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INNSBRUCK/ Festwochen der Alten Musik: NARCISO von Domenico Scarlatti

01.09.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Innsbrucker Festwochen der Alten Musik: „Narciso“ von Domenico Scarlatti (Vorstellung: 31. 8. 2014)

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Maite Beaumont als Narciso mit der Tänzerin Luisa Baldinetti in der Rolle des Cupido (Foto: Rupert Larl)

 Als dritte Barock-Opernrarität zeigten die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik in diesem Jahr im Tiroler Landestheater die Oper „Narciso“ von Domenico Scarlatti, die ihre Uraufführung 1720 in London hatte. Das Werk ist eine Neufassung einer von Scarlatti ursprünglich unter dem Titel Amor d’un‘ Ombra e Gelosia d’un’Aura für Rom komponierten Oper, die Pastorale und Dramma per musica in einem ist. Das Libretto wurde von Pietro Antonio Rolli nach Carlo Sigismondo Capece und den Metamorphosen von Ovid verfasst.

Georg Friedrich Händel bezeichnete Narciso als ein Meisterwerk und schätzte es sosehr, dass er es nach London mitnahm, um es am King’s Theatre, an dem damals seine eigenen Werke herauskamen, dem opernbegeisterten englischen Publikum zu präsentieren. Die Handlung der Oper in drei Akten, die in Innsbruck in der Londoner Urfassung und in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln aufgeführt wurde, in Kurzfassung: Narciso (Narziss) beteiligt sich mit den Prinzen Aristeo und Cefalo an der Jagd nach einem Eber, der das Land um Athen verwüstet. Wer das Tier erlegt, bekommt Procri, die Königin von Athen, zur Frau. Die Nymphe Eco (Echo) ist eifersüchtig, da sie glaubt, dass Narciso aus Liebe zur Königin an der Jagd teilnimmt. Nach vielen Irrungen und Verwirrungen gesteht Narciso der schwer unter ihrer Eifersucht leidenden Eco, dass er sich in sie verliebt habe. Schließlich gibt es das „barocke Happyend“ zweier Liebespaare: Narciso und Eco sowie Cefalo und Procri.

 Zum Nachdenken der vom Ensemble im Chor gesungene Schlusstext der Oper:

 Wenn noch ein Schatten Liebe entzündet,

wird eine Aura ihn eifersüchtig machen.

Aber wer Freude ohne Schmerzen will,

der wird nicht viel von Liebe verstehen.

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Die Inszenierung bot opulente Bühnenbilder – im Vordergrund Chiara Osella in der Rolle der liebeshungrigen Nymphe Eco (Foto: Rupert Larl)

Domenico Scarlatti (1685 – 1757), der als Kirchenmusiker und Opernkomponist in die Fußstapfen seines berühmten Vaters Alessandro Scarlatti (1660 – 1725) trat, war von 1709 bis 1714 in Rom Kapellmeister der Königin Casimira von Polen und verfasste 7 Opern für deren Privattheater. Er wurde durch seine kontrapunktische Meisterschaft und vollendete Melodik bekannt und bildete gemeinsam mit Händel die goldene Mitte zwischen der alten italienischen Schule und der neuen, galanten Operngeneration von Hasse und Porpora. Berühmt wurde Domenico Scarlatti durch seine großartigen Cembalo-Sonaten, die ab 1729 in Spanien entstanden und zu seiner Zeit alles in den Schatten stellten.

 Der italienische Geiger und Dirigent Fabio Biondi, der „Narciso“ für die Innsbrucker Festwochen wiederentdeckte und es mit seinem berühmten Ensemble Europa Galante  zur Aufführung brachte, bezeichnete Scarlattis Partitur als eine Musik „mit tiefgehendem Ausdruck, intensiven Gefühlen und einer engen Beziehung der Harmonik zum gesungenen Wort“.

 Davide Livermore, der für Regie und Bühnenbild verantwortlich zeichnete, verlegte das Werk ins Grand Hotel Arkadia, womit er die mythologische Handlung, die mit verwirrenden Liebeskonflikten gespickt ist, in das 20. Jahrhundert transferierte. Die schräge Bühne, auf der die Handlung abläuft, ist möglicherweise vom Regisseur als ironische Pointe gedacht. Ähnlich den weiblichen Hotelpagen, die fortwährend als Liebesgöttinnen (Cupido) über die Bühne wieseln und dabei allerlei „Schabernack“ mit den Hotelgästen treiben.  Jedenfalls gelang dem Regisseur eine flotte und sehr humorvolle Inszenierung, die das Publikum bis zum Schluss in ihren Bann zog. Es war eine blendende Idee, die Hotelpagen immer wieder ihre Liebespfeile symbolisch abschießen zu lassen. Weniger gut fanden manche Zuschauerinnen und Zuschauer, dass später auch Gewehre und Revolver zum Einsatz kamen, mit denen lautstark geschossen wurde. Als nach einem Schuss Cupido wie tot zusammenbrach, setzte heftiger Applaus ein, was wohl als eine Kritik an den Regisseur gedeutet werden kann!

 Die zum Teil sehr schicken, manchmal erotisch wirkenden Kostüme entwarf Mariana Fracasso. Besonders eindrucksvoll waren die farbenprächtigen Videoprojektionen, die stets für opulente Bilder sorgten, wie beispielsweise die Meereswellen, die über die Bühne zu schwappen und die Darsteller zu verschlingen drohten. Sie wurden von D-WOK gestaltet, einer Produktionsgruppe aus Turin, die sich auf Video-Design spezialisiert hat.

 Als Narciso brillierte die katalanische Mezzosopranistin Maite Beaumont, die mit ihrer breitgefächerten Stimme ihre Hosenrolle exzellent gestaltete. Ihr ebenbürtig war die italienische Mezzosopranistin Chiara Osella, eine Schülerin von Mirella Freni und Sara Mingardo, die als aufgehender Stern am italienischen Opernhimmel gilt. Als liebeshungrige und eifersüchtige Nymphe Eco, die sich aus Liebeskummer sogar in die Meereswellen stürzen will, konnte sie sowohl stimmlich wie schauspielerisch dem Ruf, der ihr vorauseilte, völlig gerecht werden.

 Dramatische Akzente setzte der aus Sizilien stammende Tenor Valentino Buzza in der Rolle 

des Prinzen Aristeo, der schließlich allein übrigbleibt, sich aber über das Glück der beiden Liebespaare freut. Zur starken Leistung des Ensembles trugen noch die beiden Sopranistinnen Hyekyung Choi als Procri, Königin von Athen, und Federica Alfano als Cefalo bei. Sowohl die Südkoreanerin wie auch die Italienerin konnten besonders schauspielerisch überzeugen.

 Ausgezeichnet waren die beiden Tänzerinnen Luisa Baldinetti und Fátima Sanlés als Cupido. Das „Hotelpagen-Duo“ brachte nicht nur Schwung und Humor auf die schräge Bühne, sondern in fast jeder Szene auch einen Schuss Erotik – nicht nur mit ihren abgefeuerten Liebespfeilen!

 Die Tänzerinnen wurden vom Publikum am Schluss ebenso frenetisch bejubelt wie das Sängerensemble und das Regieteam. Viele Bravi-Rufe gab es für Fabio Biondi, der neben der musikalischen Leitung auch Violine spielte, und für sein Orchester Europa Galante, das die farbenreiche Partitur des Komponisten mit allen Feinheiten wiedergab. Der Beifall des begeisterten Publikums wollte kein Ende nehmen. Mit dieser Opernproduktion setzten die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik einen „paukenhaften“ Schlusspunkt ihres diesjährigen erfolgreichen Programms.

 Udo Pacolt

 PS: Diese großartige und aufwendige Eigenproduktion der Innsbrucker Festwochen, die nur zweimal gespielt wurde, entstand in Kooperation mit dem Palau de les Arts Reina Sofia de Valencia.

 

 

 

 

 

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