Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

LATE BLOOMERS

15.10.2012 | FILM/TV

Ab 19. Oktober 2012 in den österreichischen Kinos
LATE BLOOMERS
3 fois 20 ans / Frankreich, GB / 2011
Regie: Julie Gavras
Mit: Isabella Rossellini, William Hurt, Doreen Mantle, Simon Callow u.a.

Demnächst kommt ein Film mit Clint Eastwood ins Kino, da wird er auf die Frage, was ihn quäle, antworten: „Old Age!“ Das Alter also. Vor einiger Zeit gründete eine Handvoll alter Herrschaften im Kino eine WG, damit man sich um einander kümmern konnte, während Michael Haneke in „Liebe“ die gnadenlose Version der Alters-Frage, nämlich die Sterbebegleitung wählte. Kurz, das Thema ist „in“, und alte Leute, deren Hirne noch funktionieren, bringen es auf die Leinwand. Oder auch jüngere, die das Problem in der Familie gesehen haben wie Regisseurin Julie Gavras (die Tochter des großen Costa-Gavras), die hier auch am Drehbuch mitschrieb.

Die „Late Bloomers“, an sich eine europäische Co-Produktion, sind allerdings wie eine „Hollywood light“-Version des Themas zu betrachten. Erstens ist „3 fois 20 ans“, wie der Originaltitel lautet (und dreimal 20 macht bekanntlich 60) in Zeiten wie diesen noch nicht soooo alt, und zweitens weicht dieser Film den echten Schmerzen wahrlich aus. Dafür funktioniert er auf der heiteren Ebene recht hübsch.

Nur manchmal wird das Thema griffig angeschrammt, und das nicht, wenn Isabella Rossellini als fraglos noch sehr attraktive Mary nach ein paar Gedächtnisproblemen plötzlich entsetzlich sentimental wird und im Badezimmer Haltegriffe anbringen lässt, damit man nicht ausrutscht (das ist übrigens in jedem Alter anzuempfehlen, denn auch junge Leute sind gegen Straucheln nicht gefeit). Weit eher, wenn ihr Gatte Adam, in Gestalt von William Hurt auch noch sehr gut aussehend, zwar für sein „Lebenswerk“ geehrt wird (was immer peinlich ist), aber in seinem Architekturbüro spürt, dass das Können und die Erfahrung der Alten doch nicht so hoch geschätzt werden, wie er es gerne hätte. Innovation traut ihm keiner mehr zu. Trotzdem will er die „Alter“-Frage nicht so laut und penetrant stellen wie seine Frau. Und immerhin tröstet ihn das Filmdrehbuch noch mit dem (auch sexuellen) Interesse einer attraktiven jungen Kollegin (Arta Dobroshi), die sich nicht aus Karrieregründen an ihn heranmacht, denn da hat er nichts mehr zu bieten. Und auch Mary sieht noch den begehrlichen Blick eines sehr sympathischen Herrn auf sich ruhen (er ist ihr Schwimmlehrer, denn Schwimmen ist gut gegen Altwerden). Noch ist Polen nicht verloren, und weit will der Film, wie gesagt, hier auch nicht gehen.

Am sympathischsten mutet eine Figur wie Marys Mutter an (hinreißend kratzbürstig: Doreen Mantle), die in ihren Achtzigern und mehr nun wirklich alt ist, aber jegliche Sentimentalitäten zum Thema wegwischt und vor allem, vorbildlich, ihre Mitwelt nicht damit belastet: Dass sie lange eine Krebserkrankung bekämpfte, erfährt ihre Tochter (die das wohl zu schwer getragen hätte) erst kurz vor Mamas Tod. Wenn Mary und Adam dann beim Begräbnis von ihren Enkeln am Friedhof unschuldsvoll gefragt werden, ob die beiden wohl auch einmal da liegen werden… das ist as far as it gets, um die echten Schmerzen der Sterblichkeit anzudeuten.

Amüsant immerhin ein Thema am Rande: Das Paar hat drei Kinder, die sich freundlicherweise um die Eltern Sorgen machen: einen verschlossen-humorlosen Geschäftsmann (Aidan McArdle), eine liebevolle, überbesorgte Tochter (Kate Ashfield) und einen Jüngling, der noch nicht weiß, was er will (Luke Treadaway). Wenn diese sich nun in die einschlägige Ratgeber-Literatur vergraben, um sich Anweisungen zu holen, wie man mit seinen alternden Eltern umgeht – da ist die Komödie legitim.

Und auch, wenn Mary merkt, wie sinnlos blöde die „Charity“-Aktivitäten sind, die ältere Damen auf sich nehmen, um ihre Existenz noch für sinnvoll zu erklären. Ebenso ist Simon Callow als der Boss von Adam auf der satirisch-humorvollen Seite, wenn er nebenbei von all seinen „Ersatzteilen“ erzählt, die er mit sich schleppt…

Immerhin, ein Denkanstoß erreicht den Kinobesucher jedenfalls: Wenn man nicht jung stirbt, ist das Alter unvermeidlich. Und die Frage ist einzig und allein, wie man damit umgeht. Wobei es um die 60 ja noch nicht wirklich schlimm ist. Erst danach kommt unvermeidbar Haneke.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken