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HEILBRONN/ Theater Heidelberg: DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL

26.10.2012 | KRITIKEN, Oper

Heilbronn/Theater Heidelberg: Entführung aus dem Serail 25.10.2012

 Die Intention der Inszenierung von Nadja Loschky bei Mozarts „Entführung“ an der Ausweichsspielstätte Heilbronn ist es, dieser sog. Türken-Oper alles fremdländisch-orientalische Kolorit auszutreiben, sogar auf Kosten der Musik. Nun kann Loschky zwar mit dem Argument kommen, daß Mozart seinen Erfolg mit solch einem exotischen Sujet nur gehabt habe, weil er auf der Welle der fremdländischen Janitscharenmusik geritten ist. Natürlich hat Mozarts Musik genügend Substanz, daß sie auch bei einer Reduktion dieser für damalige Ohren exotischen Klänge trotzdem große Tragkraft entwickelt. Fakt ist also, daß Nadja Loschky, die bereits unter H. Neuenfels und als freie Regisseurin in Osnabrück Kassel und an der Komischen Oper Berlin arbeitete, die Eliminierung der Live-Chöre betreibt – im 1.Teil gibt es eine Band-Einspielung des Bassa-Huldigungschors und im 2.Teil einen Chor hinter der Bühne zu Streichsextettbegleitung. Einzig die Fokussierung auf die sechs Protagonisten, ihre Liebes- und Abhängigkeitsverhältnisse interessieren die Regisseurin. Natürlich wird dadurch der Blick auf diese Beziehungen geschärft, aber kann dies durch die Ausblendung der sonstigen Verhältnisse geschehen? Nina von Essen baut ihr dazu ein Bühnenbild ganz im Stil von Anna Viebrock. Es stellt im Grund den (Innen)hof mit einem kleinen Bassin und Stellfläche für Blumen dar, Wäscheleinen, links und rechts Treppenaufgänge zu einer mit Gitter versehenen Umführung. Nach hinten zu ist die Konstruktion mit 3 großen Falltoren fabrikmäßig zu schließen, und diese Falltore dienen auch immer wieder dazu, die Ausgänge zu versperren. Im Verhältnis Osmin zu Blonde und Pedrillo wird der ‚Haremswärter‘ schon als grausame Quälernatur gezeichnet.

Trotzdem kann er bei Blonde punkten, aber eher durch den durchtrainierten muskulösen Körper von Wilfried Staber und sein kesses machohaftes Auftreten. Pedrillo kommt als Tolpatsch und fast sich masochistisch quälenlassende Figur ganz schlecht weg. Bassa Selim wird immer mit seinem „Tempel des Gewesenen“ gezeigt (ein Klein-Container, den er immer aus der Seitenbühne hervor- und wieder zurückzieht), in dem sich das Sterbebett und die Urne seiner Frau befindet. Nun will er, ähnlich wie Paul in der Toten Stadt von Korngold die Marie, Konstanze zu seiner Geliebten machen, die aber seiner verstorbenen Frau in allem gleichen soll. Dazu reißt er ihr zuerst die Kleider vom Leib, und in Unterwäsche auf kleinem Podest mit dornigen Rosen hat sie -sic- die Marterarie zu singen, um sie später mit einem roten Rüschenkleid seiner Exfrau zu drapieren. Konstanze reißt es sich dann wieder vom Leib und singt ihre 2.Arie von der oberen Ballustrade, wo sie sich hingeflüchtet hat.

Die Verführung des Osmin durch Blonde im Baströckchen wird nur kurz angetippt, wichtig ist ja auch nicht, daß er dem verbotenen Reiz des Alkohols als Muslim erliegt. Die ‚Abreise‘ mit den vielen Koffern der vermeintlich Sicheren gibt zu der bei Mozart angelegten Eifersuchtszenen der Männer Anlass. Nach ihrer Ertappung werden ihnen weiße Tücher um den Kopf gebunden und vier Kranhaken vom Bühnenboden heruntergefahren. Natürlich wirkt dann Mozarts versöhnlicher Schluß mit dem Strophenrondo für alle völlig aufgesetzt, da der Bassa und Osmin sich bis zum Schluß als grausam erweisen.

 Seitens des Orchesters gelingt eine eindrückliche geschärfte, nahezu vibratolose Wiedergabe, die von Ivo Hentschel schmissig und, wo gefordert,  mit schnellen Tempi dirigiert wird.

Die charakterisierenden Kostüme sind von Gabriele Jaenecke.

 Winfied Mikus bringt für Pedrillo zuverlässige Höhe mit und gestaltet sein Lied und seine Arie mit Gusto. Der Bassa wird von dem Schauspieler Michael Pietsch als junger Langhaariger verschlagen und grausam gestaltet, sowie eindrücklich rezitiert. Hier ist nichts mehr von einem großherzigen Aufklärer zu spüren. Der Osmin Wilfried Staber wartet mit einem tragenden expressiven Baß auf, mit dem er auch exquisit musikalisch interpretiert. Der Belmonte des Terry Wey verfügt über einen anmutig lyrischen Tenor, dem aber ein paar Resonanzräume abhanden gekommen erscheinen. Das Gegenteil ist bei Sharleen Joynt als Blonde der Fall. Es gelingt ihr, ihre schöne, eigentlich kleine Stimme so zu öffnen, daß sie auf einmal trägt und Volumen gewinnt und ihre bidhübsche Erscheinung dadurch ins rechte Bild stellt. Auch Irina Simmes/Konstanze, die bei der 1. Arie noch etwas gehemmt wirkt (natürlich verlangt ihr die Regie Enormes ab), steigert ihren gut sitzenden lyrischen Sopran und läst ihm am Ende, besonders im Duett mit Terry Wey, schön aufleuchten.

Friedeon Rosén

 

 

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