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INNSBRUCK/ Festwochen der Alten Musik: LA CLEMENZA DI TITO

09.08.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Innsbruck – Festspiele der Alten Musik – LA CLEMENZA DI TITO von Wolfgang Amadeus Mozart – 7.8.2013


Kate Aldrich, Carlo Allemano. Foto: Rupert Larl/ Festwochen Innsbruck

 Alessandro De Marchi ist sehr entdeckungsfreudig. Denn der Dirigent und künstlerische Leiter der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik wählte für die Eröffnungsproduktion von Wolfgang Amadeus Mozarts „La clemenza di Tito“ nicht die Uraufführungspartitur von 1791, sondern präsentiert die letzte und im 19. Jahrhundert meistgespielte Oper des Salzburger Genius „Titus“ in einer 1804 am Wiener Kärntnertortheater verwendeten Bearbeitung. Diese wurde damals europaweit aufgeführt, was dem damaligen Zeitgeist, dem Zeitgeschmack und der damaligen Musikpraxis entsprach, worin auch auf die aktuelle Sängererfordernisse eingegangen wurde. Zwei zusätzliche Arien des Tito ersetzten jene von Mozart. Eine davon stammt von Joseph Weigl, der später Mozarts Assistent wurde und ein populärer Opernkomponist. Die andere von dessen Kollegen Johann Simon Mayr. Beide tun Mozarts Stil keine Gewalt an und fügen sich nahtlos ins Werk ein. Zusätzlich wurde noch ein Duett Tito-Sesto eingefügt.

Die Academia Montis Regalis, sein Originalklangensemble aus dem Piemont, mit nur kleinen Intonationstrübungen lässt De Marchi streichelweich und liebevoll musizieren. Manchmal hätte man sich aber ein intensiveres, temperamentvolles Musizieren und mehr Kanten gewünscht. Statt eines Hammerklaviers tönen bei der Continuo Begleitung bei den Rezitativen nur ein Cello und ein Kontrabass aus dem aus akustischen Gründen hochgefahrenen Graben, was sich zwar aus einer historischen Aufführungspraxis ableiten lässt, was aber sehr ungewohnte dunkle, brüchige, ja sogar dumpfe Klänge erzeugt.

Zu allererst muss man bei den Sängern Nina Bernsteiner erwähnen: Sie ist eine nuancenreiche Vitellia mit blitzsauberen Koloraturen, die auch ihre Rachsucht und Lüsternheit darstellerisch sehr auslebt. Ihr Objekt der Begierde ist Carlo Allemano, der als Tito nicht unbedingt über das schönste Timbre verfügt aber mit allen Spitzentönen und szenisch mit immenser innerer, zerrissener Präsenz punkten kann. Sesto wird von Kate Aldrich, die glaubhaft das missbrauchte Werkzeug der Vitellia darstellt, mit intensivem Mezzo und Differenzierungsreichtum gesungen. Als Servilia ist die süße Dana Marbach zu erleben. Ann-Beth Solvang gibt einen bubenhaften Annio. Marcell Bakonyi erlebt man mit seinem markigen Bass als Publio. Tadellos singt der Chor der Academia Montis Regalis.

Mozarts letzte Oper gilt nicht umsonst heute als szenisch schwer belebbar. Christoph von Bernuth gelingt es trotzdem, die heute nur noch schwer nachvollziehbare Story vom römischen Kaiser Titus Vespasianus mit seiner unendlichen Milde, die soweit geht, dass er auch jenen Menschen verzeiht, die ihm an den Kragen wollen, nachvollziehbar und zeitlos darzustellen. Und wie zeitlos Machtmissbrauch und Intrige, die eigentlichen Inhalte von Mozarts Oper, auch immer waren und immer sein werden. Bisweilen gelingt dem Operndirektor der Festwochen sogar packendes Musiktheater. Wenn es etwa zur ersten Konfrontation nach dem Brandanschlag auf das Kapitol zwischen Tito und Sesto kommt. Die Beziehung der beiden erhält auch noch einen ganz eigenen Drive, weil er sie nicht im Verhältnis Vater/Ziehsohn gezeigt werden sondern als richtiges Liebespaar. Bisweilen lässt Bernuth den Titelhelden beinahe wie einen Popstar auftreten und vom Volk mit Fähnchen, die seinen Namen und sein Bild tragen, bejubeln.

Der dominierende, weißgetünchte Riesenstuhl (Ausstattung: Oliver Helf), nicht nur Thron sondern auch Richtstuhl und Schlafstätte von Titus und Sesto, vermittelt auch die eindeutige Botschaft, dass Titus mit seinem Amt überfordert ist.

Großen Jubel gab es zum Finale!

 Helmut Christian Mayer

 

 

 

 

 

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