Karlsruhe: „ DIE WALKÜRE „ – Gala 11.02.2017
Zum Ring-Menu in vier Gängen und diversen Köchen servierte nun das Badische Staatstheater nach der Premieren-Serie als Entremet „Die Walküre“ (Richard Wagner) in vokaler Gala-Besetzung. Mehrmals wurde die Produktion bereits im Merker online sowie der Print-Ausgabe besprochen, somit reduziere ich meine optischen Eindrücke auf ein Minimum und beleuchte lediglich die musikalische Komponente dieser Gala-Aufführung.
Wenig spannende Personen-Psychologie servierte Cuisinier Juval Sharon während des ersten Aufzugs, dem Ehestreit im folgenden Aufzug, den Dialogen von Vater und Tochter gelangen dem Regisseur dagegen intensive und berührende Aspekte. Sebastian Hannak lieferte gewöhnungsbedürftige Türenkonstruktionen des ersten Bildes, die Rolltreppe nach Walhall im zweiten Akt sowie eine kühle weiße Landschaft zum letzten Aufzug. Vortreffliche Video- und Licht-Adaptionen (Jason H. Thompson/Stefan Woinke) schufen höchst ästhetische Lichteffekte in arktischen Blautönen, Nebelschwaden geleiten in den illustrativen überwältigenden Feuerzauber. Entsprechend dem frostigen Ambiente wurde die Wunschmaid in einem Eisblock schockgefroren. Bleibt abzuwarten an welchem Ort Jung-Siegfried seine inzwischen aufgetaute „Tante“ Brünnhilde wachküsst?
Der bekannte Slogan „das Auge isst mit“ schlug zumindest während der letzten Zweidrittel nicht fehl und Gourmets wurden noch zusätzlich mit orchestraler Friandise verwöhnt. Am Pult der Badischen Staatskapelle servierte GMD Justin Brown zur Soirée akustische Délicatesse par excellence. In bester Manier geleitete der versierte Dirigent seinen hervorragend disponierten und differenziert aufspielenden Klangkörper durch die wunderbare motivische Wagners Partitur, formte hervorragend geschlossene musikalische Perspektiven voll Wärme und Sentiment. Bereits zur gewittrigen Einleitung, dem spannungsvoll elektrisierenden Knistern des ersten Aufzugs wurde instrumental gewahr, was diese geniale Musik so reizvoll macht. Aufgelichtete Klänge intimen Charakters durchwebten die Monologe der folgenden Akte, prächtig erklangen die handwerklich herausgearbeiteten Details der zugespitzten Formationen. Vorzüglich kontrastierte Justin Brown die wuchtigen orchestralen Ausbrüche der herrlichen Bläserformationen zu den herrlich innigen Passagen der vollen warmen Streicherklänge dieser wundervollen Musik und erwies sich zudem als hervorragender Sängerbegleiter.
Hörgenüsse der besonderen Art bescherten die beiden Gäste Petra Lang und Vitalij Kowaljow und wurden zu Recht mit ohrenbetäubenden Ovationen gefeiert. Es ist schon sehr lange her, dass ich Brünnhilde und Wotan in derart intensiver Interpretation erleben durfte.
In bewundernswerter Bravour verkörperte Petra Lang die Brünnhilde und avancierte zum solitären Höhepunkt des Abends. Weich strömend floss der farbenreiche Sopran dahin, sensibel entfaltete sich das Goldtimbre (an Martha Mödl erinnernd – welche ich live in dieser Partie leider nie erleben durfte) mit Charisma und vokaler Natürlichkeit. Da blieb nichts dem Zufall überlassen, Frau Lang demonstrierte faszinierende Flexibilität und Intuition gleichwohl im prächtigen wohltönenden Höhenaufschwung wie zu sensiblen Piani. Grandios das Aufblühen der Mittellage zur Todesverkündigung, beispielhafte Attribute welche die Sängerin auf höchst beglückende Weise im Rahmen ihrer stimmlichen vielschichtigen und präsent darstellerischen Möglichkeiten glaubhaft vereinte.
Lässt sich so mancher Göttervater in weniger melodischen Sprechgesang verleiten, nicht so Vitalij Kowaljow! Der russische Sänger erwies sich als ebenbürtiger Partner seinen Bühnentochter und präsentierte einen Wotan von enormer Ausdruckskraft, der auch emotional bis ins Extreme geht. Mühelos bündelt der exzellente Bassbariton seine immensen Reserven, adelt seine kräftezehrenden Monologe mit beispielloser Intonation, musikalischer Gestaltung allererster Güte und klarer akzentfreien Deklamation. Gleichwohl verstand es der intelligente Sänger-Darsteller den ruhigen Passagen sinnlich-vokale Wärme der Mittellage seines schönen Timbres, als auch markante Höhenattacke der Charakterkonturierung zu vermitteln.
Fazit: eine Vater-Tochter-Beziehung in wahrhaft göttlicher charismatischer Rollenanalyse und musikalisch vollendeter Interpretation.
Jugendlich-dramatische Töne ließ Sieglinde (Katherine Broderick) vernehmen. Berührte zunächst mit lyrischem Sopran welcher allerdings zum ersten Akt-Finale unangenehm vibrierte, sich in den folgenden Aufzügen zunehmend erholte und sich farblich schattiert intensivierte.
Zwiespältig klang das Material des Siegmund (Peter Weed) in meinen Ohren: punktete zwar mit kerniger baritonaler Linienführung, blieb jedoch dem strahlenden Höhenpotenzial einiges schuldig. Ihm stand der kraftvolle, nachtschwarz-markant grundierte Bass Avtandil Kaspeli (Hunding) gegenüber welcher seine vokalen Trümpfe bestens auszuspielen verstand.
Leider hielt die äußerst attraktive Fricka (Katharine Tier) vokal nicht, was die sexy Optik versprach. Nur wenige angenehme Töne durfte ich von ihrem hellen Mezzosopran vernehmen.
Dafür entschädigte das vokal-erlesen, ungewöhnlich stimmschöne Walküren-Oktett der Sonderklasse, wobei ich mich auf die besonders herausragenden Damen Barbara Dobrzanska, Christina Niessen, Ina Schlingensiepen beschränke.
Zehn Minuten lautstark-prasselnde Begeisterung und Ovationen für Lang-Kowaljow-Brown und Orchester.
Gerhard Hoffmann