Stift Klosterneuburg/ Kaiserhof
VON DER LAVA DER LEIDENSCHAFT: CAVALLERIA RUSTICANA UND BAJAZZO ALS PACKENDES OPERN-DUO IN KLOSTERNEUBURG ( Premiere 9.Juli 2016)
Bruno Ribeiro (Turridu), Stella Grigorian (Santuzza). Copyright: Lukas Beck
Wenn die Liebe kippt hinterlässt sie als Lava der Eifersucht mitunter Raserei und tödliche Rache. Die beiden Opern, die dieses Thema besonders eindrucksvoll behandeln, sind „Cavalleria Rusticana“ von Pietro Mascagni und „I Pagliacci“ von Ruggero Leoncavallo. Im 19.Jahr der Ära von Michael Garschall wagt sich die Festival-Leitung von Klosterneuburg an die Realisierung des unfreiwilligen Opernduos, das in den frühen 90er Jahren des 19.Jahrhunderts in Rom bzw. Mailand uraufgeführt wurde. Und die Produktion im Kaiserhof des Barockstiftes ist ein voller Erfolg.
Eine ausgezeichnete Besetzung und ein stimmiges, semiaktuelles Regiekonzept von Isabella Gregor (Bühne Walter Vogelweider, Kostüme Andrea Hölzl) vermittelt die zeitlose Aktualität der beiden Hauptwerke des Verismus. In der „Sizilianischen Bauernehre“ – wie die deutsche Übersetzung von „Cavalleria Rusticana“ lautet – versucht Santuzza die Liebe ihres „Ex“ zurückzugewinnen. Er war einst mit Lola zusammen, nach seinem Militärdienst muss er sie jedoch als Ehefrau des reichen Alfio wiederfinden. Santuzza tröstet ihn über die Situation hinweg – ohne Rücksicht auf die strenge Moral des Dorfes. Als Turiddu zu Lola zurückfindet beginnt Santuzza um ihren „Ex“ zu kämpfen. Am Ende tötet Alfio Turiddu und Santuzza bricht ohnmächtig zusammen. Sie selbst hat ihr Lebensglück zerstört.
Sebastian Holecek (Alfio), Stefania Toczyska (Mama Lucia), Stella Grigorian (Santuzza). Copyright: Lukas Beck
Klosterneuburg bietet exzellente Sänger und einen Dirigenten der Sinfonietta Baden – Christoph Campestrini –der mitunter zu elegisch, zu larmoyant agiert, aber spätestens im Duett Alfio-Santuzza (wenn sie das Verhältnis von Lola mit Turiddu verrät) wacht er auf und findet den nötigen Drive. Santuzza wird von der Georgerin Stella Grigorian dargestellt. Die rassige Mezzo-Sopranistin begann vor Jahren an der Wiener Staatsoper mit Mozart und Rossini. Nun wagt sie sich an das dramatische Fach bis hin zu Amneris. Ihre Santuzza – die sie erstmals sang – geht jedenfalls unter die Haut: in der Arie, in den Ensembles vermittelt sie Mitleid und zugleich rasende Eifersucht. Im großen Duett gerät sie dennoch an die Grenzen ihrer dramatischen Möglichkeiten. Aber alles in allem – ein gelungenes Rollendebüt. Ihr untreuer Liebhaber wird vom Portugiesen Bruno Ribeiro sehr glaubhaft auf die Bühne gebracht. Jung, fesch mit tollen Spitzentönen. Ein „Frauenversteher“ ohne Rücksicht aufs Scheitern. Großartig auch Sebastian Holecek als „gehörnter Ehemann“. Diese Rolle braucht vor allem ein unerschöpfliches Material –er hat genug davon. Ein wahrer Belcanto-Heldenbariton! Eine Luxus-Besetzung auch für Lola und Mama Lucia. Anna Marshaniya – ebenfalls aus Georgien – wertet die laszive Lola auf. Sie trat übrigens schon im Merker-Kunstsalon auf. Eine Karriere ist vorprogrammiert. Stefania Toczyska sang einst an der Staatsoper Carmen, Eboli und Azucena; nun ist sie eine starke Mama Lucia, vergleichbar mit einer Astrid Varnay oder Margarita Lilowa.
Nach der Pause geht’s weiter in dem gleichen stilisierten süditalienischen Dorf, das von Lavaströmen bedroht wird. Zu Beginn der Prolog des Clown Tonio: Clemens Unterreiner verströmt Wohlklang, schafft die beiden gefürchteten Spitzentöne, schlägt Räder und vermittelt die Botschaft des Stückes: es ist mit Herzblut geschrieben. Und es erzählt eine Geschichte, die so alt wie das Theater ist. Canio, der Chef einer Schauspielertruppe im Stil der italienischen Buffo-Manier, ist mit Recht auf seine schöne Gattin Nedda eifersüchtig und muss jeden Abend sein eigenes Schicksal auf die Bühne bringen. Es endet mit einem Doppelmord an Nedda und ihrem Liebhaber Silvio . „La commedia é finita“. „I Pagliacci“ steht und fällt mit dem Titelhelden.
Zurab Zurabishvili (Canio), Clemens Unterreiner (Tonio). Copyright: Lukas Beck
In Klosterneuburg steht ein großartiger Canio zur Verfügung: Zurab Zurabishvili aus Georgien schöpft aus dem Vollen: sein schlanker, metallischer Tenor versteht Gefühle zu transportieren: Vesti la Giubba und das Finale werden so zu Höhepunkten einer Vorstellung, in der auch der Dirigent Campestrini von der allgemeinen Emotionalität angesteckt wird. Grandios auch die Nedda der Russin Eugenia Dushina. Sie verfügt über die Koloratur- Leichtigkeit für die Freiheitsträume des „Vogelliedes“ und sie entwickelt im Finale fast hochdramatische Kräfte. Und im Duett mit dem Liebhaber ist sie innig und lyrisch. Verständlich dass Tonio seine Jago-ähnliche Intrige startet. Übrigens „Lover“: der Österreicher Klemens Sander verkörpert einen virilen Silvio, der mit einer eher dunklen Bariton-Stimme alle Klippen der Partitur souverän meistert und der Deutsche Maximilian Mayer ist ein köstlicher Clown Beppo.
Zurab Zurabishvili, Eugenia Dushina (Nedda). Copyright: Lukas Beck
Ambitioniert auch der Chor der Oper Klosterneuburg (Leitung Holger Kristen). Zuletzt mit Recht großer Jubel.
Peter Dusek