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KÖLN/ Staatenhaus/ Saal II: LA BOHÈME. Premiere

23.11.2015 | Oper

KÖLN: „LA BOHÈME“ (Premiere am 22.11.2015)


Jeongki Cho, Jaqueline Wagner. Foto: Paul Leclaire

 Eigentlich war die neue Produktion der „LA BOHÈME“ für das wieder eröffnete Kölner Opernhaus vorgesehen. Bekanntlich kam es nicht dazu. Sie mußte deshalb im Saal II des Staatenhauses gespielt werden. Das war nun allerdings ein ganz erheblicher Fortschritt gegen­über der eine Woche zuvor in Saal I aufgenommenen Neuinszenierung von „BENVENUTO CELLINI“. Offensichtlich hat man technisches Instrumentarium und Bestuhlung aus der vor­jährigen Behelfsspielstädte Palladium in Saal II des Staatenhauses übernommen. Jedenfalls gibt es hier einen Orchestergraben und eine Bühne. Auch die Akustik ist passabel. Unter die­sen Bedingungen ist der Weg für große Oper frei.

Das erkannten offensichtlich auch Michael Hampe und sein Kostüm- und Bühnenbildner German Droghetti. Beide brachten eine der denkbar schönsten Bohème-Produktionen auf die Bühne, die es zur Zeit gibt. Der erste Akt zeigt als Bühnenhintergrund den Blick auf Sacre Coeur und die Dächer von Paris. Wer wie der Rezensent im Quartier Montmartre gewohnt hat kennt diese Aussicht, sicherlich aber auch mancher Opernfreund, der Paris als Tourist besucht hat. Das ist ein unnachahmlicher Blick, den Hampe und Droghetti zudem dadurch zu verfei­nern wußten, daß sie es im ersten Akt Nacht werden ließen mit der üblichen Lichterpracht des am Fuße des Quartier Montmartre liegenden Paris. Im letzten Akt lassen sie das Tagelicht mit den Kräften der Mimì zunehmend schwinden, bis diese schließlich ihrem Leiden erliegt.


Jeongki Cho, Jaqueline Wagner. Foto: Paul Leclaire

Grandios ist auch das zweite Bild vor dem Café Momus gelungen. Was Hampe hier an Perso­nenvielfalt auf die gar nicht große Bühne gebracht hat und wie er jedes Detail liebevoll ausge­staltet, ist angesichts der Fülle von Einzelheiten gar nicht zu beschreiben. Lediglich das dritte Bild im etwas dunstigen Schneetreiben läßt eine ähnliche Bildervielfalt vermissen. Das ist aber dramaturgisch durchaus so gewollt. Auch im Detail ist die Personenführung Hampes aus­gefeilt. Dabei richtet er seine Aufmerksamkeit selbst auf weniger bedeutsame Szenen. Bei­spiel: Als Benoit seine Miete eintreiben will und klopft („Una parola“), räumen die Bohè­miens schnell alles weg, was seine Begehrlichkeit wecken könnte und lassen ihn erst dann endlich herein.

Insgesamt bleibt festzustellen, daß diese Bohème genau das ist, was das Publikum von einem der Nestoren der Kölner Oper erwartet (Hampe war von 1975 bis 1995 in der sogenannten „Ära Hampe“ Generalintendant des Hauses und holte auch Domingo und Carreras). Was der mittlerweile 80jährige für die Kölner Oper geleistet hat, hat ihm sein Publikum bis heute nicht vergessen.

Am Pult stand mit Francesco Angelico ein junger italienischer Dirigent von offensichtlich nicht einmal dreißig Jahren. Das hinderte ihn indes nicht, das Gürzenich-Orchester zu unge­ahnter Italianità zu beflügeln. Lediglich in dritten Akt deckte er die Stimmen ein wenig zu. Umso bewundernswerter war seine subtile Sängerbegleitung in den zahlreichen intimen Mo­menten der Partitur. Andrew Ollivant war für den Chor der Oper Köln zuständig und be­wältigte mit seiner Truppe die Belastung der Doppelpremiere vorbildlich. Auch wenn der Chor nur im zweiten Bild einen großen Auftritt hat, sollte man nicht verkennen, daß er noch am Abend zuvor in der dritten Aufführung des „BENVENUTTO CELLINI“ geradezu eine leistungssportliche Aufgabe hatte absolvieren müssen. Wie die älteren Mitglieder des Chors dies verkraften, ist mir rätselhaft.

Das Ensemble war exquisit. Allen voran zu nennen ist der koreanische Tenor Jeongki Cho. Man hat sich mittlerweile daran gewöhnt, daß koreanische Bassbaritone bzw. Bässe wie A. Jun, K. Jun und S. Youn die Bühnen weltweit erobert haben. Koreanische Tenöre sind hinge­gen selten. Im Fall von Cho ist festzustellen, daß er aus bester italienischer Schule kommt, perfekt phrasiert, leuchtende Bögen singen kann und – kurz und gut – an diesem Abend eine Idealbesetzung des Rodolfo war. Seine Partnerin war Jacquelyn Wagner, von der man wohl sagen kann, dass sie ein amerikanischer Shooting-Star ist. Sie fühlt sich offensichtlich in die­sem Fach vollkommen zu Hause, imponiert in der mezza voce nicht weniger als in den Auf­schwüngen. Ein gewisser optischer Nachteil ist allerdings, dass sie die größte im Ensemble war und ihren Tenorpartner um fast einen Kopf überragte. Aoife Miskelly wirbelte über die Bühne und kokettierte, als sei ihr das in die Wiege gelegt. Alle notwendigen stimmlichen Mit­tel für die Partie hat sie ohnedies.

Miljenko Turk wirkte als Marcello ein wenig blasser als die drei anderen Protangonisten und hatte seine große Szene, als er vor dem Café Momus mit strahlendem Bariton Musetta erober­te. Schaunard war der Österreicher Wolfgang Stefan Schwaiger, der sich ebenso wie Kih­wan Sim als Colline darstellerisch und sängerisch nahtlos auf hohem Niveau einfügte. Die eher darstellerisch als sängerisch interessanten Partien des Benoit und des Alcindoro hatten Reinhard Dorn und Alexander Fedin, zwei gestandene Ensemble-Mitglieder der Kölner Oper, inne.                                                                                  

Dr. Klaus Ulrich Groth

 

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