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HILDESHEIM: ERWIN UND ELMIRE (Othmar Schoeck)/ DER ZERBROCHNE KRUG (Viktor Ullmann)

01.06.2012 | KRITIKEN, Oper

Zwei Opernraritäten in Hildesheim: „Erwin und Elmire“ von Othmar Schoeck und „Der zerbrochene Krug“ von Viktor Ullmann (Vorstellung: 31. Mai 2012)


Daniel Jenz (Erwin) in Erwartung von Elmire. Foto: TfN. Hildesheim

Im Theater für Niedersachsen in Hildesheim kamen Ende Februar 2012 zwei Einakter auf die Bühne, die man zu den Opernraritäten zählen darf: „Erwin und Elmire“ des spätromantischen Schweizer Komponisten Othmar Schoeck nach einem Bühnenwerk von Johann Wolfgang von Goethe und „Der zerbrochene Krug“ des österreichischen Komponisten Viktor Ullmann nach dem berühmten Lustspiel von Heinrich von Kleist. Während „Erwin und Elmire“ bereits 1916 in Zürich uraufgeführt wurde, kam die von Ullmann 1941kurz vor seiner Deportation nach Theresienstadt komponierte Oper erst im Jahr 1996 in Weimar zur Uraufführung.

Für Wolfgang Gropper war es das Regiedebüt am Theater für Niedersachsen. In einem Interview erläuterte er, was ihn an diesem Engagement besonders reizte: „Für mich ist es etwas Besonderes, Goethe und Kleist an einem Abend auf dieselbe Bühne zu bringen – nicht nur wegen der persönlichen Geschichte, die beide Autoren miteinander hatten und die in der Weimarer Uraufführung von Kleists Lustspiel durch den Regisseur Goethe kulminierte. Das Goethe-Stück zeigt eine heile Welt und das Kleist-Stück eine zerscherbte Welt. Die Kompositionen entsprechen dieser Unterschiedlichkeit.“

Es gelang dem Regisseur, diese Unterschiedlichkeit der beiden Werke durch eine gute Personenführung herauszuarbeiten, wobei ihm die Bühnen- und Kostümbildnerin Ulrike Schlemm hilfreich zur Seite stand. Ihr Einheitsraum, in dem sie im ersten Teil der Schoeck-Oper ein Klavier, im zweiten Teil einen Blumengarten mit einem Zelt und in der Ullmann-Oper eine Schlafstätte und einen Schreibtisch als einzige größere Requisiten auf die Bühne stellte, unterstrich die Verbindung der beiden Werke. Gut abgestimmt waren die vorwiegend im bäuerlichen Stil gehaltenen Kostüme.

Im Singspiel „Erwin und Elmire“ wird das schwierige Zusammenfinden zweier junger Liebenden bis zum Happyend auf erfrischende Art geschildert. Der Tenor Daniel Jenz gab einen scheuen Verliebten, der unter dem ausgelassenen und oft zänkischen Verhalten seiner von ihm angebeteten Elmire leidet, die von der Sopranistin Antonia Radneva sehr sympathisch dargestellt wurde. Bernardo, den umtriebigen Vermittler des Paares, spielte der Bariton Albrecht Pöhl als väterlichen Freund, die Mezzosopranistin Dorothee Schlemm gab die liebevolle Mutter Olympia.


Schlussbild aus dem „Zerbrochnen Krug“. Foto: TfN.Hildesheim

Im „Zerbrochenen Krug“ begeisterte der kernige Bariton Uwe Tobias Hieronimi als Dorfrichter Adam sowohl stimmlich wie auch schauspielerisch. Köstlich, wie er die Abgründe seiner Rolle auf tragikomische Weise darzustellen verstand. Seine Gestik und Mimik waren sehenswert, als er die Klage über einen Krug verhandeln soll, den er selbst zu Bruche hatte gehen lassen, ehe er schließlich die Flucht ergreift, um seine eigene Haut zu retten. Stimmlich ausgezeichnet Dorothee Schlemm als Frau Marthe, die gestenreich und wortdeutlich ihre Attacken vor Gericht reitet. Gut auch die Sopranistin Denise Fischer als deren Tochter Eve, die ihr Vertrauen in Dorfrichter Adam getäuscht sehen muss und darüber schier in Verzweiflung gerät.

Aus dem großen und gut abgestimmten Ensemble seien noch genannt: Albrecht Pöhl als Gerichtsrat Walter, der Tenor Jan Kristof Schliep als Schreiber Licht, der mit stoischer Ruhe die Probleme um den Dorfrichter zu lösen versucht, der Bass Levente György als Bauer Veit Tümpel und Christian S. Malchow, der als sein Sohn Ruprecht mit kräftiger Tenorstimme und ausdrucksstarkem Spiel überzeugte.

Das Orchester des Theaters für Niedersachsen unter der Leitung von Werner Seitzer war bei Ullmanns expressiver Partitur, die manchmal an Schönberg erinnerte, stärker gefordert als bei der romantischen Bühnenmusik von Schoeck. Das Publikum im recht gut besuchten Haus dankte am Schluss allen Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus.

Es ist zu hoffen, dass manchem Zuschauer der im Ausruf „Fiat iustitia“ gipfelnde und an die Wand der Gerichtsstube mit roter Farbe gemalte Schrei nach Gerechtigkeit an das tragische Schicksal des Komponisten Viktor Ullmann denken ließ, der wenige Wochen nach Beendigung seiner Oper Der zerbrochene Krieg nach Theresienstadt abtransportiert und zwei Jahre danach im KZ Auschwitz ermordet wurde.

Udo Pacolt, Wien – München

PS: Die beiden Opern-Einakter werden in Hildesheim noch am 12. 6. und 2. 7. gespielt.

 

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