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KAISERSLAUTERN: DIE VERKÜNDIGUNG von Walter Braunfels

05.07.2012 | KRITIKEN, Oper

Opernausgrabung in Kaiserslautern: „Die Verkündigung“ von Walter Braunfels (Vorstellung: 4. 7. 2012)


Adelheid Fink  als Violaine mit Bernd Valentin als Jakobäus (Foto: Stephan Walzl)

Das Pfalztheater Kaiserslautern wartete wieder einmal mit einer interessanten Opernausgrabung auf: „Die Verkündigung“ von Walter Braunfels – ein Mysterienspiel, das im Jahr 1948 in Köln uraufgeführt wurde und nun die ersten szenische Wiederaufführung erlebte. Braunfels (1882 – 1954), der nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 aus rassischen und politischen Gründen als Direktor der Kölner Musikhochschule entlassen wurde, verlebte die Zeit seiner inneren Emigration am Bodensee, wo er sich zum Katholizismus hinwandte und zwischen 1934 und 1937 die Mysterienoper Die Verkündigung komponierte. In Wien ist Braunfels durch seine Oper Die Vögel bekannt, die in mehreren Spielzeiten an der Volksoper in einer sehenswerten Produktion gezeigt wurde.

Ihr Inhalt der Verkündigung, deren Libretto der Komponist nach dem Schauspiel L’Annonce faite à Marie von Paul Claudel (Übersetzung ins Deutsche: Jakob Hegner) selbst verfasste, in Kurzfassung: Violaine küsst aus Mitleid den am Aussatz erkrankten Dombaumeister Peter und spendet ihren Verlobungsring für den Bau der Kathedrale von Speyer. Sie selbst erkrankt am Aussatz, erblindet und wird von der Familie und von ihrem Bräutigam Jakobäus verstoßen. In einer Weihnachtsnacht bringt ihre Schwester Mara, die an ihrer Stelle Jakobäus geheiratet hat, ihr totes Kind. An der Brust Violaines erwacht es zu neuem Leben, doch sind seine Augen nun nicht mehr dunkel wie die von Mara, sondern blau wie die von Violaine. Auf neue Weise hat sich an der jungfräulichen Violaine in der Weihnachtsnacht das Wunder der Menschwerdung vollzogen, während in der Kathedrale bei Glockengeläut der neue König als Hoffnungsträger der Menschen gekrönt wird. Am Ende findet Violaine – ausgesöhnt mit ihrer Familie – durch den Tod zur Erlösung.

Urs Häberli, der ab der nächsten Saison Intendant des Pfalztheaters wird, inszenierte das mystisch-katholische Werk sehr stimmungsvoll und mit guter Personenführung. Dazu passten das karge Bühnenbild mit sechs Betten aus Stahl als einzige Requisiten (Gestaltung: Thomas Dörfler), das an eine geschlossenen Anstalt oder an ein Siechenheim erinnert, und die eher ärmlichen zeitgenössischen Kostüme von Marcel Zahn. Für die kreativen Lichteffekte in einzelnen Szenen sorgte Manfred Wilking. Ein wenig verwirrend die Symbolik, wenn die Sehenden als Blinde und die Blinde als Sehende agieren.

Erschütternd stellte die Sopranistin Adelheid Fink Violaine, die Hauptrolle der Oper, dar. Mit einfühlsamer Schauspielkunst spielte sie die Vergebende, Liebende, Aussätzige und konnte ihre Gefühle auch stimmlich wunderbar ausdrücken. Eine bewundernswerte Leistung, die das beeindruckte Publikum am Schluss auch mit gebührendem Applaus honorierte. Nicht minder eindrucksvoll die österreichische Mezzosopranistin Melanie Lang als ihre Schwester Mara. Erst kaltherzig als Eifersüchtige, die ihre Mutter zu überreden versucht, auf Violaine einzuwirken, dass sie auf Jakobäus verzichten soll, später verzweifelt als um Hilfe Suchende, die ihr totes Kind von der inzwischen erblindeten Violaine wieder zum Leben erweckt haben will. Auch ihr gelang eine packende Charakterstudie.

Die Eltern der beiden Schwestern wurden vom Bassbariton Alexis Wagner und von der Altistin Helena Köhne ohne Pathos sehr nüchtern und dennoch einfühlsam dargestellt. Eine eindrucksvolle Leistung bot der Bariton Bernd Valentin als Jakobäus – sowohl stimmlich wie auch schauspielerisch. Blind vor Wut, als Violaine ihm gesteht, den vom Aussatz befallenen Baumeister Peter von Ulm geküsst zu haben, verstößt er seine Verlobte und heiratet ihre Schwester, versöhnlich erst im Angesichts des Todes. Steffen Schantz lieh Peter von Ulm, der als Aussätziger die Erbauung des Doms von Speyer fertigstellt und später geheilt wird, seinen lyrischen Tenor, die Stimme des Engels gehörte Elena Laborenz.

Stimmgewaltig agierte der Chor (Einstudierung: Ulrich Nolte), der seine sakralen Gesänge wirkungsvoll darbot.

Für den musikalischen Glanz des Abends sorgte das Orchester des Pfalztheaters unter der Leitung von Uwe Sandner, dem es gelang, die farbenreiche Partitur des Komponisten in voller Klangpracht wiederzugeben. Das von der Handlung um das Weihnachtswunder an Maras Kind sichtlich berührte Publikum reagierte am Schluss sehr beifallsfreudig. Jubel und Bravorufe für die Darstellerin der Violaine, Adelheid Fink, und einige Bravi für das Orchester und ihren Dirigenten Uwe Sandner, der seit der Spielzeit 2006 / 07 Generalmusikdirektor des Pfalztheaters in Kaiserslautern ist. Man muss der Intendanz für die Ausgrabung dieser musikalischen Kostbarkeit gratulieren!

Udo Pacolt, Wien – München

 

 

 

 

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