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KREFELD: RIENZI ein Kraftakt besonderer Art. Premiere

10.03.2013 | KRITIKEN, Oper

Krefeld: RIENZI am 09.03.2013

Wenn ein Theater mit den limitierten Mitteln des Krefelder Hauses sich an eine Produktion von Wagners RIENZI heranwagt, ist das ein Kraftakt besonderer Art. Reizvoll war das Projekt allein schon deshalb, weil es dieses Jahr im deutschsprachigen Raum keine weitere neue szenische Umsetzung des Werkes gibt. In Bamberg und München wird es konzertant aufgeführt.

Glücklicherweise setzen Regisseur Matthias Oldag und Bühnenbildner Thomas Gruber dem Publikum nicht schon wieder einen Aufguß aus der Zeit des Großdeutschen Reiches vor, wobei sich überhaupt die Frage stellt, wieso ein musikalisch grandioses Werk von 1842 ständig mit einer historischen Vergangenheit von vor nur achtzig Jahren assoziiert wird, nur weil die Ouvertüre bei den Nürnberger Reichsparteitagen gespielt wurde. Dafür sind weder Wagner noch das Werk verantwortlich. Hörenswert ist es auf jeden Fall, wobei das Regie-Team allerdings das Seine dazu beitrug, die Musik unnötig in den Hintergrund treten zu lassen. Eine völlig überfrachtete Szenerie, in der der Interpretation des Rezensenten nach ein amerikanisches Wahlkampfszenario in Analogie zu Obamas sensationellem Aufstieg dargestellt wird, wobei die wahren Strippenzieher die Oligarchen der Großbanken und Großindustrie sind. Das mag noch einigermaßen mit dem Kampf der Nobili gegen den selbsternannten Volkstribun korrespondieren. Dass allerdings in epischer Breite filmische Jubelszenen und vor allem Kriegssequenzen aus Vietnam- und Irakkrieg eingeblendet werden, hat beim besten Willen mit Glanz und Elend Roms nichts zu tun. Es verwirrt vielmehr ein nur bedingt sachkundiges Publikum und verstellt den Blick auf die zweite wesentliche Komponente, die innere Zerrissenheit und den durch ungeschicktes Taktieren herbeigeführten Absturz des Rienzi.

Umso bemerkenswerter ist, daß die Produktion an dem von Rezensenten besuchten Premierenabend ein grandioser Erfolg war, der Assoziationen an den Siegeslauf des Werkes vor 170 Jahren weckt. Sicherlich lag das aber ungeachtet der musikalischen Verdienste der Mitwirkenden auch an einer prägnanten Personenführung Oldags, jedenfalls überall dort, wo diese nicht durch billige Showeffekte überlagert wurde. Auch eine gewisse Farbenpracht trug zum Gelingen bei, so das dominierende Gelb des Wahlvolkes und das charakteristische Rot für die Feuersbrunst.

Musikalisch lag die Aufführung in Händen des jungen estnischen GMD Mihkel Kütson, in Deutschland gut aus seiner Zeit in Hannover bekannt. Es bedarf keines besonderen Mutes, ihm eine steile Karriere vorherzusagen. Was er aus den Möglichkeiten des Krefelder Hauses machte, war aller Ehren wert. Immerhin muß man sich verdeutlichen, daß die Theaterehe Krefeld/ Mönchengladbach nur über B-Orchester verfügt. So kämpfte das Orchester in der Ouvertüre mehr gegen als mit der Partitur. Unsauberkeiten in allen Instrumentengruppen zogen sich wie ein roter Faden durch die Ouvertüre. Umso bemerkenswerter war, dass die Niederrheinischen Sinfoniker in den Zwischenspielen zu einer exzellenten Form aufliefen. Der eigentliche Trumpf des Abends waren jedoch die Vereinigten Chöre und Extrachöre der Theater Krefeld und Mönchengladbach, einstudiert von der erst 29jährigen Chordirektorin Maria Benyumova, welche auch in einer kleinen Nebenrolle auf der Bühne in Erscheinung trat. Jedenfalls war an der Besetzung der Chöre in keiner Weise gespart worden. Sie füllten nicht nur personell die Bühne, sondern verströmten eine klangliche Wucht, an der Wagner noch heute in Begeisterung ausgebrochen wäre.

Das Sängerensemble war ähnlich jugendlich besetzt wie Dirigent und Chordirektorin. Der Altersschnitt dürfte bei deutlich unter vierzig Jahren gelegen haben. Die Titelrolle hatte Carsten Süss inne, dessen offizielles Repertoire erstaunlicherweise Partien wie Tamino und Nemorino neben Bacchus und Rienzi ausweist. Tatsächlich besitzt er einen kraftvollen Tenor, der mir eher ins Helden- als ins lyrische Fach zu tendieren scheint. Er wurde leider von der Regie stark benachteiligt, hatte schwierigste Passagen auf der Hinterbühne zu singen, musste ohne Rücksicht auf gesangliche Anforderungen darstellerischen körperlichen Einsatz zeigen und überzeugte dennoch. Wagner hat dem Rienzi eine unangenehme Tessitura mit im Forte anzusingenden Höhen zugeschrieben. Dem Rezensenten scheint, dass der junge Sänger ohne weiteres als Siegmund oder Parsifal eingesetzt werden könnte und dass ihm die tiefe Lage dieser Partien entgegenkommen würde.

Adriano war Eva Maria Günschmann, die einen ausgeglichenen und flexiblen Mezzosopran besitzt. Sie hat ein schönes Timbre. Darstellerisch ist sie mit ihrer attraktiven schlanken Erscheinung ohnehin ein Gewinn. Anne Preuß war als Irene demgegenüber fast ein Ausfall. Im Finale entwickelte die überlastete Stimme unangenehme Schärfen. Zudem ist sie darstellerisch mit ihren wenig eleganten Bewegungsabläufen nicht gerade ein Naturtalent. Fast hatte man zudem den Eindruck, daß die Kostümbildnerin Henrike Bromber ihr nicht allzu wohl gesonnen war und in allen Akten wechselnde Kostüme ausgewählt hatte, die gerade für diese Sängerin nicht unvorteilhafter hätten sein können. Im gewissen Sinne gilt das aber auch für Süss, der im letzten Akt im Nachthemd auftreten mußte, wobei man rätseln durfte, ob das die Anstaltskleidung aus einem psychiatrischen Krankenhaus oder ein Büßerhemd sein sollte. Bei aller sicherlich gewollten Symbolik konnte einem der in dieser Erscheinung lächerlich gemachte Protagonist leid tun.

Überraschend waren auch sämtliche Sekundärpartien gut besetzt, so der Colonna mit Hayk Dèinyan, der Orsini mit Andrew Nolen, der Baroncelli mit dem Veteranen Walter Planté, der Cecco mit Thomas Peter und – besonders hervorzuheben – der Orvieto mit Matthias Wippich, einem jungen Sänger mit einer bemerkenswerten vokalen Potenz, jedenfalls soweit man das in dieser kleinen Partie beurteilen konnte.

Klaus Ulrich Groth

 

 

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