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INNSBRUCK/ Festwochen der Alten Musik: IL MATRIMONIO SEGRETO von Domenico Cimarosa

16.08.2016 | Oper

INNSBRUCK: FESTWOCHEN DER ALTEN MUSIK: IL MATRIMONIO SEGRETO von Domenico Cimarosa am 12.8.2016

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Zoff im Hühnerstall. Copyright: Rupert Larl/ Festwochen der Alten Musik

 Es gibt ja auch so etwas wie einen Rassismus in der Musik. Wehe dem wütenden Unhold, der es wagt, auch nur eine Fermate bei Wagner zu kürzen. Aber bei Händel, Vivaldi, Rossini, Meyerbeer, Offenbach(und überhaupt allen Operetten) ist es nach wie vor gang und gäbe, ja geradezu die Norm, brutalste Striche vorzunehmen. Besonders dreiste Vertreter dieser schändlichen Praxis behaupten sogar, gewisse Opern seien nur durch solche amputierende Eingriffe zu retten und überhaupt aufführbar.

Domenico Cimarosas für den Wiener Hof geschriebenes buffa-Meisterwerk „Il Matrimonio segreto“(Die heimliche Ehe) erlitt z.B. so ein Schicksal. Es verschwand zwar nie ganz von den Spielplänen, überlebte aber nur in äußerst verstümmelter, um eine Stunde reduzierter, aller schwieriger Koloraturen beraubter Form. Cimarosa light sozusagen.

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Der Hühnerstall: Copyright: Rupert Larl/ Festwochen der Alten Musik

Umso höher ist es Alessandro de Marchi anzurechnen, zum 40. Jubiläum der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik „Il Matrimonio segreto“ in seiner ursprünglichen Gestalt, in der ungekürzten Originalfassung, im „Composer’s Cut“ zum ersten Mal in modernen Zeiten wieder-aufgeführt zu haben.

Die Premiere gestaltete sich – trotz oder wegen der vierstündigen Aufführungsdauer – zu einem veritablen Triumph. Wozu sicher nicht wenig die originelle und witzige Regie und Ausstattung des kanadischen Duos Barbe & Doucet beigetragen hat. Die beiden verlegen nämlich die Handlung (sich dafür mit einigen Zitaten des Librettos – „Streithenne! Eingebildete Pute ! Macht kein solches Gegacker! Ihr führt euch auf wie im Hühnerstall !“ – rechtfertigend) in einen H ü h n e r s t a l l. Erstaunlicherweise geht sich dieser auf den ersten Blick reichlich bizarr wirkende Einfall für die meiste Zeit doch verblüffend gut aus – vor allem durch die geglückte optische Engführung von Hühnergefieder und der kriolinenlastigen Mode des französischen Hofes. Die geflügelartigen Gesten und Bewegungen des Ensembles (mit den Füßen scharren ! Eier legen !!) verstärken dann noch den unterhaltsamen Effekt. Zu monieren wäre allerdings, dass dieses ohne Abstriche durchgezogene „Zoff im Hühnerstall“- Prinzip die gar nicht soo komische Geschichte letzten Endes ihrer Dimension der Ernsthaftigkeit, der kontinuierlichen Bedrohung, der unterschwelligen Tragik  beraubt.

Denn die Hauptfigur, die entzückende junge „fatale Henne“ Carolina könnte man ja auch als eine Art Schwester im Geiste der De Sade-schen Heroine Justine („oder das Missgeschick der Tugend“) ansehen, die in ihrer jungfräulichen Unschuld ohne Unterlass dem unerwünschten Begehren ihrer lüsternen männlichen Umwelt ausgesetzt ist und sich pausenlos dagegen wehren muss.

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Der Hahn und die Henne. Copyright: Rupert Larl/ Festwochen der Alten Musik

Alessandro de Marchi entlockt seiner Academia Montis Regalis schwungvolle, differenzierte, kultivierte, heitere Töne.

Brilliant die Sänger/innen: die aus dem festivaleigenen Cesti-Wettbewerb hervorgegange Giulia Semenzato (Carolina), der man eine große Karriere voraussagen möchte, aber auch die bewährte Klara Ek (als hässliche Schwester Elisetta), Loriana Castellano ( eingesprungen für die durch einen versuchten Handtaschenraub verletzte Vesselina Kasarova) als Fidelma und last but not least die beiden Obergockel Renato Girolami (Graf Robinson) und Donato di Stefano (Geronimo)

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Der Gockel und die Küken. Copyright: Rupert Larl/ Festwochen der Alten Musik

Ein Triumph, wie schon gesagt. Die unbedingte Notwendigkeit einer weiteren Begegnung mit diesem dem Figaro sehr ähnlichen, aber n a c h ihm entstandenen und den Vergleich mit Mozart naturgemäß nicht standhaltenden Werk, verspürt man vielleicht nicht unbedingt. Aber es einmal so gehört und gesehen zu haben wie vom Komponisten intendiert, also das war schon sehr interessant, erkenntnisfördernd – und durchaus vergnüglich.

Robert Quitta, Innsbruck

 

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