Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

HEIDELBERG: ECHNATON von Philip Glass

07.07.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Opernrarität in Heidelberg: „Echnaton“ von Philip Glass (Vorstellung: 6. 7. 2014)

image_manager__kkr-slide-large_kk_c_heidelberg_echnaton
Die Oper „Echnaton“ von Philip Glass wurde in Heidelberg als „Tanzoper“ gezeigt (Foto: Florian Merdes)

 Das Theater Heidelberg, das immer wieder mit Opernraritäten glänzt, brachte kürzlich im Marguerre-Saal das sehr selten gespielte Werk „Echnaton“ des amerikanischen Komponisten Philip Glass zur Aufführung. Der Hauptvertreter der „Minimal Music“ ist in Österreich kein Unbekannter, wurde doch im April des Vorjahres mit der Uraufführung seiner Oper „Spuren der Verirrten“ das neue Musiktheater in Linz eröffnet.

 Philip Glass (geb. 1937 in Baltimore), dessen Opern oft mehrere Stunden dauern und erst dann ihre ganze Wirkung offenbaren, schuf zwischen 1976 und 1984 ein Triptychon von Porträtwerken, mit denen er in der Opernwelt für Aufsehen sorgte: „Einstein on the Beach“ (mein Bericht aus Amsterdam für den „Online-Merker“ erschien am 12. 1. 2013), die Gandhi-Oper „Satyagraha“ (Bericht aus Bonn am 17. 6. 2013 im „Online-Merker“) und „Echnaton“, das Werk über jenen Pharao, der mit Nofretete vermählt war und mit radikalen Reformen Ägypten in eine neue Zeit führte.

 Das Libretto für die Oper Echnaton, die 1984 in Stuttgart zur Uraufführung kam und seither in Deutschland nicht mehr gespielt wurde, verfasste der Komponist in Zusammenarbeit mit Shalom Goldman, Robert Israel und Richard Riddell. Das Werk beleuchtet in drei Akten Echnatons Leben wie eine Zeitreise, beginnend mit seiner Krönung 1375 v. Chr. bis zu seinem Sturz 1358 v. Chr. Als visionärer Herrscher versuchte er die Grundpfeiler des damaligen Glaubens zu verschieben, erhob den Gott Aton in Gestalt der Sonnenscheibe zum höchsten aller Götter und setzte sich und seine Frau Nofretete als Vermittler zwischen Gott und den Menschen ein.

 Die Regisseurin und Choreographin Nanine Linning schuf eine atmosphärisch dichte Inszenierung, in der sie Musik, Gesang und Tanz zu einer Einheit verschmolz, wodurch das Werk allerdings zu einer „Tanzoper“ mutierte. Doch waren alle Szenen so exzellent und kreativ choreographiert, dass das Publikum vom Anfang bis zum Schluss gebannt war. Großartig inszeniert und choreographiert war der Kampf von Echnatons Anhängern mit den Amun-Priestern, eine der eindrucksvollsten Szenen der Aufführung!

 Eine adäquate Unterstützung fand die Regisseurin in Marc Warning, der eine abstrakte, ästhetisch wirkende Bühne schuf, und in Georg Meyer-Weil, der für die prachtvolle ägyptische Kostümierung der Darsteller verantwortlich zeichnete. Für die kreativen Lichteffekte sorgte Philipp Wiechert, die Videoeinspielung oblag Roger Muskee.

 Als erstklassig erwies sich das Sängerensemble, das zwar stets in einer symbolisch starren Haltung verharren musste, als wäre es altägyptischen Reliefs entstiegen, und zum Gesang bloß mit einer „herrschaftlichen“ Gestik agieren durfte, aber durch ihre Stimmen glänzen konnte. Allen voran der russische Countertenor Artem Krutko in der Titelrolle, der stimmlich alle Register seines Könnens zog. Ihm mehr als ebenbürtig war die französische Sopranistin Amélie Saadia als Nofretete, die Gemahlin des Pharao. Sie überzeugte mit ihrer glasklaren Stimme, die alle Höhen sicher bewältigte.

 Überzeugend auch die albanische Sopranistin Irida Herri als Königin Teje und der Tenor Winfried Mikus in der Rolle des Hohen Priesters des Amun, der die alte Ordnung in Ägypten zu vertreten hatte. In zwei kleineren Rollen waren noch der deutsche Bass Michael Zahn als Berater Eje und Nofretetes Vater sowie der amerikanische Bass Zachary Wilson in der Rolle des Generals Haremhab im Einsatz. In der Sprechrolle des Chronisten bestach der Schauspieler Dominik Breuer mit schneidender Stimme und großer Wortdeutlichkeit (in englischer Sprache).

 Chor und Extrachor des Theaters Heidelberg warteten mit enormer Stimmkraft (Leitung: Anna Töller) auf. Phänomenal agierte die Dance Company Nanine Linning. Ihre Tänzerinnen und Tänzer überzeugten in allen Szenen durch ihre akrobatisch und ästhetisch wirkenden Leistungen. Dem Philharmonischen Orchester Heidelberg, das unter der Leitung von Róbert Farkas stand, gelang es, die Partitur des Komponisten, die von stets wiederkehrenden Klängen dominiert ist und oftmals einen fast hypnotischen Effekt erreicht, dem Publikum nahezubringen, wenngleich des Öfteren das Gefühl aufkam, dass die Musik von Philip Glass in dieser Produktion ein wenig im Schatten der optischen Reize der tänzerischen Leistungen stand.

 Das Publikum war von der „Tanzoper“ begeistert und bejubelte kreischend das Sänger- und Tanzensemble sowie das Orchester und den Dirigenten mit frenetischem Beifall, der kein Ende nehmen wollte.

 

Udo Pacolt

 

Diese Seite drucken