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KARLSRUHE/Badisches Staatstheater: SIEGFRIED

Ein realer Jugendlicher ohne Ambitionen für die Mythologie

11.05.2018 | Oper

Siegfried, Badisches Staatstheater Karlsruhe
Vorstellung vom 10. 05.2018
Siegfried ein realer Jugendlicher ohne Ambitionen für die Mythologie

Bildergebnis für badisches staatstheater karlsruhe siegfried
Foto Falk von Traubenberg, Mime: Matthias Wohlbrecht, Siegfried: Erik Fenton

Verantwortlich für die szenische Darstellung waren:
Regie: Thorleifur Örn Arnarsson, Bühne: Vytautas Narbutas, Kostüme und Video: Sunneva Asa Weisshappel, Dramaturgie: Katharina John und Boris Kehrmann, Licht: Björn Gudmundsson

Die Problematik bei einer Siegfried-Interpretation besteht durch das Zusammenwirken von märchenhaften Elementen mit teilweise gewaltbereitem Potential und den zwischenmenschlichen Konflikten von Naturwesen und Menschen.

Die Regie thematisiert dies nur am Rande, dafür wird größtenteils Unterhaltung angeboten, die mit ideenreichen Einfällen bereichert werden. Natürlich entstehen dadurch Brüche in der szenischen Darstellung, aber die werden ignoriert. Auch das Auftreten mancher Darsteller, teilweise mit skurrilen Kostümen, hat keine relevante Aussage, beispielsweise der Solopart von Siegrieds Hornruf im zweiten Akt oder das Kostüm von Brünnhilde, das einem Trachtenkostüm ähnelt.

Im Mittelpunkt steht Siegfried. Er ist ein Halbstarker der heutigen Generation und mit entsprechendem Outfit ausgestattet und von realer Natur, der für die mythologischen Ereignisse in diesem Stück keinerlei Interesse zeigt. Auch ist ihm Gewalt fremd. So ist der Kampf mit Fafner eine Luftnummer, denn während im Hintergrund auf Video farbenfrohe Variationen zu sehen sind, schwingt Siegfried auf einer Couch stehend sein Schwert. Auch stirbt Mime nicht durch das Schwert von Siegfried, denn er vertauscht das Giftgemisch und Mime fällt nach einem Schluck regungslos zu Boden.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist das Zusammentreffen von Siegfried und dem Wanderer im dritten Akt, wo der Waldvogel, mit entsprechendem Outfit, die folgenden Szenen auf dem Handy festhält, wenn Siegfried den Speer des Wanderers, Sinnbild für die Weltordnung, mit bloßen Händen auseinander bricht.

Vor diesem Hintergrund ist auch das Zusammentreffen von Siegfried und Brünnhilde im dritten Akt zu sehen. Die in der “Walküre“ in Eis konservierte Brünnhilde taucht kurz vor ihrem Part, wie Phönix aus der Asche, von der Unterbühne auf, nachdem zuvor Siegfried an einer Skulptur imaginär Helm und Panzer entfernt hat.

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Foto Falk von Traubenberg, Brünnhilde: Heidi Melton

Das Einheitsbühnenbild wird nur beim Auftritt von Brünnhilde verändert, wenn im Hintergrund, beeindruckende Naturbilder gepaart mit erotischen Einblendungen, zu sehen sind.
Unter einer Schlossähnlichen Balustrade befindet sich die Behausung von Mime und Siegfried. Sie ist messihaft vollgestopft mit allerlei Gerümpel aus Zeitgeschichte und Mythologie. Oberhalb sieht man eine Kuppel, die den deutschen Bundestag in Berlin darstellt, wohl eine Metapher auf Walhall, während vor dem Bühnenrand rechts, leider für viele Zuschauer nicht sichtbar, die Regieabteilung Wotans installiert ist. Außerdem fällt ein Schachbrett auf, auf dem der Wanderer seine verloren gegangene Macht mit den Figuren strategisch analysiert und gelegentlich auch von anderen Personen genutzt wird.
Spannend ist der Auftritt der Erda, die in einem braunen erdähnlichen Kostüm auftritt. Man stellt fest, dass deren gemeinsame Tochter, Brünnhlde, kein Vernunftakt war, sondern aus einer intensiven Liebesbeziehung hervorgegangen ist. Schließlich verlassen beide später engumschlungen das Bühnengeschehen. Leider wird diese glückliche Zeit nicht von langer Dauer sein, denn in der Götterdämmerung muss er sich endgültig von der Weltbühne verabschieden.

Grandiose orchestrale Leistung unter der Leitung von Justin Brown
Den mit Abstand größten Beifall erhielt zu Recht die Badische Staatskapelle unter der Leitung von Justin Brown. Der Dirigent ist ein hervorragender Begleiter der Sängerdarsteller und merkt sofort, wenn sie Unterstützung benötigen, dadurch wird fast ausnahmslos textverständlich gesungen. Das Orchester trumpft vor allem in den lyrischen Passagen im zweiten und dritten Akt auf, eine beeindruckende Leistung. Vor allem wegen dem einzigartigen Orchesterklang kommen viele Besucher aus dem benachbarten Ausland, die mittlerweile Stammgäste geworden sind.

Erfolgreiche Sängerdarsteller vorwiegend aus dem eigenen Ensemble
Siegfried, Erik Fenton, ein lyrischer Tenor, hatte an diesem Abend mit einer leichten Indisposition zu kämpfen, die sich nur gelegentlich im dritten Akt bemerkbar machte, was aber zu vernachlässigen war. Ein großes Kompliment für seine Rollengestaltung und die bewegenden lyrischen Momente im zweiten Akt beim Waldweben.
Brünnhilde, Heidi Melton, trumpfte mit ihrer kräftigen raumgreifenden dramatischen Sopranstimme auf und meisterte stimmlich die höheren Regionen mit Bravour. .
Der Wanderer, Renatus Meszar, wurde ausdruckstark interpretiert und hatte für die schwierige Partie auch das nötige Durchhaltevermögen. Er hat sich mittlerweile zu einem gefragten Heldenbariton hochggearbeitet.

Außerdem: Erda: Katherine Tier, Fafner: Avlandil Kaspeli, Alberich: Jaco Venter, Mime: Matthias Wohlbrecht, Waldvogel: Uliana Alexyuk.

Franz Roos

 

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