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KREUZWEG

20.05.2014 | FILM/TV

FilmPlakat Kreuzweg~1

Ab 22. Mai 2014 in den österreichischen Kinos
KREUZWEG
Deutschland / 2014
Drehbuch und Regie: Dietrich Brüggemann
Mit: Lea van Acken, Franziska Weisz, Hanns Zischler u.a.

Fundamentalismus. Das wahre Leben erzählt uns gerade von österreichischen Teenagern, die nach Syrien gingen, um für den Dschihad zu kämpfen. Regisseur Dietrich Brüggemann erzählt von Katholiken, die ihren Glauben so gänzlich über ihr Leben herrschen lassen, dass nur der eigene Tod die Konsequenz sein kann. Eine durch und durch schreckliche Geschichte, in 14 Stationen (und möglichst jeweils in einer Kamera-Einstellung) erzählt, die zwar nicht wirklich mit den Kreuzweg-Stationen parallel gehen, aber ebenso unabwendbar zum letalen Ende führen…

Lapidar und wie selbstverständlich steht sie da, diese Familie, die sich zu der strengsten Sekte der „Paulusbrüder“ (fiktiv, die „Piusbrüder“ sind gemeint) bekennt. Es ist zwar die Geschichte der 14jährigen Maria (die blasse, vergeistigte, um Berufung und Ablösung vom Leben berührend kämpfende Lea van Acken), aber von Anfang an ist klar, dass die Mutter die treibende Kraft hinter allem ist: eine große Rolle für Franziska Weisz, die nur mühselig die Tünche der Normalität über ihrem brennenden Fanatismus aufrecht hält. Sie ist die Inkarnation des überheblichen „Besser-Sein“, das geradewegs in die Unmenschlichkeit führt.

Es ist nicht so leicht, Maria gänzlich von der Welt abzuschotten (wenn man sie nicht ins Kloster steckt), schließlich geht das Mädchen in die Schule und ist als Teenager den „Versuchungen“ der Normalität ausgesetzt – da ist der sympathische Mitschüler Christian (Moritz Knapp), der sie anspricht und einlädt, doch in seine Chorgruppe zu kommen, wo allerdings gelegentlich auch Jazz gesungen wird… Von Szene zu Szene schreitet die Isolation von Maria fort, von der Mutter abgehalten, am Leben teilzunehmen, sich selbst ablösend, weil der Priester (Florian Stetter) in seinen flammend-leidenschaftlichen Reden über Sünde und die Hingabe an Gott ja höchst überzeugend ist. Wenn er von „Gotteskriegern“ spricht, klingt das wie ein Geschenk an die Auserwählten…

Es gibt in der Familie in Gestalt des französischen Au Pair-Mädchens Bernadette (die zutiefst menschliche, sympathische Lucie Aron) zwar ein Gegengewicht, das sich allerdings nicht durchsetzen kann – eisern schreitet die Handlung fort, jede Station (die meisten nur einige konzentrierte Minuten lang) weitere Schritte zum letalen Ende.

Als Maria selbst gewählt stirbt, im Krankenhaus verhungert, kann die Mutter beim Aussuchen des Sarges eine gewisse Befriedigung über dieses heiligmäßige Ende nicht verbergen. Station 14, die Grablegung, hat nichts Glorreiches an sich – einsam am Friedhof wird Erde auf den Sarg geschaufelt. Christian kommt vorbei – und geht wieder… Die Kamera erhebt sich in die Lüfte. Was bedeutet der „Himmel“? fragt man sich.

Die Frage, ob das ein anti-katholischer Film ist, stellt sich natürlich. Andererseits handelt es sich um einen Auswuchs, wie man ihn in absolut jeder Ideologie (wenn man Religion als solche nimmt) findet. Wenn der Regisseur (der gemeinsam mit seiner co-schreibenden Schwester bei der Berlinale den Silbernen Bären für das beste Drehbuch erhielt) meinte: „Ich wollte mit diesem Film dem System Katholizismus bei der Arbeit zusehen“, klingt es natürlich gewollt negativ, er fügte allerdings (in einem „Spiegel“-Gespräch) hinzu: „Aber man kann seine Kinder auch mit Sozialismus fürs Leben schädigen.“

Also geht es wohl doch um Grundlegendes. Um die Schnittstelle, wo der Mensch sich seiner Freiheit begibt und sein Leben in die Hände anderer legt. Das geht nie gut. „Kreuzweg“ zeigt es als streng strukturiertes, gnadenlos ausgestelltes Beispiel.

Renate Wagner

 

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