Interview, 01/2011: Helma GAUTIER, Ich möchte eine Verwandlerin sein!
„Ich möchte eine Verwandlerin sein!“ ein Gespräch mit Helma Gautier im Vorfeld der Proben zu ALLES VORBEI in der Komödie am Kai:
Warum gehen wir ins Theater? Theater soll unterhalten, zum Lachen bringen, uns entspannen, aber auch zum Nachdenken anregen! Uns einen Spiegel vorhalten – Situationen die uns bekannt vorkommen – von anderen Perspektiven erzählen und uns manchmal auch dazu bringen Handlungen neu zu überdenken. Unterhaltung empfinden wir alle auf verschiedene Art. Auf eine ganz besonders und überaus spannende wird Sie Ihnen ab 15. Jänner 2011 in der Komödie am Kai in einem Stück von Edward Albee präsentiert. Der breiten Öffentlichkeit ist der Autor vor allem durch das Stück „Wer hat Angst vor Virgina Woolf“ bekannt, dass durch die Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton 1966 vielen sehr im Gedächtnis verblieben ist.
„Alles vorbei“ ist ein berührendes Stück, mit vielen Sequenzen die wir aus unserem Alltag kennen, denen wir irgendwo schon einmal begegnet sind. Mit viel Ironie werden uns die Beziehungen anhand einer Familie gezeigt, ein Klassiker der Moderne, mit der Sprache unseres Jahrhunderts. Im September 1972 wurde es erstmals im Akademietheater aufgeführt und war seit 40 Jahren nicht mehr in Wien zu sehen.
Ein Mann liegt im Sterben und seine Familie, aber auch seine Geliebte, sein Freund – ehemals Geliebter seiner Frau – sind um das Bett versammelt. Diese – seine Ehefrau – wird von Helma Gautier gespielt und bringt damit ein Wiedersehen mit der großen Dame des Wiener Theaterlebens. Sie durfte ich in einem Gespräch mit Sissy Boran, die die Geliebte darstellen wird, persönlich kennenlernen. Und sie erzählte mit strahlenden Augen über die Anfänge Ihrer Karriere.
Im Jänner 1940 geboren; besuchte Helma Gautier schon mit 4 Jahren den Ballettunterricht. Um zu ihrer Unterrichtstunde zu gelangen, musste sie bei einer Gruppe Schauspielschüler vorbei (von Erika Dammbacher, Schauspielerlehrerin für Kinder). Und das faszinierte sie viel mehr – und schnell war ihre Liebe zum Theater entflammt. Sie blieb einige Zeit beim Ballett, aber ihr ganzes Interesse galt bereits dem Theater. Als für einen Film Kinder als Statisten gesucht wurden, meldete sie sich spontan! Dieser erste Auftritt hatte Folgen. Sie bekam ein Engagement für den 1945 gedrehten Film „Praterbuben“. Und so stand sie in ihren ersten Film neben Dorothea Neff, Hermann Thimig und Fritz Immhoff vor der Kamera, ein überaus spannender Beginn. Sie spielte zwar nur eine stumme Hauptrolle, aber die großen opulent aufgebauten Kulissen sind ihr heute noch sehr stark in Erinnerung. Ein zweiter Film folgte 1948: in „Kleine Melodie in Wien“ war Paul Hörbiger einer ihrer Filmpartner.
Sie erlebte eine sehr glückliche Zeit im Gymnasium. Interessen wie Literatur, Schauspiel, aber auch klassische Musik wurden von den Lehrern geweckt und auch gefördert. Und so war nach Abschluss des Gymnasiums der Weg klar: Schauspielerin zu werden. Der erste Versuch im Reinhardt-Seminar misslang, daher begann sie zunächst mit dem Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik, bevor sie sich noch einmal ans Reinhardt-Seminar wagte – das sie dann mit den „Adelstitel“ ausgezeichnet abschloss.
Das erste Engagement sollte sie nach Münster führen! Doch beim Abschlussabend des Seminars wurde sofort das Burgtheater auf sie aufmerksam – vorerst „Gott sei Dank“ nur als Einspringerin für Johanna Matz, so war es ihr auch möglich den Vertrag in Münster zu erfüllen. In den folgenden drei Jahren pendelte sie zwischen Münster und Burgtheater. Dies brachte Vielfalt! In Münster z.B. Irma La Douce im Burgtheater Nestroy und Grillparzer. Nach Ende ihres Vertrages in Münster blieb sie dem Haus am Ring treu und war von dort auch nicht mehr wegzudenken.
Angesprochen auf die Entwicklung einer Rolle, beschreibt mir Frau Gautier den Weg vom Lesen eines Stückes, der Entscheidung für die Rolle und der beginnenden Proben in einem Theater. Etwas nachdenklich meint sie, früher gab es eine bessere Entwicklungszeit, die heute durch Zeitmangel oft stark reduziert wird. Früher waren Regisseure einfach viel besser vorbereitet, was den großen Vorteil hatte, dass man sich viel mehr auf das Stück und die Rolle konzentrieren durfte.
Leider ist heute auch die Probenzeit viel knapper, bedauert Frau Gautier. Somit ist die wunderbare und für sie oftmals so wichtige Entwicklung in den Probenabläufen nicht mehr gegeben. Viele Regisseure agieren dann eher als Kritiker, statt als Ideenbringer oder Gestalter, was ihr nie gefallen hat. Sie ist auch eine Verfechterin, ein Stück so zu bringen, wie es vom Autor gedacht ist. Offenbar sind sich hier die Damen Gautier und Boran sehr einig – denn beide Augenpaare leuchten enthusiastisch auf. Unser gemütlicher Nachmittag führt uns auch zum Thema Kritiker: Frau Gautier meinte dazu, früher waren Kritiken beinahe literatische Kunstwerke, wie z.B. vom wunderbaren Hans Weigl. Zum Thema Schauspieler meint sie: es gibt Verwandler – so wie sie hofft selbst eine zu sein – oder diejenigen die sich Selbst spielen -wenn die Persönlichkeit stimmt ist dies genauso wunderbar! Beispiele will sie hier nicht nennen.
Zu meiner abschliessenden Frage zur bevorstehenden Rolle – die Proben haben ja noch nicht begonnen – aber natürlich beschäftigt man sich ja bereits monatelang mit der Figur und hat klare Vorstellungen.
Ein kurzer Dialog zwischen Frau Gautier und Frau Boran – über ihre beiden Rollen zeigt mir schnell, dass zwei starke Persönlichkeiten dieses Stück prägen werden.
Lassen Sie sich überraschen und seien Sie neugierig, was einer der bedeutendsten Autoren unseres Jahrhunderts über uns Menschen und unsere Beziehungen zu sagen hat und begegnen Sie mit Helma Gautier einer „Grande Dame“ der Wiener Theaterszene.
Susanne Resperger (für ticketpoint-news)