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INNSBRUCK/ Festwochen der Alten Musik: IDALMA von Bernardo Pasquini. „Opernausgrabung“

09.08.2021 | Oper in Österreich

Opernausgrabung bei den „Innsbrucker Festwochen der Alten Musik“:

„Idalma“ von Bernardo Pasquini (Vorstellung: 8. 8. 2021)

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Szenenfoto der Oper „Idalma“: Foto: Birgit Gufler

Auch in diesem von der Corona-Pandemie stark betroffenen Jahr warteten die „Innsbrucker Festwochen der Alten Musik“ mit einer besonderen Opernrarität auf: „L’Idalma overo Chi la dura la vince“ („Idalma oder Wer durchhält, gewinnt“) von Bernardo Pasquini. Die im Jahr 1680 in Rom uraufgeführte Oper verzeichnete einen großen Erfolg und wurde daraufhin in ganz Italien nachgespielt. Inzwischen gilt „Idalma“ als Höhepunkt im Opernschaffen Pasquinis. Auf Grundlage der Handschrift V.m. 4.19 der Bibliothèque nationale de France erstellte Alessandro De Marchi, der seit mehr als zehn Jahren Intendant der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ist, gemeinsam mit Giovanna Barbati eine Neuedition der Oper, die im Innsbrucker Haus der Musik in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln (Einrichtung: Christian Steinbock) aufgeführt wurde.

Bernardo Pasquini (1637 – 1710), der seinen ersten Unterricht durch Mariotto Bocciantini erhielt, lebte ab 1650 in Ferrara bei seinem Onkel, der Priester war. Von Anfang 1654 bis November 1655 war er Organist an der Accademia della morte in Ferrara, ehe er sich in Rom niederließ, wo er an verschiedenen römischen Kirchen Organist war. 1664 reiste er im Gefolge des Kardinals Flavio Chiginach nach Frankreich an den Hof Ludwigs XIV. Ab November 1667 stand er in den Diensten der Fürsten Borghese. Zwischen 1672 und 1694 komponierte Pasquini zahlreiche Opern, Oratorien, Serenaden und Kantaten für viele Vertreter des römischen Hochadels. Zu Ehren der Königin Christina von Schweden wurden seine Opern L’amor per vendetta ovvero l’Alcasta (1673) und Il Lisimaco (1681) aufgeführt. Insgesamt komponierte Pasquini 14 Opern, die alle sehr erfolgreich waren.

Heutzutage gilt „Idalma“ als sein musikalisch bestes Werk. „Es beinhaltet alles, was eine gute Oper braucht: wunderschöne Musik und ein ansprechendes Libretto mit großen Gefühlen“, schwärmte Alessandro De Marchi, der es sich auch nicht nehmen ließ, das Werk selbst auf die Bühne zu bringen. Das Libretto der Oper in drei Akten verfasste der italienische Dichter Giuseppe Domenico de Totis, dessen Texte in vielen Arien sehr poesievoll waren.

Für die Inszenierung zeichnete die junge italienische Regisseurin Alessandra Premoli verantwortlich, die mit verschiedenen Ideen versuchte, durch die Abgründe und Verwirrungen der Handlung zu führen. Eher merkwürdig ihre Idee, drei „Bauarbeiter“ mit einer „Architektin“ als Statisten fast ununterbrochen über die Bühne rennen zu lassen. Möglicherweise wollte sie damit die Verwirrungen der Handlung dem Publikum optisch näherbringen.

Für das nicht weniger verwirrende Bühnenbild, das durch die „Bauarbeiter“ ständig verändert wurde, zeichnete Nathalie Deana verantwortlich, für die barock wirkenden Kostüme Anna Missaglia. Für das oftmals originelle Lichtdesign sorgte Antonio Castro.

Die Oper spielt in Rom und Neapel und zeigt vor allem auf verwirrende Art die Probleme von Frauen und Männern in der Liebe, wobei Eifersucht und Hassgefühle immer größere Bedeutung bekommen. Selbstmordgedanken, aber auch Mordpläne werden von Akt zu Akt stärker und spiegeln die seelischen Abgründe der Menschen immer deutlicher wider. Erst zum Schluss kommt es zur Versöhnung der Paare. Das Fazit zieht ein Sprichwort: la vince chi dura – „wer aushält, gewinnt“.

Für die hohe musikalische Qualität der Aufführung sorgte das Innsbrucker Festwochenorchester unter der Leitung von Alessandro De Marchi, dessen einfühlsames Dirigat schon bei der Ouvertüre exzellent zur Geltung kam. Präzis auch die jeweiligen Einsätze für die Sängerinnen und Sänger. Ausgezeichnet waren die Leistungen des gesamten Sängerensembles, das auch in der Darstellung der einzelnen Figuren zu begeistern wusste.

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Arianna  Vendittelli  als Idalma  (Foto: Birgit Gufler)

Eindrucksvoll sang und spielte die aus Rom gebürtige Sopranistin Arianna Vendittelli, die im Jahr 2015 den Publikumspreis beim Cesti-Wettbewerb in Innsbruck gewann, die Titelrolle. Als Idalma konnte sie sowohl als Dulderin wie auch als starke Frau in jeder Arie überzeugen. Ihr ebenbürtig zeigte sich die in Lecco geborene Margherita Maria Sala mit ihrer Contralto-Stimme als Widersacherin Irene. Gesanglich wie schauspielerisch konnte die Sängerin, die im Jahr 2020 den Cesti-Gesangswettbewerb gewinnen konnte und auch den Publikumspreis erhielt, in jeder Szene gefallen.

Hervorragend agierte der britische Tenor Rupert Charlesworth als Gatte der Idalma. Er war ebenfalls Preisträger diverser Gesangswettbewerbe und überzeugte sowohl gesanglich wie  darstellerisch in jeder Szene. Wie auch der australische Bariton Morgan Pearse in der Rolle des Bruders von Irene. Er hatte sich bereits als Konzertsänger international einen Namen gemacht. Als Ehegatte von Irene brillierte stimmlich wie darstellerisch der spanische Tenor Juan Sancho, der zunächst eine Ausbildung als Pianist erhielt, ehe er als Sänger große Erfolge feiern konnte.

Mit einer exzellenten Leistung wartete die in Osttirol geborene Sopranistin Anita Rosati auf, die den Pagen der Irene mit tollem Einsatz spielte, wobei auch ihre hell tönende Stimme voll zur Geltung kam. Eine sehens- und hörenswerte Rollengestaltung. Stimmlich ebenfalls überzeugend der italienische Bass Rocco Cavalluzzi als Diener von Idalmas Ehemann, der gleichfalls mehrere Gesangswettbewerbe gewann. Auch er spielte seine Rolle sehr publikumswirksam.

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Szene mit den Bauarbeitern. Foto: Festwochen der Alten Musik

Erwähnenswert eine Szene im letzten Akt: Die Schauspielerin Aleksandra Bujak, die eine Statistenrolle als Chefin der „Bauarbeiter“ innehatte, war mit diversen Plänen beschäftigt und agierte konzentriert auf der Bühne, während ein Sänger eine Arie zum Besten gab, wobei er der Architektin einen Klaps auf den Po gab. Sie machte einen Sprung vorwärts und studierte weiter einen Plan. Wenig später trat der Sänger hinter sie und gab ihr nochmals einen Klaps auf den Po. Sie wandte sich um und sah in ihrer Nähe einen der „Bauarbeiter“ stehen, dem sie prompt eine schallende Ohrfeige gab, worauf zwei oder drei Frauen im Publikum applaudierten. Es war der einzige Szenenbeifall in der ganzen Oper! Applaus für eine Ohrfeige an einem falschen Mann? „Me too“-Effekte, die zum Nachdenken führen sollten! Ein Regie-Gag der überflüssigen Art!

Am Schluss lang anhaltender Beifall des Publikums für das gesamte Sängerensemble und für die Statisterie sowie für das Orchester und seinen Dirigenten mit zahlreichen „Bravi“-Rufen. Dazu noch ein Geigensolo als Geburtstagsgruß an Alessandro De Marchi, der sich darüber sichtlich erfreut zeigte. Man muss ihm zu seiner neuerlichen Opernausgrabung herzlich  gratulieren und ihm auch als Redaktion alles Gute für die Zukunft wünschen.

Udo Pacolt

 

 

 

 

 

 

 

 

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