Johann Adolf Hasse (1699 – 1783)
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik: „Semele“ von Johann Adolf Hasse (Vorstellung: 26. 8. 2018)
Im Rahmen der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik kam am 26. August 2018 im Tiroler Landestheater die Oper „Semele“ von Johann Adolf Hasse in einer halbszenischen Fassung in italienischer Sprache zur Aufführung. Unter dem Titel „La Semele, o sia La richiesta fatale“ (Semele oder Der verhängnisvolle Wunsch) wurde das als Serenata bezeichnete Werk im Herbst 1726 in einem Palazzo in Neapel uraufgeführt – angeblich unter Beteiligung des berühmten Kastraten Farinelli.
Johann Adolph Hasse (1699 – 1783), der Sohn einer norddeutschen Musikerfamilie und Schüler von Alessandro Scarlatti, wurde von seinen Zeitgenossen neben Bach, Händel und Vivaldi gestellt. Er arbeitete mit Pietro Metastasio, dem damals bedeutendsten Librettisten, eng zusammen, war mit dem Gesangsstar Farinelli befreundet und mit der berühmten Sängerin Faustina Bordoni verheiratet, die seine effektvollen Rache-, Eifersuchts- und Liebesarien liebte.
Im Jänner 1771 erhielt Hasse von Kaiserin Maria Theresia anlässlich der Hochzeit von Erzherzog Ferdinand mit Prinzessin Maria Beatrice d’Este den Auftrag, die Festoper Il Ruggiero nach einem Libretto von Metastasio zu schreiben. Sowohl Hasse wie auch Metastasio schlossen mit dieser Oper ihr Lebenswerk ab. Sie wurde am 16. Oktober 1771 im Teatro Regio Ducale in Mailand als Höhepunkt des musikalischen Rahmenprogramms der Hochzeitsfeierlichkeiten aufgeführt. Interessant ist, dass die tags darauf aufgeführte Oper Ascanio in Alba des 15jährigen Wolfgang Amadeus Mozart wesentlich größere Aufmerksamkeit erregte. Hasse soll daraufhin gesagt haben: „Dieser Knabe wird uns alle vergessen machen.“ Insgesamt schuf Hasse 42 Opern, die aber heutzutage nur selten zur Aufführung gelangen.
Der Inhalt der Oper Semele, deren Libretto Francesco Ricciardi verfasste, in Kurzfassung:
Semele, die Tochter des Cadmus, soll den Prinzen Athamas heiraten, worauf Jupiter seine Geliebte in Gestalt eines Adlers entführt. Die eifersüchtige Juno überredet Semele, von Jupiter zu verlangen, er solle sich in seiner wahren Göttergestalt zeigen. Als Semele ihren vermessenen Wunsch äußert, versucht Jupiter mit allerlei Mitteln, sie davon abzubringen. Doch Semele besteht darauf. Jupiter erscheint ihr als majestätische Lichtgestalt, worauf Semele in geistige Umnachtung fällt, ihr letztes Wort ist ein Adieu für Jupiter. Juno triumphiert und verspottet ihren Gemahl. Doch auf ein Zeichen des Göttervaters erwacht Semele wieder zum Leben. Jupiter gibt Juno, die nun seine Macht anerkennt, zu verstehen, dass sie sich wieder mit seinem Herzen vereinen könne. Er werde Semele ein Freund und Juno treu sein. Ein Terzett zum Schluss: „Unsere Herzen sollen Uneinigkeit und Eifersucht nicht mehr stören. Wenn uns Liebe und Treue vereinen, vergisst man schließlich jede Schmähung.“
In der Innsbrucker Inszenierung des deutschen Regisseurs Georg Quander agierte das dreiköpfige Sängerensemble in Kostümen (Entwürfe: Veronika Stemberger, die auch für die Einrichtung der Bühne zuständig war), aber ohne Bühnenbild. Für die Lichteffekte zeichnete Ralph Kopp verantwortlich. Erfreulich war die gute Personenführung des Regisseurs, denn die drei Sängerinnen brillierten nicht nur stimmlich, sondern auch schauspielerisch.
Jupiter (Sonia Prina) und Semele (Francesca Aspromonte) in Liebe entbrannt (Copyright: Rupert Larl)
In der Hosenrolle des Jupiter (Giove) beeindruckte die italienische Altistin Sonia Prina, die als Spezialistin für ehemalige Kastraten-Rollen gilt. Sie gab Jupiter in jeder Szene das nötige Profil – sei es als verliebter Gockel, als von Junos Eifersucht Gequälter oder als keinen Widerspruch duldender Göttervater.
Jupiters Gemahlin Juno (Giunone) wurde von der italienischen Sopranistin Roberta Invernizzi dargestellt. Auch sie spielte ihre Rolle überzeugend. In einer Szene heuchelt sie in der Gestalt Climenes mit köstlicher Mimik Freude über Semeles Glück. Stimmlich besonders eindrucksvoll kam ihre Rache-Arie als eifersüchtige Gattin über die Rampe.
Juno als Climene (Roberta Invernizzi) mit Semele (Francesca Aspromonte) Copyright: Rupert Larl)
Mit der Partie der Semele feierte die attraktive italienische Sopranistin Francesca Aspromonte ein gelungenes Debüt bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Ihre starke Bühnenausstrahlung und ihre warme Stimme wirkten nicht nur auf Jupiter verführerisch. Man kann sie als Idealbesetzung für die Titelrolle ansehen.
Das Orchester Le Musiche Nove, das sich vornehmlich der Aufführung von neu entdeckten Werken des barocken Opernrepertoires widmet, gaben unter der umsichtigen Leitung des Ensemblegründers Claudio Osele die reizvoll klingende Partitur des Komponisten Hasse sehr nuancenreich zum Besten. Dass hin und wieder die vielen Wiederholungen nervten, liegt nun einmal an der in der Barockzeit üblichen musikalischen Note.
Im ausführlich gestalteten Programmheft ist ein lesenswertes Interview mit dem Dirigenten Claudio Osele, der sich auch als Musikforscher einen Namen machte, abgedruckt. Daraus ein bemerkenswertes Zitat über den Komponisten der Oper „Semele“: „Hasse malt die Worte mit der Musik.“
Das Publikum im gutbesuchten Tiroler Landestheater feierte am Schluss der „göttlichen Dreiecksgeschichte“ die drei Sängerinnen, das Orchester und ihren Dirigenten sowie den Regisseur mit lang anhaltendem Beifall. Die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik warteten in diesem Jahr mit einem sehr abwechslungsreichen Opernprogramm auf – von Mercadante über Scarlatti und Cavalli bis Hasse –, das nicht nur die Fans der Barockzeit erfreute.
Udo Pacolt