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INNSBRUCK: „LE NOZZE DI FIGARO“ – der Titelheld triumphiert. Premiere

13.11.2016 | Oper

INNSBRUCK: „LE NOZZE DI FIGARO“ (Pr. 12.11.2016) – der Titelheld triumphiert

Le nozze di Figaro  Mattersberger 2022
Andreas Mattersberger. Copyright: Rupert Larl

Dominique Mentha, Ex-Intendant des Tiroler Landestheaters von 1992 – 1999, wird in der Saison 2016/17 Mozart inszenieren.“ Diese Info anläßlich der Saisonvorschau im Frühjahr nahmen viele mit Freude, so manche jedoch auch mit Naserümpfen auf. Waren doch die Mentha-Jahre jene, die das Tiroler Publikum spalteten wie kaum vorher und nachher – Begeisterung hier, Schockstarre da. Zu viel Neues, Ungewohntes, manchmal auch Provokatives kam auf die mit gutbürgerlicher Theaterkost verwöhnten Abonnenten zu. Erstaunlich: immer noch, selbst nach 17 Jahren seines Abganges, geistert bei manchen Sturköpfen die Fama herum, Menthas Inszenierungen seien skandalös gewesen. Großer Einspruch: Menthas Regie-Arbeiten zeichneten sich stets durch handwerkliches Können in werkgerechtem Umfeld und durchwegs erstklassigen gesanglichen Leistungen aus. Und an seinen turbulenten „Treibhaus-Figaro“ anno 1993 erinnern sich noch viele mit großem Vergnügen.

Für seine zweite Innsbrucker „Figaro“-Inszenierung ließ er sich von Helfried Laukner eine Art Labyrinth auf die Bühne stellen. Die Außenwände sind mit Grünpflanzen bemalt, die Innenwände mit Mobilar jeglicher Art (Bett, Türen, Kommode). Auf der Bühne selbst – keine Requisite (sieht man von einer Leiter ab, die immer wieder zum Ausspionieren gebraucht wird, auf die aber auch Figaro während seiner ersten Arie klettern muss – Aussage?). Die beweglichen Wände erlauben rasche Szenenwechsel, doch das ständige Auf- und Zuklappen nützt sich sehr rasch ab. Und wenn so gar kein reales Möbelstück (Schlafstuhl 1. Akt!) vorhanden ist, um glaubwürdige Aktionen setzen zu können, wirken die zur Tarnung verwendeten Wäschestücke für die Akteure (auch im 4. Akt) etwas ideenarm. Ansonsten gibt es viel Gutes über Menthas detailreiche Personenregie zu vermelden – Tempo, Witz und manches Augenzwinkern sorgen für einen runden Ablauf, dem jedoch etwas mehr Schärfe nicht geschadet hätte. Die Schwedin Anna Ardelius kleidete das Bühnenpersonal prachtvoll und standesgemäß aus. Strahlendes Gelb für das Herrscherpaar (der Graf schien mit seinem Kopfputz dem Hofe des Sonnenkönigs entsprungen zu sein), helles Grau für das Volk und strenges Schwarz (bis hin zu den Perücken) für das Dienerpaar Susanna und Figaro.

Es adelt das TLT, dass es ein personenreiches Stück wie den „Figaro“ mit nur einer Ausnahme aus den eigenen Reihen hochklassig besetzen kann. Gast Esther Lee (Gräfin), auch an der Volksoper Wien schon aufgetreten, plagte sich ein wenig mit „Porgi amor„, sang sich jedoch bald frei und hatte spätestens mit „Dove sono i bei momenti“ das Publikum auf ihrer Seite. Eine sauber geführte, runde Stimme, zweifelsohne, aber ohne markanten Wiedererkennungswert. Ensemble-Neuzugang Alec Avedissian, ein junger bulgarischer Bariton mit sehr einnehmender Stimme und attraktivem Äußeren, gab einen eher harmlosen, dandyhaften Grafen. Der schäkert bloß mit Susanna, mehr nicht! Camilla Lehmeier (Cherubino) besitzt einen wunderhübschen Mezzosopran, der die Gräfin und das Publikum verzaubert. Vom Spiel her könnte noch etwas mehr an jugendlichem Überschwang des pubertierenden Casanovas möglich sein. Goldrichtig besetzt waren Susanna von der Burg (als gar nicht „Komische Alte“, sondern persönlichkeitsstarke Marcellina), Johannes Wimmer (Dr. Bartolo), Joshua Lindsay (Basilio), Florian Stern (Dr. Curzio), Joachim Seipp (Antonio), Annina Wachter und Brynne McLeod (zwei Mädchen). Neuzugang Nr. 3 im Ensemble des TLT (nach Avedissian und Lehmeier) heißt Sophia Theodorides und entzückt mit ihrer zauberhaft gesungenen „Nadel-Arie“.  Und das Allerbeste zum Schluß – Susanna und Figaro, vom Publikum schon während der Vorstellung auf offener Bühne herzhaft bejubelt. Nachdem die vielseitige Susanne Langbein in den letzten zwei Jahren ihr Repertoire bis hin zu „Faust“-Marguerite und Liù erfolgreich erweitert hat, führt sie der Weg nun zurück in lyrische Gefilde, zu Mozart. Mit der Susanna hat Susanne eine neue Traumrolle gefunden, die sie stimmlich wie darstellerisch mit ihrem persönlichen Charme optimal ausfüllt. In Andreas Mattersberger hat sie den perfekten Partner zur Seite. Verfolgt man Mattersberger sängerische Laufbahn über die Jahre, von den Wurz’n am TLT angefangen über die größeren Rollen (z. B. Papageno landauf, landab) bis hin zum seriösen, wissenden Liedinterpreten, scheint der Figaro mit seinen gesanglichen Tücken  (und Längen) für den jungen, sympathischen Bassisten aus Osttirol  gegenwärtig das Maß aller Dinge zu sein, an dem er reifen kann. Stimmtechnisch bereitet sie dem  prachtvoll timbrierten Bass keinerlei Probleme, selbst die unangenehmen Höhen erklingen unangestrengt. Tosender Applaus schon nach „Se vuol ballare“ (auf der Leiter), triumphaler Jubel bei den Solo-Vorhängen für sein überragendes Rollenportrait – es war sein Abend!

Am Pult des hoch gefahrenen, engagiert und klangschön aufspielenden Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck stand erstmals Johannes Klumpp, dessen zügiger, leicht historisierend klingender Mozart beschwingt, jedoch ohne Ecken und Kanten auskommt, den Sängern ein aufmerksamer Begleiter ist und der sie sicher durch den Abend bringt. Ihm, Sumiko Tokashima (am Hammerklavier), Michael Tomasi (Violincello), dem Chor des TLT (wie stets von Michael Roberge gewissenhaft vorbereitet), den Sängern und Musikern, aber auch dem Regie-Team dankten die Premierengäste mit überdurchschnittlich begeisterten, lange anhaltenden Ovationen. Eine Produktion, die die Abonnenten und den kaufmännischen Direktor des Hauses glücklich stimmen wird.  

Dietmar Plattner

 

 

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