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HEILBRONN/Theater: LA CLEMENZA DI TITO als Gastspiel Karlsruhe

03.02.2018 | Oper

Bildergebnis für staatstheater karlsruhe la clemenza di tito
Jesus Garcia (Tito). Copyright: Gregory Batardon

Mozarts „La clemenza di Tito“ im Theater Heilbronn als Gastspiel Karlsruhe – am 2.2.2018

VON SELTSAMEN VERSCHWÖRUNGEN

Patrick Kinmonth (Regie und Kostüme) legt auf den antiken Kontext von Mozarts „La clemenza di Tito“ großen Wert. Formale Strenge und Förmlichkeit bestätigen hier den tiefgründigen Reflexionsgehalt. In den Rezitativen bricht er dann diese strenge Form auf – und man erlebt plötzlich Figuren, die auf realistische und musikalisch informelle Weise zutiefst Menschliches verhandeln. Das kommt in dieser durchaus opulenten und monumentalen Inszenierung gut zum Vorschein. Formal strenge und freiere Elemente spiegeln sich auch in dem drehbaren Triumphbogen, der die Bühne mit seinem steilen Treppenaufgang majestätisch beherrscht. Tito wird hier als komplexe und widersprüchliche Politikerpersönlichkeit gezeichnet. Es ist ein pazifistischer Herrschertypus, der Gewaltfreiheit und Güte propagiert. Tito hat keinen Erfolg bei den Frauen und gerät auch bei dieser Inszenierung bis zur Handlungsunfähigkeit ins Grübeln. Erinnerungen an Shakespeares „Hamlet“ und „Macbeth“ werden ganz bewusst geweckt. Tito versucht eine Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und dadurch zu moralischer und emotionaler Klarheit zu kommen.

Das erfasst der Regisseur Patrick Kinmonth (Bühne und Video: Patrick Kinmonth und Darko Petrovic) überzeugend. Titos Neigung zu tiefer Reflexion ist auch der Grund dafür, warum er im ersten Akt selten agiert, sondern fast ausschließlich reagiert. Und je mehr Druck von außen auf ihn ausgeübt wird, desto schneller kommt es zu einer Handlungsentscheidung. Das zeigt die Inszenierung an mehreren Stellen. Dies wird auch angesichts von Titos Umgang mit der judäischen Prinzessin Berenice deutlich, von der er sich trennt. Tito möchte gerne wissen, was das Volk über ihn denkt. Er ist der Auffassung, dass Härte die Menschen nicht weiterbringt, deswegen bleibt er in seiner Überzeugung standhaft. Vitellia wird von Kinmonth ebenfalls als faszinierender Charakter dargestellt. Sie ist herrisch und eifersüchtig und in keiner Weise an moralischen Fragen interessiert. Und sie missbraucht ihren unterwürfigen Geliebten Sesto dazu, ihre blutrünstigen Rachefantasien in die Tat umzusetzen. Sie bildet zusammen mit dem Präfekten Publio einen starken Gegensatz zum gütigen Tito. Vitellia ist unglücklich und überlegt deswegen auch am Schluss, Selbstmord zu begehen.

Und so wird das Geschehen auch inszeniert. Der Kaiser, der das geplante Attentat überlebt hat, verzeiht ihr ebenso wie Sesto – doch ob sie an seiner Seite als Kaiserin regieren wird, bleibt offen. Der berühmte Titusbogen, der heute noch auf dem Forum Romanum zu bewundern ist, wird in dieser interessanten Inszenierung bewusst zur Schau gestellt. Er ist mit einem Relief geschmückt, das die militärischen Leistungen des historischen Kaisers Tito zeigt. Die Eroberung Roms, die Zerstörung des Tempels und die Versklavung der Juden stehen dabei im Mittelpunkt. Diese Details werden in Kinmonths Inszenierung aber weggelassen. Der Triumphbogen trägt hier auch nicht die bekannte Inschrift. Man will dabei keine historisch korrekte Nachbildung Roms auf die Bühne stellen. Es ist vielmehr ein deutliches Symbol für Macht und Eitelkeit der Herrschenden. Bei dieser Symbolarchitektur soll die blutige Biographie ausgespart werden. Tito muss gleichzeitig aber kein Heiliger sein.

Im zweiten Akt sieht man dann das berühmte Kolosseum, das Titos Vater Kaiser Vespasian gebaut hat. Es ist voll mit sensationslüsternen Menschen, die davon ausgehen, dass der Kaiser andere Menschen zu ihrer Unterhaltung hinrichten lässt. Statt dessen denkt dieser Kaiser über den Gebrauch seiner Macht sehr genau nach. Kinmonth hat eine stumme Seherin in die Handlung eingefügt, die Momente der Schicksalsgläubigkeit und Zerbrechlichkeit symbolisiert. Auch die Vogelschwärme, die man in verfremdeter Form im Bühnenbild und auf den Kostümen sieht, machen diesen Aspekt deutlich.

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Dilara Bastar (Sesto). Copyright: Gregory Batardon

Musikalisch überrascht diese Aufführung durch ihre hohe Qualität. Die Badische Staatskapelle unter der einfühlsamen Leitung von Dominic Limburg unterstreicht die musikalische Charakterzeichnung, die nicht gerade zu den Stärken von Mozarts Partitur zählt. Der formale Glanz dieser Opera seria, die im 19. Jahrhundert sehr populär war, wird von Limburg mit dem Orchester gleichwohl transparent betont. Es ist eine Festoper im Umbruch, die hier präsentiert wird. Der feierliche Auftritt des Kaisers mit Chor im zweiten Akt steht dabei im Zentrum, wobei der Badische Staatsopermchor unter der Leitung von Ulrich Wagner wieder einmal mit packender harmonischer Dichte agiert. Jesus Garcia als Tito überzeugt mit schlankem Tenor, aber auch differenzierten klanglichen Abstufungen. Dies zeigt insbesondere die zweite Tito-Arie „Ah, se fosse intorno al trono“ mit der erregten Klopfbewegung in den Bässen. Hier gelingt Jesus Garcia ein facettenreiches Rollenporträt. Ein signalartiges Unisono wird von der Badischen Staatskapelle unter der Leitung von Dominic Limburg eindringlich herausgearbeitet. Tito steht mit einem Schlag als großer Herrscher da. Dieser Umschlag der Haltung kommt bei der Aufführung glänzend zum Vorschein. Dies gilt ebenso für die den Fürsten hervorkehrende Arien-Coda. Titos innerer Seelenkampf manifestiert sich dann in der dritten Arie „Se all’impero, amici Dei!“, wo Jesus Garcia die emotionale Seite seiner Partie ausdrucksvoll betont. Begeisterungsstürme erntet die hervorragende Mezzosopranistin Dilara Bastar als Sesto, die bei der Verzweiflungsarie mit heftigster Affektdarstellung brilliert. Die Züge des empfindsamen und treuen Liebenden geraten so nicht aus dem Lot. Den schlichten Abwärtsgang von Violinen und Viola als Brücke von Rezitativ und Arie akzentuiert Dominic Limburg mit der Badischen Staatskapelle ebenfalls sehr plastisch.

Katherine Broderick zeigt als Vitellia bei der Arie „Non piu di fiori“ als Rondo ebenfalls eine starke gesangliche Leistung, die sich im Laufe des Abends ohne störenden Vibrato-Einsatz noch steigert. Und das Final-Quintett gerät hier wirklich zum leuchtkräftigen Kulminationspunkt des Dramas. Das musikalische Geschehen orientiert sich bei dieser Aufführung deutlich am bildlich-szenischen Vorgang. Auch der feurige Charakter der Ouvertüre mit ihrem monumentalen und fanfarenartigen Anstieg zu Beginn kommt nicht zu kurz, wenngleich manche Details noch genauer betont werden könnten. In weiteren Rollen faszinieren jedenfalls Agnieszka Tomaszewska als Servilia, Stefanie Schaeffer als Annio, Renatus Meszar als Publio und Dagmar Hock als stumme Seherin.

So gab es zuletzt viel Jubel.

Alexander Walther

 

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