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Jean-Philippe Rameau: DARDANUS

DVD Dardanus

Jean-Philippe Rameau: DARDANUS
Ensemble Pygmalion, Raphaël Pichon

harmonia mundi DVD, Blu-ray

Schrill-bunter live Mitschnitt aus Bordeaux April 2015

Die fünfaktigen meisterlichen tragédies lyriques Rameaus samt Prolog fristen zumindest auf französischen Bühnen schon längst kein Schattendasein mehr. Das Ensemble Pygmalion unter dem engagierten künstlerischen Leiter Raphaël Pichon, die schon eine vielbeachtete Gesamtaufnahme von Castor und Pollux vorgelegt hatten, steht im Zentrum dieser Neuinszenierung von Dardanus überwiegend in der ursprünglichen Version von 1739 als Ko-Produktion zwischen der Opéra National de Bordeaux und dem Chateau de Versailles Spectacles.

Der Librettist Charles-Antoine Le Clerc de la Bruère hat aus den spärlich überlieferten mythologischen Elementen (Dardanus – als sterblicher Nachkomme der Atlas Tochter Elektra und des Zeus dessen Lieblingsspross – war Ahnherr des trojanischen Herrschergeschlechts der Dardaniden) eine Tragödie mit lieto fine gebastelt. Der Hochzeit des Dardanus mit Iphise im fünften Akt gehen mannigfaltige Verwicklungen und Intrigen voran, gespickt durch getanzte Divertissments, große Chöre, auch Beschwörungs- Schlaf- und Sturmszenen und ein schreckliches Ungeheuer dürfen nicht fehlen. Übernatürliche Kräfte führen entscheidende Wendungen des Geschehens herbei. Dass diese Oper nach nur wenigen Ausführungen wieder abgesetzt wurde, war dem abstrusen Libretto und nicht der großartigen Musik geschuldet.

Leider ist dem Regisseur Michel Fau und seinem Bühnenbildner Emmanuel Charles nichts anderes eingefallen, als das Rameau’sche Meisterwerk „inspiriert von Ludwig XV.“ in zuckerlbunte schrille barockisierende Kulissen mit Blümchen und Knospen sowie dazu passende Kostüme (David Belugou) zu packen. Kein Klischee und keine optische Überfrachtung werden in dieser surreal überhöhten Deutung ausgelassen. Das kann man mögen, für mich ist das Kitsch pur. Die Zugaben des Choreographen Christopher Williams sind ebenso nichts weniger als originell. Was aber am meisten ärgert, ist die schlechte Bildqualität trotz Blu-ray und eine Bildregie bar jeder Fantasie.

Bleibt die durchaus beachtliche musikalische Seite der Aufführung, die neben den ausgezeichneten Sangesleistungen von Karina Gauvin als Venus und der Gaëlle Arquez als Iphise insgesamt gediegen ausfällt. Reinoud van Mechelen als Dardanus, Florian Sempey als Anténor, Nahuel di Pierò als Teucer und Isménor, sowie Katherine Watson, Ètienne Bazola und Giullaume Gutiérrez in kleineren Rollen singen stilistisch untadelig, ohne wirklich die ganz großen Gefühle oder Theaterzauber zu evozieren. Raphaël Pichon dirigiert das heterogene Stück mit den hochkomplexen rhythmischen Vorgaben transparent durchsichtig und historisch korrekt. Mit den musikdramatischen Finessen der Referenzaufnahme dieser Oper unter Mark Minkowski (1998 Maison Radio France mit Delunch, Gens, Naouri, Kožená, Ainsley) kann er nicht mithalten.

Fazit: Für diejenigen im Publikum, die der exzentrischen überladenen Optik und Ästhetik der Aufführung etwas abgewinnen können, ist das Video sicherlich eine Empfehlung wert. Wer jedoch primär an der Musik von Dardanus interessiert ist, sollte auch der Tonqualität wegen zu der nach wie vor unübertroffenen Einspielung unter Mark Minkowski und den Musiciens du Louvre greifen.

Dr. Ingobert Waltenberger