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INNSBRUCK: DIE LUSTIGE WITWE

08.04.2012 | KRITIKEN, Oper

Innsbruck: „DIE LUSTIGE WITWE“ 7.4. (Premiere 17.12.11) – Pontevedro oder Griechenland?:


Eva Lind als Hanna Glawari. Foto: Rupert Larl

 Sage noch einer, Operette sei nicht mehr aktuell! Die Beschäftigung mit einem der berühmtesten Beispiele ihrer Silbernen Aera fördert Handlungselemente zutage, die Parallelen zur Finanzkrise einiger Euro-Länder unserer Tage aufweisen. Natürlich wird dem Genre gemäß die Rettung nicht durch einen Pakt der anderen Länder, sondern mit der Sicherung eines gewaltigen Privatvermögens durch eine testamentgerechte Verheiratung angestrebt, was was Franz Léhar inmitten einer am drohenden Staatsbankrott vergnügungssüchtig entlang taumelnden Gesellschaft die Gelegenheit zu keineswegs nur oberflächlich unterhaltsam entwickelten Liebesverwicklungen gab. Wer den rhythmischen und instrumentatorischen Aufbau der Partitur genauer betrachtet, stößt auf eine Struktur, die in ihrer situationsgemäßen Sinnhaftigkeit über die Begleitung hinaus ein Psychogramm der jeweiligen Textäußerungen bis hin zur zunächst wortlosen Liebeserklärung Danilos ist.

Hansjörg Sofka, der als musikalischer Assistent diese Vorstellung am Ostersamstag leitete, gelang es leider nicht durchgängig den Gehalt des orchestralen Parts transparent und raffiniert genug ausspielen zu lassen. Da herrschte beim durchaus mit Schwung und guter Laune agierenden Tiroler Symphonieorchester Innsbruck vor allem in den personalreichen Szenen mehr Einheitslautstärke als es den teils feinen tänzerischen Rhythmen, aber auch den Stimmen gut tat. Was musikalisch an teilweise mangelnder  Differenzierung und Grobschlächtigkeit hängen blieb, förderte die Inszenierung von Thomas Enzinger mit sicherem Gespür zwischen Übertreibung und Verharmlosung zutage. In einem etwas klinisch kühlen, aber mit Hilfe der Beleuchtung glanzvoll schicken Design mit hoher Quertreppe, einem quaderförmigen Pavillon, auf dem – wie anspielungsreich – das sogenannte Goldene Kalb thront, und nur wenigen Sitzgelegenheiten wie zwei eiförmigen, überdachten und mit Damast bespannten Sesseln, sowie einer heutigen mondänen Abendgesellschaft angemessenen Kostümen (beides von Toto), entfaltet sich ein Spiel, das auch in den oft problematischen Dialogen immer flüssig bleibt und nachdenklichen Momenten wie auch Pointen gleichermaßen Raum gewährt.

Für die pontevedrinische Millionärswitwe Hanna Glawari wird zum Auftritt ein Gewittersturm entfacht und der rote Teppich ausgerollt, in den sich später ihr übernächtigter Landsmann Graf Danilo zum Schlafen wickelt. Zur Stimmung des von Hanna gegebenen Festes werden Fackeln entzündet; die vor allem das entscheidende Temperament mitbringenden Grisetten schwingen ihre Beine im Rotlichtschein mit Flitter erfüllter Luft und herabschwebenden Luftballons. Und nachdem Hanna und Danilo nach langem Für und Wider doch noch eins geworden und die Millionen für den Staat gerettet sind sowie der Landesfürst Baron Zeta die Treue seiner Frau Valencienne mit ihrem schriftlichen Bekenntnis, eine anständige Frau zu sein, bestätigt bekommen hat, verewigt der umtriebige Kanzlist Njegus die ganze Gesellschaft mit einem Fotoapparat.

Musikalisch hatte die Vorstellung wie schon erwähnt viel Schmackes, manches blieb indes aufgrund einer nicht immer vorteilhaften Balance zwischen dem phasenweise zu symphonisch aufrauschenden Orchester und teilweise eher kleinen Stimmen, aber auch ungenauer Artikulation unterbelichtet. Die dominierende Persönlichkeit unter den Solisten war der physisch an Thomas Hampson erinnernde Niederländer Peter Bording. Seine Musical-Erfahrung ist in der lockeren Verbindung von Sprache, Gesang und tänzerischer Beweglichkeit jederzeit zu spüren. Mit zu Danilos Müßiggängertum passendem rauem Charme treibt er das Spiel mit Hanna, deren einstige feste Bindung am standesbedingten Widerspruch seiner Familie gescheitert war, auf raffiniert zweischneidige Art und kann sich mit tragfähigem und höhenfülligem , nur manchmal etwas an einfühlsamem Legato vermissen lassendem Bariton ohne Mühe behaupten. Leider war dies der Lokalmatadorin Eva Lind nur eingeschränkt möglich. Hinreißend elegant ist ihre Erscheinung in verschiedenen Abendroben, fast zu lieb und reizvoll ihre Ausstrahlung für eine Diva, doch gesanglich fehlt ihrem unverändert hoch gelagert schmalen Sopran der körperliche Unterbau in Mittellage und Tiefe und damit bei entscheidenden Stellen auch die Durchschlagskraft und jenes unwiderstehliche Feuer, das Hanna nicht nur wegen ihres Geldes auch als Frau so begehrlich macht.

Im Vergleich hatte Sophie Mitterhuber als Valencienne den lyrisch gehaltvolleren Sopran, und auch etwas mehr gestalterischen Biss, so dass ein Rollentausch durchaus nahe liegt. Ihren Anbeter Rosillon stattet der 2012/13 an die Wiener Volksoper wechselnde Thomas Paul  mit engagiert aus knabenhafter Bravheit und männlicher Emphase gewürztem Spiel und etwas steif geführtem und zwischen schwacher Mittellage und nicht ganz frei entfalteter durchschlagender Höhe noch unorganisch bewegtem Tenor (mit bemerkenswert schönem Timbre und Material!) aus. Hannas anführende Heiratskandidaten Cascada und St.Brioche werden von dem kultiviert und durchweg wohlgeformten Bariton Matthias Wölbitsch bzw. dem kräftigen Tenor von Ansgar Matthes lebhaft in Szene gesetzt. In der Rolle des Faktotums Njegus ist Dale Albright der ideale Komiker und ein unverzichtbarer Charakterinterpret, der in allen Situationen kommunikativ voll auf dem Posten ist und mit dem aus Lehars „Graf von Luxemburg“ entliehenen und textlich im Nestroy-Stil mit aktuellen Bezügen extemporierten Couplet „Alles mit Ruhe genießen“  einen erforderlichen szenischen Umbau köstlich und treffsicher überbrückt. Besonders das Zusammenspiel mit dem präsenten, in der Höhe etwas harten Bariton Kenneth Derby als Baron Zeta funktionierte auf Augenhöhe.

Die Damen und Herren des Chores Des Tiroler Landestheaters tragen vorteilhaft eingekleidet und mit ausreichendem stimmlichem Volumen zur Belebung der Ensemble-Szenen bei.

Trotz musikalischer Einschränkungen eine kurzweilige, amüsierende Operetten-stimmige Aufführung, deren entscheidendes gewisses Etwas sich im begeisterten Applaus mit entsprechenden Solo-Ovationen niederschlug.                                                          

Udo Klebes

 

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