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HELSINKI/ Finnische Nationaloper: LA BOHÈME. Premiere

23.03.2014 | KRITIKEN, Oper

HELSINKI / Finnische Nationaloper : LA BOHÉME-Premiére am 21.3.2014

„La Bohème“ ist die erste von der neuen Künstlerischen Leiterin, der auch im deutschsprachigen Raum bekannten Mezzosopranistin Lilli Paasikivi, verantwortete Première, deren Gesamtqualität zu den größten Hoffnungen Anlass gibt. Soll man es programmatisch deuten, dass für die Regie KATARIINA LAHTI gewonnen worden war, eine vorwiegend im Schauspiel beheimatete Regisseurin, die sich jedoch auch auf dem Opernsektor durch Puccini-Produktionen („Tabarro“ in Helsinki und „Butterfly“ in Tampere) einen Namen gemacht hatte? Frau Lahti fiel durch die Courage auf, dass sich ihre Inszenierung zu keinem Zeitpunkt zwischen Stück und Zuschauer stellte, so dass dieser ungehemmt genießen und sich seinen Gefühlen hingeben konnte – in der heutigen Opernwelt ein selten gewordener Luxus, der sicherlich bei denjenigen auf Kritik stoßen würde, für die die Gleichung modern = gut bzw. traditionell = schlecht gilt. Statt eigener „Zutaten“ zur Vorlage also eine ebenso einfühlsame wie stimmige Personenführung, verstärkt noch durch Bühnenbild (MARK VÄISÄNEN) und Kostüme (ANNA SINKKONEN), die das Stück zu Beginn des 20. Jahrhunderts ansiedelten. Lediglich den Weihnachtsmarkt des 2. Aktes empfand ich persönlich zu überladen, und dass extra eine Choreographin (RIIKKA RÄSÄNEN) für die zur Musik passenden rhythmischen Bewegungen des Damen- und Kinderchores sorgte, war des Guten denn doch etwas zu viel.

MICHAEL GÜTTLER, der neue Chefdirigent der Finnischen Nationaloper, hinterließ einen exzellenten Eindruck, der Appetit auf künftige Aufgaben machte. Puccinis Oper ist für den Zusammenhalt zwischen Bühne und Orchester ein verzwicktes Stück, voller Fallen für potentielle Wackelkontakte. Davon war bei dieser Premiére nicht zu spüren, was auf sorgfältige Probenarbeit hindeutet, aber auch auf die exakte Zeichengebung eines mit den Sängern atmenden Dirigenten, der sie sicher leitete, sich aber auch ihnen anpasste. Wenn der Begriff nicht so wenig positiv besetzt wäre, würde ich sagen – ein perfekter Kapellmeister!

Für die ersten beiden Aufführungen waren zwei verschiedene Besetzungen gefunden worden: Mimi, Musetta, Marcello waren in der „A-Premiére“ international besetzt, während diese Rollen in der zweiten Vorstellung einheimischen Kräften anvertraut waren. Rodolfo wurde in beiden Aufführungen vom selben Sänger gesungen, und dieser, der junge US-amerikanische Tenor ZACH BORICHEVSKY, war es vor allem, der für Sängerfreaks den Besuch lohnte. Ein hoch gewachsener, schlanker Tenor mit ebensolchem Material von angenehmem Timbre und stupender Höhensicherheit, die ihm erlaubte, die Rodolfo-Arie des 1. Aktes mühelos „in tono“ mit krönendem hohen C zu singen und im nachfolgenden Duett mit Mimi den Aufschwung zu diesem Ton mitzumachen (aus harmonischen Gründen würde ich es allerdings bevorzugen, wenn er diesen Ton Mimi überließe). Aber – wer hat, der hat! Es wäre wünschenswert, wenn man diesem jungen Tenor, der (noch) vorwiegend an kleineren US-Bühnen das lyrische Fach wie Traviata-Alfredo singt, Zeit zum Reifen ließe. Dann wird man von Zach Borichevsky noch viel Schönes hören.

Seine Mitstreiter waren gut, aber nicht von Borichevskys Qualität. Bei der Mimi der Bulgarin STEFANNA KYBALOVA hätte ich gerne ein lieblicheres Timbre gehabt, bei der sehr gut typgerecht besetzten Musetta (SIPHIWE MCKENZIE) etwas mehr Volumen, bei den beiden Baritonen (STEPHEN GADD als Marcello und JUSSI MERIKANTO als Schaunard) ein etwas mehr im Ohr haften bleibendes Timbre. Lediglich KOIT SOASEPP fiel mit seinem nachtschwarzen, mächtigen, jedoch gut auf Linie gehaltenen Material sehr positiv auf.

Zum Schluss noch eine Bitte an die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit. Ich hatte es in der Vergangenheit immer als sehr angenehm empfunden, wenn dem Programmheft ein Beiblatt mit Informationen zu den Mitwirkenden beigelegt wurde. Angesichts der vielen „Unbekannten“ in der Besetzung hatte ich dies bei dieser Premiére sehr vermisst. Ausgedehnte Informationen zum Produktionsteam, und die auch nur im finnischen Teil des mehrsprachigen Programmhefts, sollten kein Ersatz dafür sein.

Sune Manninen

 

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