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HELSINKI: DIE TOTE STADT

19.11.2013 | KRITIKEN, Oper

HELSINKI : Die tote Stadt – 16.11.2013

Die Premiere der ”Toten Stadt” war vor drei Jahren einer der größten Erfolge der Saison 2010/11 an der Finnischen Nationaloper: eine Regie (KASPER HOLTEN), die sich im Rahmen der Stückvorlage bewegte, diese aber durch neue Details bereicherte, ein Dirigat (der für den damaligen GMD Mikko Franck eingesprungene Kurt Kopecky) sowie ein hervorragendes Stückensemble. Es spricht für die Planungsfähigkeiten der Administratoren dieses Hauses, dass es ihnen gelungen ist, für die jetzige Wiederaufnahme fast dieselben Sänger wieder zu verpflichten, und es machte den Reiz der Wiederbegegnung aus, zu verfolgen, wie sich die Sänger in den vergangenen drei Jahren weiter entwickelt haben.

Dies konnte man besonders bei den beiden männlichen Protagonisten beobachten. KLAUS FLORIAN VOGT ist ein Tenor, an dem sich Pro und Contra entzünden wie heutzutage an keinem anderen. Aber ungeachtet dessen, ob einem dieses spezifische Timbre zusagt oder man bezweifelt, ob es für eine Rolle wie den Paul geeignet ist, gilt es, ihm Hochachtung zu zollen für die rein technische Bewältigung dieser schwierigen, weil unbequem hoch notierten Partie. An wenigen Passagen vor allem im 2. Akt konnte man bemerken, dass dies auch einem Vogt nicht leicht fällt, doch fiel auf, dass die Stimme im Vergleich zur Premierenserie an Kern, an Metall gewonnen hat, wenn man so will, „viriler“ geworden ist, ohne dass er die Fähigkeit eingebüßt hat, am Schluss noch ein perfekt durchgestütztes piano zu singen. Hut ab vor dieser Leistung! Vor drei Jahren war MARKUS EICHE mit seinem lyrischen Bariton ein hervorragender Fritz, musste aber dem Frank, da dicker orchestriert, vieles an Durchschlagskraft schuldig bleiben. Es war eine Freude festzustellen, dass auch bei Eiche die Stimme in der Zwischenzeit gewachsen ist, so dass er beide Partien nunmehr gleichermaßen begeisternd bewältigt. CAMILLA NYLUND wiederholte ihre schon damals nicht zu überbietende Leistung als Marietta mit ihrem natürlich gewachsenen, immer mehr Farben gewinnenden jugendlich-dramatischen Sopran, wie auch SARI NORDQVIST wieder ein vokal wie darstellerisch eindringliches Porträt der Brigitta gelang. Bei den Männern waren die Sänger der kleineren Partien dieselben wie bei der Premierenserie (PER-HÅKAN PRECHT, JUHA RIIHIMÄKI), bei den Damen wurden mit HANNA RANTALA und NINA KEITEL viel versprechende finnische Talente eingesetzt, wie überhaupt zu beobachten ist, dass unter der neuen Intendanz der Mezzosopranistin Lilli Paasikivi mehr als noch zuvor finnischen Sängern Gelegenheit zu Auftritten an einer Bühne gegeben wird, die sich „Nationaloper“ nennt. Nicht zu vergessen sei die Leistung einer Künstlerin, die in einer ursprünglich im Stück gar nicht real vorkommenden Rolle auftrat: KIRSTI VALVE als Pauls verstorbene Frau Marie, ein tief beeindruckendes Porträt der Frau, die Paul nicht vergessen kann und die für ihn  in der Realität existiert, bis er sich am Schluss von ihr Lösen kann, seine Trauerarbeit beendet hat und sich einem neuen Leben zuwendet.

Es hätte eine wunschlos glücklich machende Aufführung sein können, wenn am Pult ein Dirigent mit mehr Sensibilität gestanden hätte. Zugegeben, Korngolds Partitur ist äußerst kompakt und braucht sich hinter einer Elektra oder Salome, was Dichte der Orchestrierung anbelangt, nicht zu verstecken. Umso mehr bräuchte sie einen Dirigenten, der den Rat von Richard Strauss an einen jungen Kollegen, seine Musik wie Mendelssohn’sche Elfenmusik zu interpretieren, beherzigt hätte. Für MIKKO FRANCK hätten sich in den Vor-, Zwischen- und Nachspielen genügend Gelegenheiten gegeben, seinem Temperament (oder was er dafür hält) freien Lauf zu lassen und das (im Übrigen hervorragende) Orchester auftrumpfen zu lassen, aber Oper ist nun einmal mehr als Mahlers Sinfonie der Tausend. Hier sind Begleiterqualitäten  gefordert (die Sänger hätten es ihm gedankt), über die Franck entweder nicht zu verfügen oder die ihm sekundär zu erscheinen scheinen. Das Publikum schien meine Meinung jedoch nicht zu teilen und feierte den Ex-GMD mit enthusiastischem Beifall.

Übrigens – die Tatsache, dass die von mir besuchte Aufführung bereits um 14 Uhr begann, hatte viele Eltern offenbar veranlasst, ihren Kleinkindern einen schönen Opernbesuch zu gönnen. Hätten sie sich doch nur vorher über den Inhalt dieses Stücks informiert, das weiß Gott keine Oper für Kinder ist! Wer von diesen Korngold geschädigten Kindern wird später einmal eine Oper besuchen wollen?

Sune Manninen

 

 

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