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HELSINKI Finnische Nationaloper LADY MACBETH VON MZENSK

10.02.2017 | Oper
Die Vergewaltigungsszene

Die Vergewaltigungsszene  Copyright: Finnische Nationaloper/Stefan Bremer

HELSINKI  Finnische Nationaloper (Suomen kansallisoopera)
LADY MACBETH VON MZENSK von Dmitri Schostakowitsch
9.Februar 2017

 

”Chaos anstelle von Musik”…

… Mit diesem Titel eines Leitartikels aus der russischen Prawda wird man unweigerlich konfrontiert, wenn man sich mit diesem Werk Schostakowitschs beschäftigt. Erschienen ist dieser wenige Tage nach der äußerst erfolgreichen Uraufführung im Jahre 1934 in Leningrad. Kurz darauf war der junge Komponist unter stalinistischer Zensur zu einer Milderung und Glättung seiner Oper gezwungen. Heutzutage wird die Urform aufgeführt. Natürlich ist man als begeisterter Opernbesucher stets mit den Themen Liebe, Verrat, Hoffnung, Mord und Tod konfrontiert, wobei diese Themen in Lady Macbeth an die Spitze getrieben werden und einem in verzerrter, brutalisierter Form wieder begegnen.

Die unglückliche Katerina Izmailova wünscht sich nichts sehnlicher, als aus ihrem langweiligen, trost- und lieblosen Leben auszubrechen. Schwiegervater Boris überwacht die junge Frau mit strenger Hand und empfindet ihr gegenüber zugleich auch erotische Gefühle. Als er zu ihr will, während sein Sohn Zinovij auf Geschäftsreise ist, entdeckt er ihren Liebhaber Sergeij, ein neuer Arbeiter im – in dieser Inszenierung zumindest – Fischhandel der Familie Izmailov. Wütend peitscht er auf den Liebhaber ein und sperrt ihn in den Keller ein. Daraufhin vergiftet Katerina Boris. Als Zinovij zurückkommt, weiß er schon um die Treulosigkeit seiner Frau, woraufhin Katerina und Sergeij auch ihn umbringen. Bei der Hochzeitsfeier von Katerina und Sergeij findet aber ein betrunkener Gast auf der Suche nach Wodka die Leiche. Die Polizei nimmt sobald das Brautpaar fest. Beide werden ins Arbeitslager nach Sibirien verfrachtet. Sergeij findet aber schon eine neue Liebe auf dem Weg dorthin. Katerina stürzt sich gemeinsam mit Sergeijs neuer Flamme in einen eiskalten, reißenden Fluss und beide sterben.

Svetlana Sozdateleva glänzt in der Rolle der Katerina: schon am Anfang des ersten Aktes gelingt es ihr die Abscheu, welche Katerina gegen ihren Schwiegervater hegt, so überzeugend darzustellen, dass man selbst beginnt, Boris starke Antipathie entgegen zu bringen. Ihre Höhen sind sehr metallisch, ihre Stimme führt sie in den hohen Lagen recht hart,  was aber bestens zur Portraitierung der Rolle passt, ist doch diese voller ”Schreie” und nicht auf lange, fließende Belcantopassagen ausgerichtet. Besonders schön ist ihre mittlere und tiefe Lage und hat in diesen viel Kraft. Sie schafft es, die vielschichtigen Emotionen der Katerina auf das Publikum zu übertragen und beeindruckt noch dazu mit einem unglaublichen Durchhaltevermögen.

Auch Alexey Korsarev ist eine ausgezeichnete Wahl für die Rolle des Sergeij und das passende Gegenstück zu der zweiten Tenorrolle des Zinovij Ismailov. Er singt weich und verführerisch, umwirbt seine Katerina schmeichlerisch und harmoniert auf der Bühne sehr gut mit Sozdateleva, was sehr wichtig ist, müssen beide Sänger doch sehr eng miteinander auf Tuchfühlung gehen. Mika Pohjonen hat seinen Glanzmoment im Streit zwischen Zinovij und Katerina; stimmlich wird hier der Unterschied zu Korsarev besonders deutlich. Pohjonens Stimmfarbe ist merklich kühler, was aber auch in diesem Falle die Aufgabe ist.

Es war schade, dass im Laufe des Abends Boris Izmailov auf der Bühne sterben muss, was doch bedeutete, dass man im weiteren Verlauf auf die eindringliche und schön gefärbte Bassstimme von Alexander Teliga verzichten musste. Teliga stellt hervorragend einen widerlichen, alten Mann dar und so kann man die Beweggründe der Katerina für den Mord noch leichter nachvollziehen und sich in ihre prekäre Situation hinein versetzen.

Die Darsteller der vielen kleineren Rollen in Lady Macbeth waren auch sorgsam besetzt. Besonders hervorzuheben ist hier wohl Esa Ruuttunen, Publikumsliebling an sämtlichen finnischen Opernbühnen, als alter Gefangener. Bei solch einer noch immer kraftvollen Stimme ist es schwer zu glauben, dass er schon 66 Jahre alt ist. Koit Soasepp begeistert mit einem beeindruckenden, tiefen Bass als betrunkener Pfarrer und portraitiert diesen mit großem komischen Talent. Erwähnenswert sind auch Heikki Aalto als Polizeikommandant, Niina Keitel als Sonjetka und Jussi Merikanto, der gleich vier Rollen Leben einhauchen durfte.

Ebenso präsentierte sich der Chor der finnischen Nationaloper unter der Leitung von Marge Mehilane und Marco Osbic in bestem Licht mit seinem klaren Klang.

Das Orchester der finnischen Nationaloper unter der Leitung von Oleg Caetani erbrachte eine solide Leistung. Manchmal hätte man sich noch mehr Mut zur Brutalität und Hässlichkeit gewünscht und auch noch etwas mehr Hingabe zum Wahnsinn dieser Musik. Man bekam etwa das Gefühl, dass Caetani öfters die sichere Variante gewählt hat. Natürlich gab das Orchester aber dadurch den Sängern und auch dem Chor einen stabilen Rahmen, wodurch diese mit Sicherheit ihre Einsätze besser finden konnten.

Die Produktion, welche man in Helsinki sehen kann, ist eine Gemeinschaftsproduktion der Norwegischen Nationaloper und der Deutschen Oper Berlin. Ole Anders Tandberg versetzte die Handlung in ein Fischerdorf und aus dem Kaufmann Izmailov wurde eine Art Fischgroßhändler. In sich war das Konzept der Produktion sehr stimmig und löste von Anfang an ein Gefühl der Beklemmung und Trostlosigkeit aus, welches man während der gesamten Dauer der Stückes nicht mehr verliert. Auf der Bühne gibt es ständig Fische; sie liegen herum, werden getragen, mal dazu verwendet, um eine Frau zu vergewaltigen und auch um bei der Vergewaltigungsszene im ersten Akt sexuelle Erregung recht graphisch darzustellen. Mutet hier auf dem Papier – nun ja, eher Bildschirm – wohl etwas seltsam an, aber es funktioniert sehr gut und man beginnt sich richtig vor den Geschehnissen auf der Bühne zu ekeln. Durchaus sehr passend, da diese Geschichte genau das verlangt.

Das Resümee: ein überwältigender Abend. Es wäre schön, wenn das Haus voller werden könnte; leider war der Zuschauerraum spärlich besetzt. Daran sollte man etwas ändern, daher mein Reisetipp: Mit Norwegian Air geht es günstig nach Helsinki, besonders von Prag aus oder mit Air Baltic ab Wien.

Konstanze Kaas
MerkerOnline

 

 

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