Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: WERTHER Prä-Prem. Stimmige und berührende Inszenierung

17.12.2021 | Oper in Österreich

Innsbruck: „WERTHER“ – 16.12. 2021 – Prä-Pr. – Stimmige und berührende Inszenierung

foto 1 werther
Ensemble (c) Birgit Gufler

Am Tiroler Landestheater in Innsbruck finden an Wochentagen immer wieder Premieren statt, die aus kartenverkaufstechnischen Gründen nicht als solche, sondern als „erste Vorstellung“ bezeichnet werden und kurz vor der eigentlichen Premiere über die Bühne gehen. Eine Prä-Premiere feierte somit auch die aktuelle Inszenierung von Jules Massenets „Werther“, für deren Regie, Bühnenbild und Videoeffekte der US-Amerikaner Thaddeus Strassberger, in Innsbruck bestens bekannt und geschätzt aufgrund mehrerer sehr erfolgreicher Inszenierungen in jüngerer Vergangenheit, verantwortlich zeichnet. Strassberger verlegt die tragische Geschichte von Werthers unglücklicher Liebe zu Charlotte, welche bekanntlich schon mit Albert liiert ist, in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts und in eine amerikanische Kleinstadt. Das sich häufig drehende und dadurch unterschiedliche Perspektiven ermöglichende Bühnenbild zeigt, passend zur „Noël“-Nummer als musikalische Klammer der Geschichte, ein weihnachtlich geschmücktes amerikanisches Einfamilienhaus, bald von außen, dann wieder von innen, lichtern, so farbenfroh wie die ansprechenden Kostüme nach Entwürfen von Michael D. Zimmermann, zudem differenziert ausgeleuchtet, eingefärbt und durch Videoprojektionen stimmungsadäquat um mehrere Ebenen ausgeweitet. Es wird rasch klar, dass diese heile Welt auch Untiefen hat. Dynamisch projizierte und bedrückende Zitate aus Goethes „Werther“ begleiten diese Inszenierung, die aber andererseits nicht mit witzigen nostalgischen „Bildzitaten“ der Sechziger in Amerika spart (Cartoons und Reden im Fernsehgerät, Santa Claus als stummer Gast, Fahrzeuge, die damals „in“ waren). Insgesamt ergibt diese Inszenierung ein stimmiges Bild, das einen dann und wann an der Kehle packt, etwa wenn die Bühne zu Massenets unbegreiflich schöner Wintermusik in ein trostloses Schneegestöber versinkt oder wenn sich Goethes „Werther“-Zitate unmittelbar vor seiner Verzweiflungstat in Einzelwörter und Buchstaben auflösen.

Strassberger und sein Team folgen stets der Musik Massenets, über die der Musikwissenschaftler Wulf Konold einmal so zutreffend schrieb, sie sei „ornamenthaft“ geschmeidig, „floreal“ elegant, „fast jugendstilhaft“ und klangfarbenreich und trage Tschaikowskis plakative Dramatik ebenso ins sich wie Debussys impressionistisches Kolorit. An dieser Stelle sei das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung von Lukas Beikircher, das durch sein wohlüberlegtes und in allen Registern glanzvolles Spiel den Klangboden für die vokalen Darbietungen aufbereitet und den Gesang förmlich trägt, lobend hervorgehoben. Vorsicht geboten sei nur gelegentlich im Forte/Fortissimo-Bereich bzw. in der Dynamik der Lautstärke.

foto 2 werther
Jon Jurgens (Werther), Statisterie (Freundinnen und Freunde von Werther) © Birgit Gufler

Auch die Sängerinnen und Sänger präsentierten sich auf hohem Niveau. Jon Jurgens ist ein leidenschaftlicher, schauspielerisch sehr präsenter Werther mit einer in allen Lagen ebenmäßigen Stimme und beständigem, langem Atem, der sein großes Können auch in der berühmten Ossian-Rezitation „Pourquoi me réveiller“ zeigte. Was man vielleicht gegen seine Interpretation da und dort kritisch einwenden könnte, ist eine gewisse Schärfe in der Höhe, die aber der leidenschaftlichen Darstellung geschuldet zu sein scheint. Margaret Plummer als Charlotte versteht es, die lyrischen Seiten ihrer Rolle zu modellieren. Auch ihre Glanznummer, die Tränenarie „Va! Laisse couler mes larmes“, vermochte zu berühren. Alec Avedissian als Albert erweist sich durch seine virile, dynamische Stimme als kongenialer Partner und Gegenpart zugleich.

foto 5 werther
Margaret Plummer (Charlotte), Alec Avedissian (Albert) © Birgit Gufler

Die Sängerinnen und Sänger in den Nebenrollen konnten bei dieser Prä-Premiere ebenfalls voll und ganz überzeugen: der souveräne Joachim Seipp als Bailli, der großartig-gelassene Dale Albright als Schmidt und der talentierte junge Oliver Sailer als Johann sowie die quirlige und stimmlich schön auftrumpfende Annina Wachter als Sophie. Sehr eindrucksvoll agierten auch der von Janelle Groos einstudierte Kinderchor des TLT und die Statisterie. Alles in allem darf man sich auf die demnächst stattfindende „echte“ Premiere und weitere Vorstellungen freuen.

Thomas Nußbaumer

 

 

 

 

 

 

 

Diese Seite drucken