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INGOLSTADT: L’AVARO von Giovanni Simone Mayr

04.08.2014 | KRITIKEN, Oper

INGOLSTADT: L’AVARO von Giovanni Simone Mayr
am 2.8. (Werner Häußner)

 Eine leichtfüßige Sommerunterhaltung hätte es werden sollen, doch wie so oft in diesen nassen Augusttagen verregnete ein Gewitter das Vorhaben. So musste Giovanni Simone Mayrs „L’Avaro“ in den Ingolstädter Festsaal verlegt werden – kein atmosphärisch passender Ort für die unterhaltsame Miniatur nach Carlo Goldonis „Der Geizige“. Ein Podium und ein Paravent, viel mehr hatte die Bühne von Sean McAlister nicht zu bieten; auch die Kostüme von Ana Spinelli kamen über bunten Mummenschanz nicht hinaus. Wo Natur oder Architektur eine Bühne bilden, mag das genügen; unter den sachlichen Linien des modernen Baus blieb die Wirkung leider aus.

Das lag aber nicht allein an den ungünstigen räumlichen Gegebenheiten: Michael Lochar, als Regisseur bisher nicht hervorgetreten, hatte nicht einmal ein handwerklich akzeptables Arrangement der Figuren zu bieten; von einer Deutung oder Durchbildung der Komödientypen ganz zu schweigen. Lochar ist nach Angaben des Programms Promotion Manager bei Ricordi und Inhaber eines eigenen Musikverlags. Für künftige Aufführungen sollten sich der Verein Arosa Kultur aus dem Schweizer Kurort und die Simon-Mayr-Gesellschaft einen versierten Regisseur suchen – es gibt genug jungen Nachwuchs, der eine solche Aufgabe gerne übernimmt.

Die beiden Partner als Träger des an sich löblichen Projekts, alle zwei Jahre eine der komischen Kurzopern Mayrs zu präsentieren, hatten 2012 nach einer erfolgreichen Aufführung von „Der Essighändler“ die Kooperation beschlossen, in die auch das Georgische Kammerorchester Ingolstadt einbezogen ist. Dessen Musiker sorgten für den Lichtblick des Abends: Mayrs vitale, bewegliche Musik überzeugt voll und ganz, wenn sie so sorgfältig und sicher gespielt wird. Die prominenten Bläserstellen und -soli geben den einfachen, gekonnt gebildeten melodischen Phrasen Würze und Pfiff; in den humorvollen Charakterisierungen und den energischen Crescendi hört man, wo Gioacchino Rossini zehn Jahre später angeknüpft hat.

Mayrs Musik bietet unkompliziertes Hörvergnügen. Sie ist beste Gebrauchsmusik an der Wende zum 19. Jahrhundert. Kein Wunder, dass die Venezianer in diese kurzweiligen „Farse“ strömten. Die junge griechische Dirigentin Zoi Tsokanou, ab Herbst Zweite Kapellmeisterin am Theater Erfurt, hat offenbar noch wenig Erfahrung mit Genre und Epoche der Mayr-Oper: Untadelig ihr Schlag, aber zu wenig pointiert die Artikulation, zu brav die Tempi.

Die Öperchen waren damals – „L’Avaro wurde 1799 uraufgeführt – so etwas wie das Unterhaltungsprogramm des Fernsehens heute. Das Schema der Handlung ist kaum variiert, die Personen des Dramas gewinnen noch wenig individuelles Profil. Den geizigen Ambrosius, der seine verwitwete Schwiegertochter, seine Nichte und einen offenbar nicht unter Bachelor-Creditpoint-Belastung leidenden Studenten der Jurisprudenz gerne loswerden möchte, kannte man aus dem Alltag. Es geht um die Mitgift für die (wieder) heiratswilligen Damen und um die üblichen amourösen Verwicklungen.

Am Ende haben sich die beiden Paare und der Alte behält sein Geld. Über die Sänger mag die Höflichkeit schweigen; lediglich Larissa Bretscher als Armellina formuliert mit feiner Soubrettenstimme ihren Wunsch nach einer romantischen Beziehung. 2016 soll es wieder einer Mayr-Oper geben, und es ist zu hoffen, dass Thalia und Polyhymnia im Verein dem Vorhaben zum Erfolg verhelfen – und beide ihren Vater Zeus davon abhalten, Blitz und Donner ausgerechnet dann über Arosa und Ingolstadt zu schleudern, wenn „Papa Mayrs“ reizende Klänge die Nacht durchwehen sollen!

Werner Häußner

 

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