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KASSEL: L’OLIMPIADE von Antonio Vivaldi

03.05.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Opernrarität in Kassel: „L’Olimpiade“ von Antonio Vivaldi (Vorstellung: 2. 5. 2013)


Das Staatstheater Kassel bot eine sehenswerte Gestaltung der Bühne in zwei Etagen (Foto: N. Klinger)

 Am Staatstheater Kassel stand die selten gespielte Oper „L’Olimpiade“ von Antonio Vivaldi in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln auf dem Spielplan, die im Februar 1734 in Venedig uraufgeführt wurde. Es geht in diesem Werk vor allem um Liebe, wobei die Konstellationen der handelnden Personen so verwirrend sind, dass die Dramaturgin Ursula Benzing im Programmheft ein Diagramm der Figuren mit Herzchen und Pfeilen dargestellt hat, um den Opernbesuchern das Verständnis zu erleichtern.

 Ein Versuch, den Inhalt der Oper, deren Libretto von Pietro Metastasio stammt, in Kurzform wiederzugeben: Um für seinen Freund Licida, der sich gerade sportlich nicht in Form befindet, die Hand der Königstochter Aristea zu gewinnen, nimmt Megacle an den Olympischen Spielen teil. Er weiß aber nicht, dass er genau diese Frau auch liebt. Und dass Aristea die Schwester von Licida ist, der eigentlich Filinto heißt und der verstoßene Sohn von König Clistene ist, macht die Sache noch komplizierter. Es herrscht große Verwirrung und massive Verletzung von Gefühlen. Megacle und Aristea schwören ihrem Leben und ihrer Liebe ab – und der wegen Spielbetrug zum Tod verurteilte Licida will den König umbringen. Dank der beiden Ratgeber Alcandro und Aminta bleiben alle am Leben und es kann am Schluss eine Doppelhochzeit gefeiert werden: Megacle heiratet seine geliebte Aristea und Licida bekommt Argene zur Frau, die zuvor inkognito als Schäferin aufgetreten war.

 Dominique Mentha, jahrelang Direktor der Wiener Volksoper, inszenierte dieses Verwirrspiel um Liebe und Betrug anfangs wie eine konzertante Aufführung, die aber in der Folge an Schwung und Dramatik gewann, wobei ihm Justyna Jaszczuk eine eher schmucklose Bühne mit zwei Ebenen entworfen hat, die neben einigen kahlen Stämmen und Ästen aus sieben Türen besteht, durch die die sieben Akteure auf- und abtreten. Leider des Öfteren mit lauttönendem Zuknallen der Türen. Dass sich das lange Gewand einiger Sänger immer wieder in den am Boden liegenden Ästen verhedderten, sorgte für ein paar wohl ungewollte Humoreffekte. Für die nüchternen, vorwiegend in Schwarz gehaltenen Kostüme zeichnete Sabine Böing verantwortlich.

 Das „dramma per musica“ in drei Akten beginnt mit einer Sinfonia in drei Sätzen: Allegro – Andante – Allegro. Schon mit ihr konnte das Staatsorchester Kassel unter der Leitung von Jörg Halubek, der auch am Cembalo spielte, die von hoher musikalischer Qualität sprühende Partitur Vivaldis beweisen. Diese wunderbare Einstimmung in das Werk wurde auch dadurch begünstigt, dass die Musiker quasi auf der Bühne spielten. Erst danach wurden sie in den Orchestergraben hinabgelassen.

 Überzeugend auch das junge Sängerensemble, das die vielen Gefühlswallungen der Figuren in der Oper sowohl schauspielerisch wie auch gesanglich recht anschaulich wiedergaben. Clistene, der König von Elis, der dem Gewinner des olympischen Wettkampfes seine Tochter als Siegespreis geben will, wird vom Schweizer Bassbariton Marc-Olivier Oetterli sehr eloquent dargestellt und mit honoriger Stimme gesungen. Eindrucksvoll auch der polnische Bassbariton Tomasz Wija als sein Ratgeber Alcandro.

 Die Mezzosopranistin Christiane Bassek, Mitglied des Opernstudios Kassel, schien anfangs in ihrer Hosenrolle als Licida stimmlich indisponiert, bot aber im Laufe der Handlung eine tadellose Leistung. Gut die österreichische Mezzosopranistin Maren Engelhardt in der zweiten Hosenrolle als Licidas Freund Megacle, der den olympischen Lorbeer gewinnt und dazu am Schluss auch seine geliebte Aristea, die Königstochter. Sie wurde von der barockerfahrenen Mezzosopranistin Ulrike Schneider mit Edelmetall in der Stimme gesungen. Mit viel Humor in der Darstellung der Schäferin Argene wartete die britische Mezzosopranistin Belinda Williams auf, die als Gast am Staatstheater auftrat und nach einigen Arien verdienten Szenenapplaus erhielt. Überhaupt ist festzuhalten, dass sich das Publikum sehr beifallsfreudig zeigte und die Leistungen des Ensembles immer wieder mit Szenenbeifall honorierte. Wie in besonderem Maße bei der chinesischen Sopranistin LinLin Fan, deren grandiose Koloraturen begeisterten und eine olympische Goldmedaille verdient hätten!

 Beeindruckend auch der Schlusschor des siebenköpfigen Ensembles, der mit Inbrunst als Volkes Stimme urteilte: „Möge der schuldige Sohn leben, damit nicht durch ihn der unschuldige Vater Strafe erleide.“

 Das Publikum im leider nur etwa zur Hälfte besetzten Theater applaudierte minutenlang allen Sängerinnen und Sängern sowie dem Dirigenten. Viele Bravo-Rufe gab es für das Orchester – auch nicht alltäglich in einem Opernhaus…

 Udo Pacolt, Wien

 

 

 

 

 

 

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