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KÖLN / Staatenhaus: PARSIFAL. Wiederaufnahme

04.04.2016 | Oper

KÖLN: PARSIFAL                  Wiederaufnahme am 25 März 2016, gesehene Vorstellung am 3. April 2016

Die Platzierung des GÜRZENICH-ORCHESTERs bei Aufführungen im Staatenhaus (gegenwärtige Interimsspielstätte der Kölner Oper) wechselt von Produktion zu Produktion. Bei „Benvenuto Cellini“ saßen die Musiker hinter der Bühne, bei „Bohème“ davor, ein Mittelsteg beim Bühnenbild zu Braunfels‘ „Jeanne d’Arc“ teilte den Klangkörper in eine linke und rechte Sektion auf; bei der „Klugen“ agierte das Orchester rechts von der Szene her, bei „Parsifal“ sitzt es (noch bis zum 17.4) links. Der Wagner-Klang wirkt zwar raumfüllend, auf vorderen Mittelsitzen aber ein wenig so, als wäre der Balanceregler einer Stereoanlage nicht richtig zentriert. Auf die fulminante Interpretation von WILL HUMBURG und seinem Orchesters wirkt sich das aber nicht negativ aus. Der häufig in Köln arbeitende Dirigent wird hier (wie auch im nahen Bonn) vor allem im italienischen Repertoire geschätzt. Es war also durchaus mal an der Zeit, ihm auch eine andere Aufgabe zuzuweisen. „Parsifal“ gestaltet er mit betörendem und beschwörendem Schönklang, bei insgesamt gemessenen, aber stets fließenden Tempi. Das Zukunftweisende von der „Parsifal“-Musik  manifestiert sich vor allem im 2. Aufzug. Hier schürt Humburg die Glut des Ausdrucks nochmals um einige Grade.

Dass es wirklich ein Kundry-Akt wird, dankt man freilich auch der Sängerdarstellerin DALIA SCHAECHTER. Bis zum hohen C schafft sie die mörderische Partie mit fantastischer Kondition. Was soll’s, wenn ein anderer Ton etwas scharf gerät? Man wird fasziniert von der Zeichnung einer zerrissenen Frauenfigur. In der Stimme von Dalia Schaechter liegt gleichermaßen Zärtlichkeit und Zorn, Beklommenheit und Verzweiflung. Die Nähe des Rezensentensitzplatzes (1. Reihe) zur von keinem Orchestergraben getrennten Bühne führte in der gesehenen Vorstellung das gestische und mimische Dífferenzieren der Künstlerin ganz nahe an den Betrachter heran. Die Mini-Spielfläche einer Tischplatte, welche kaum Aktion zulässt, unterstrich das Ereignishafte der Szenen. MARCO JENTZSCH in der Titelpartie wächst hier über sich hinaus: ein fiebrig nach seiner Identität und seinem Stellenwert im Leben suchender Jüngling, der an Kundry überdies Schicksalstiefe kennenlernt. Beispielhaft der Ausdruck beim Wort „Kuss“. Da flammt die Stimme regelrecht.

Die fast schon magische Intensität dieser Auseinandersetzung geht, egal was der Regisseur der Wiederaufnahme, LAUREN SCHUBBE, intensiviert hat oder was die Sänger von sich aus an beklemmender Wirkung einbringen, auch auf das Konto der Inszenierung von CARLUS PADRISSA (LA FURA DELS BAUS). Das sei umso nachdrücklicher unterstrichen, als für die Inszenierung in toto nur bedingt Sympathie aufgebracht werden kann. Dabei muss der Rezensent aber auch mit sich selber ins Gericht gehen, formulierte er seine Eindrücke von der Premiere vor zwei Jahren doch wesentlich positiver. Vielleicht spielte die Erinnerung an die fantastische Regie bei Stockhausens „Licht“ noch mit, während jetzt noch der reichlich verspielte „Benvenuto Cellini“ vom Saisonbeginn vor Augen steht.

Als verspielt möchte man zu weiten Teilen auch den wiederaufgenommenen „Parsifal“ bezeichnen. Es wird viel zirzensische Akrobatik geboten, eine weiß vermummte Crew von Statisten verharrt hingegen vornehmlich bewegungslos in den gewölbten Bühnenaufbauten ROLAND OLBETERs, spielt gelegentlich mit LED-Lämpchen. Am Schluss machen sich drei „Raben“ über den Leichnam Titurels her. Um diesen und anderen Mummenschanz (zu dem auch die Wagalaweia-Auftritte der Blumenmädchen gehören) in Bewegung zu halten, sind immer wieder Bühnenarbeiter der Kölner Oper auf der Bühne tätig. Die Ausstattung legt es sicher nicht auf eine Illusionsbühne an, aber dieses Gemenge von Bühnenspiel und Technik befremdet schon sehr. Und dann noch die Sintflut an Videos. Padrissa gibt kluge konzeptionelle Ideen im Programmheft zu Protokoll. In dem ganzen Bühnengewusel findet man sie kaum wieder.

Die weiteren Sänger. SAMUEL YOUN verkörpert sowohl Amfortas als auch Klingsor, eine Personalunion, welche nur bedingt einleuchtet. Sie gibt dem  koreanischen Bariton allerdings Gelegenheit zum Ausleben zweier höchst unterschiedlicher Charaktere. Vor allem die Darbietung des leidenden Gralskönigs macht beklommen, was im 3. Aufzug vokal noch besser beglaubigt wird, LIANG LI ist als Gurnemanz eine hinreißende Bassautorität, DENNIS WILGENHOF beeindruckt mit seinen wenigen Tütere-Äußerungen. Unter den weiteren kleinen Partien fallen LUCAS SINGER (2. Gralsritter) und Jeongki Cho (3. Knappe) auf. Als 1. Blumenmädchen sprang am besuchten Abend JULIA NOVIKOVA ein, einige Jahre führende Koloratursopranistin an der Oper Bonn, jetzt international erfolgreich.

In diesen Tagen wurde bekannt, dass sich Waltraut Meier mit Berliner Auftritten von ihrer Kundry verabschieden würde. Das Gleiche tut in Köln Matti Salminen mit dem Gurnemanz, den er 2013 nach langer Abwesenheit von der Domstadt an dem Haus präsentierte, an dem er in den siebziger Jahren groß wurde.

Christoph Zimmermann

 

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