmer. Jetzt lassen die Musiker des Gewandhausorchesters die lichten Akkorde blühen, wird auch die manchmal noch arg triviale Schmissigkeit des enthusiastischen Jung-Komponisten behutsam gedämpft. Foremny hält auch das große Finale des zweiten Akts oder das wundervolle und schwere A-Capella-Ensemble im dritten („Allmächtiger…“) mit sicherem Griff zusammen.

Ein Wiedersehen gab es mit den Protagonisten der Premierenserie: Christiane Libor stellte sich wagemutig dem Kampf mit dramatisch geladenen Läufen, Spitzentönen, unangenehmen Passaggio-Momenten. Dem rücksichtslos geforderten Einsatz von Kraft begegnet sie mit einer gestählten Stütze und der unbeirrbaren Tonemission einer Dampfersirene: nicht immer schön, aber imponierend durchsetzungsfähig. Die beiden durchtriebenen Feen-Kolleginnen Zemina und Farzana sind bei Magdalena Hinterdobler und Jean Broekhuizen gut aufgehoben. In der herausfordernden Partie des Arindal kämpft Arnold Bezuyen ums (stimmliche) Überleben und quetscht seinem Tenor die Töne ab: im Zentrum kaum abgesichert, in der Höhe ratlos in Stütze und Position.

Eun Yee You zeigt wieder, dass sie für die Lora eine zu undramatische, in der Konzentration des Tons oft überforderte Stimme hat. Mathias Hausmann als Morald dagegen setzt einen klaren, geradlinigen Bariton ein. Paula Rummel und Milcho Borovinov liefern sich als Drolla und Gernot im zweiten Akt ein köstliches Rededuell, das an die komischen Szenen in Heinrich Marschners Opern erinnert und das sie feinstimmig zu interpretieren wissen. Ferdinand von Bothmer muss als Gunther viel szenische Präsenz zeigen, hat nur Weniges, dafür aber Heikles zu singen. Roland Schubert (Harald) und Tae Hee Kwon (Bote) sind in ihren wenigen Sätzen präsent. Sejong Chang gibt dem Zauberer Groma eine schön timbrierte, unverbildete Stimme. Der Chor Alessandro Zuppardos wirkt geschlossen und präzis.

Werner Häußner

 

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